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Kohl-Akten enthalten keine Informationen zur CDU-Spendenaffäre

Friedbert Meurer: Jahrelang hat Bundeskanzler Helmut Kohl dagegen geklagt, dass ihn betreffende Stasi-Akten gegen seinen Willen öffentlich gemacht werden. Zuletzt gab es dann im Sommer des letzten Jahres ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es gab dem Persönlichkeitsrecht von Altbundeskanzler Kohl Vorrang. Jetzt heißt es etwas überraschend aus Berlin, die Gauck-Behörde gibt doch Stasi-Akten über Helmut Kohl heraus. Am Telefon begrüße ich Marianne Birthler. Sie ist die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen Frau Birthler!

Moderation: Friedbert Meurer | 24.03.2005
    Marianne Birthler: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Warum geben Sie jetzt doch Stasi-Akten von Helmut Kohl heraus?

    Birthler: Das Urteil, das vor einigen Monaten ergangen ist, hat ja ausdrücklich festgestellt, dass Unterlagen auch ohne ausdrückliche Einwilligung herausgegeben werden können. Wir haben dann das normale Verfahren begonnen. Das heißt die Betreffenden werden in solchen Fällen angeschrieben und sie erhalten Kenntnis von den Unterlagen, die zu ihnen herausgegeben werden sollen. Dann haben sie die Möglichkeit, noch Einwände vorzubringen. Das ist in diesem Falle auch geschehen. Aber heute haben wir die Nachricht bekommen von den Anwälten von Helmut Kohl, dass diese Einwände zurückgestellt worden sind. Damit war der Weg frei, die vorgesehenen Unterlagen herauszugeben.

    Meurer: Welche Akten sind das denn?

    Birthler: Sie werden jetzt nicht von mir erwarten, dass ich Ihnen aus dem Inhalt der Unterlagen etwas zitiere. Es sind Unterlagen, die geeignet sind, die Tätigkeit, die Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit aufzuarbeiten.

    Meurer: Welchen Umfang haben diese Akten, die Sie jetzt freigeben?

    Birthler: Es sind zwei Ordner mit reichlich tausend Blatt.

    Meurer: Welche Zeiträume deckt das ab?

    Birthler: Das kann ich Ihnen jetzt nicht so sagen. Ich gehe davon aus, dass der gesamte Zeitraum, mindestens der, in dem Helmut Kohl Bundeskanzler war, für das Ministerium für Staatssicherheit interessant war.

    Meurer: Nun hatte sich ja der Altbundeskanzler Helmut Kohl vor allen Dingen dagegen gewehrt, dass Protokolle, Zusammenfassungen von Telefonüberwachungen veröffentlicht werden. Sind solche Telefonüberwachungen dabei?

    Birthler: Wir haben ja zu einem sehr frühen Zeitpunkt, also schon vor fast vier Jahren, erklärt, dass Abhörprotokolle oder Abschriften von Tonbandaufnahmen beziehungsweise Zusammenfassungen nicht herausgegeben werden. Dabei ist es geblieben.

    Meurer: Also auch keine Zusammenfassungen von Telefonüberwachungen?

    Birthler: Nein.

    Meurer: Ist da irgendetwas geschwärzt in den Akten?

    Birthler: Ja, natürlich. In allen Unterlagen kommen auch Informationen vor, die nicht für die Herausgabe geeignet sind. Ich kann Ihnen das jetzt nicht im Detail sagen, aber das wird hier sicherlich nicht anders sein.

    Meurer: Nun interessiert natürlich viele: Können diese Akten, diese beiden Ordner, die Sie jetzt freigegeben haben, dazu beitragen, etwas auszusagen über die seinerzeitige CDU-Parteispendenaffäre?

    Birthler: Nein. Ich habe ja erläutert, dass die Unterlagen geeignet sind, die Tätigkeit, die Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit zu erhellen. Wer die Unterlagen jetzt sehen möchte in der Hoffnung, dort etwas über Tätigkeit und Wirkungsweise des früheren Bundeskanzlers herauszubekommen, der wird eher enttäuscht sein.

    Meurer: An wen geben Sie denn jetzt diese Akten?

    Birthler: Es gibt eine ganze Reihe von Antragstellern aus Wissenschaft und aus den Medien. An die werden heute die Unterlagen herausgegeben.

    Meurer: Haben Sie den Eindruck? Ich nehme an, Sie haben sich ja die beiden Ordner doch mal angeschaut. Gibt es dort irgendwelche Sensationen oder Besonderheiten, die Ihnen aufgefallen sind?

    Birthler: Mehr als das, was ich eben zu den Unterlagen gesagt habe, werde ich Ihnen jetzt auch nicht verraten.

    Meurer: Sie haben die Zustimmung von Helmut Kohl bekommen, von den Rechtsanwälten.

    Birthler: Entschuldigung! Es geht hier nicht um Zustimmung. Das war kein Zustimmungsverfahren, sondern ein Beteiligungsverfahren. Das heißt wir haben mitgeteilt, was wir herauszugeben beabsichtigen, und dagegen hat es schließlich keine Einwände gegeben. Ein Einwilligungsverfahren war das nicht.

    Meurer: Ist dieses Verfahren, wie Sie es angewendet haben, so vorgesehen im Gesetz?

    Birthler: Ja, genau das!

    Meurer: Und wenn Kohl nein gesagt hätte, was wäre dann gewesen?

    Birthler: Wenn Kohl Einwände gegen die Herausgabe in bestimmten Teilen aufrechterhalten hätte, dann hätten wir eine nochmalige Prüfung vorgenommen. Da kann ich jetzt schlecht spekulieren, ob wir die Einwände akzeptiert hätten oder nicht. Wir sind nicht verpflichtet, solche Einwände zu akzeptieren. Das ist dann wieder die Frage einer weiteren Abwägung. Das war hier aber nicht erforderlich, weil die Einwände, die ursprünglich geäußert worden sind, zurückgezogen worden sind.

    Meurer: Was waren das für Einwände?

    Birthler: Nein, Entschuldigung! Das geht jetzt zu sehr ins Detail.

    Meurer: Würden Sie insgesamt sagen, das alles, was jetzt geschieht, geschieht im Einvernehmen mit dem Altbundeskanzler?

    Birthler: Wir haben ein Benachrichtigungsverfahren durchgeführt. Das heißt die Einwände gegen die Herausgabe sind zurückgezogen worden. Das ist gleichbedeutend einem Einvernehmen, aber es ist kein Einwilligungsverfahren.

    Meurer: Das war Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen. Frau Birthler, ich danke Ihnen schön und auf Wiederhören!

    Birthler: Auf Wiederhören!