Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Köthen
Hochschule fürchtet um ausländische Studierende

Nach den rassistischen Demonstrationen in Köthen ist die Lage auch an der Hochschule Anhalt angespannt. Viele Studierende trauen sich kaum noch, den Campus zu verlassen. Zwar versucht die Hochschulleitung zu beruhigen, hat aber ihrerseits auch Vorsichtsmaßnahmen für ihre Studierenden getroffen.

Von Christoph Richter | 17.09.2018
    Die Hochschule Anhalt in Köthen
    Der Hochschule Köthen informiert mittlerweile ihre ausländischen Studierenden darüber über geplante fremdenfeindliche Demonstrationen in ihrer Stadt (dpa/ picture alliance/ Jan Woitas)
    Die Botschaft ist klar: Köthen ist bunt, Köthen ist international, sagt der 47-jährige Jörg Bagdahn. Er ist gebürtiger Köthener und Präsident der Hochschule Anhalt. Mit einem aktuellen Ausländeranteil von knapp 30 Prozent und 2.600 ausländischen Studierenden aus 106 Nationen hat die Hochschule mit den drei Standorten Dessau, Bernburg und eben Köthen den höchsten Ausländeranteil in Sachsen-Anhalt, ein auch bundesweiter Spitzenwert.
    "Naja, grundsätzlich ist die Hochschule Anhalt, schon seit ihrem Bestehen eine internationale Hochschule. Den Anteil an ausländischen Studierenden von 30 Prozent hatte sie schon vor 125 Jahren, als sie gegründet wurde. Auch zu DDR-Zeiten gab es viele internationale Studenten."
    Die Vorkommnisse in Köthen, die fremdenfeindlichen Demonstrationen und volksverhetzenden Reden, sie sind zwar in Köthen passiert, haben mit Köthen aber nichts zu tun, betont ausdrücklich der aus Chemnitz stammende Hochschullehrer Bagdahn:
    "Ja, ich glaube, das ist eine komplette Fehleinschätzung, Fehlwahrnehmung, die auch dann die Presse vermittelt."
    Berichten die Medien tatsächlich falsch, herrscht in Köthen eine heile Multikulti-Welt? Nicht ganz. Dazu braucht man nur auf den Campus oder in die Mensa zu gehen. Dort kommt man schnell mit den Studierenden ins Gespräch. Auch mit Chinesen, sie stellen die größte Gruppe der ausländischen Studierenden an der Hochschule Anhalt. Viele von ihnen wohnen auf dem Campus. Das hat seinen Grund, denn viele fühlen sich in der Köthener Innenstadt unsicher, erzählen sie. Wenn man etwas in der Stadt zu erledigen habe mache man das nie allein, sagt der 22-jährige Yi.
    Yi: "Man ist nur mit Freunden unterwegs…
    Rinzhi: "Ja, ja, nur mit Freunden."
    Yi und Rinzhi studieren Elektrotechnik und kommen aus der Provinz Anhui, das liegt in der Nähe von Schanghai. In der Mittagssonne sitzen sie mit Freunden zusammen auf der Mensa-Terrasse.
    "Weil auf der Straße sind manchmal Leute, die sagen keine schönen Dinge, das ist nicht angenehm für Ausländer. Ehrlich gesagt, es ist nicht so sicher für die Chinesen."
    Campus gibt ausländischen Studierenden Sicherheit
    Sie hätten auch schon von tätlichen Auseinandersetzungen gehört. Doch tief sitzende Angst haben sie nicht, sagt Yi noch, aber richtig sicher sei es in Köthen aber auch nicht. In die Innenstadt würden sie sich nur in Kleingruppen trauen, der Campus dagegen gebe ihnen Sicherheit. Hier könne man sich völlig sorgenfrei bewegen.
    Hochschul-Chef Jörg Bagdahn versucht zu beruhigen. Erst nach mehrfachen Nachfragen zeigt er seine Sorge um die ausländischen Studierenden.
    "Die Situation ist momentan sehr angespannt. Wir müssen für unsere Studierenden Vorsorge treffen, das niemand zu Schaden kommt."
    Praktisch heißt das:
    "Wir informieren unsere Studierenden über Veranstaltungen, die hier durchgeführt werden, dass man sich nicht in das Spannungsfeld bewusst hinein begibt. Und wir geben den Hinweis, dass zu den Zeitpunkten, wo größere Sachen stattfinden, dass man die Gebiete dann meiden sollte."
    Wegen der Vorkommnisse hat der gebürtige Chemnitzer und Hochschulpräsident Jörg Bagdahn diese Woche alle auswärtigen Termine abgesagt und bleibt in Köthen. Die Leiterin des International Office Anne Beer ist mit den ausländischen Studierenden permanent im Gespräch. Man sei im direkten Kontakt, sagt sie.
    "Sie machen sich Sorgen, das ist sehr wohl richtig. Wir versuchen zu sensibilisieren, damit unsere Studierenden wissen, wie sie damit umgehen können."
    Schon 2012 gab es Übergriffe
    Auch der Köthener SPD-Oberbürgermeister Bernd Hauschild gesteht, dass es keine einfache Situation sei. Erst kürzlich sagte er der Nachrichtenagentur epd, dass man die Polizei informiert habe, wo die Studierenden wohnen. Seine Botschaft an die ausländischen Studenten:
    "Sie sollen wissen, dass wir alles dafür tun werden, dass sie sich in Köthen weiterhin wohl und sicher fühlen und die Stadt eine farbenfrohe und bunte bleibt."
    "Aber ich denke schon, es wird in Köthen wieder ruhiger werden."

    Kommunalpolitiker Hauschild weiß aber auch, dass Ausländerfeindlichkeit in Köthen kein unbekanntes Phänomen ist, schon früher ein Thema war. 2012 gab es mehrere Übergriffe auf chinesische Studierende, weshalb die Hochschule Anhalt damals Teile des Hochschulgeländes in Köthen von einem privaten Sicherheitsdienst überwachen ließ.
    Sorge um das Hochschulimage
    An der Hochschule Anhalt hofft man, nicht wieder zu solchen Mitteln greifen zu müssen. Überlegungen dahingehend, gebe es aktuell nicht, sagt Hochschulpräsident Jörg Bagdahn. Eher sorge man sich um den Ruf des Hochschulstandortes Köthen. Weshalb man drauf setzt, das sich die Situation in Köthen schnell wieder beruhigt.
    "Logischerweise ist das nichts, was dem Image einer Hochschule guttut."