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Kohleausstieg
Die Sorben und der Strukturwandel

Vom Kohle-Strukturwandel sind in Sachsen und Brandenburg rund 50.000 Menschen betroffen, für die sich das berufliche Umfeld ändern wird. Für die sorbische Minderheit in Deutschland geht es neben Jobs auch darum, dass die Volksgruppe dabei nicht auseinanderfällt.

Von Susanne Götze | 11.06.2019
Die slawische Volksgruppe siedelt seit Jahrhunderten in Brandenburg und Sachsen
Schwarzkollm liegt in der sächsischen Oberlausitz (picture alliance / dpa / Britta Pedersen )
Das Dorf Schwarzkollm liegt in der sächsischen Oberlausitz. Tausende Besucher zieht es jedes Jahr in die Zaubermühle des Krabat. Die Mühle wurde nach der sorbischen Legende, die von einem Zauberlehrling erzählt, mit viel Liebe rekonstruiert. Das große Mühlrad, schilfgedeckte Häuschen und holzverkleidete Scheunen sehen aus wie ein kleines Disneyland auf Sorbisch. Sorben, das ist eine der letzten ethnischen Minderheiten in Deutschland.
Die slawische Volksgruppe siedelt seit Jahrhunderten in Brandenburg und Sachsen, hat ihre eigene slawische Sprache und Traditionen. Viele Sorben leben bis heute im Braunkohlegebiet der Lausitz. Dort förderte einst das Braunkohlekombinat Senftenberg, später dann Vattenfall und heute die tschechische Leag die Braunkohle aus dem Untergrund.
"Wenn wir in die Geschichte schauen, sehen wir, dass die Braunkohle über hundert Jahre unsere Region geprägt hat. Es verschwanden mehr als 130 Ortschaften und Siedlungen, die zum großen Teil auch sorbisch geprägt waren. In der Lausitz waren 25.000 Menschen von der Umsiedlung und Devastierung betroffen. Davon auch ein beträchtlicher Anteil an Sorben, was auch dazu geführt hat, dass wir in einigen Regionen an Sprachsubstanz verloren haben. Da ist es unser Anliegen ist es, dass man unsere gemeinsame Geschichte und diese gemeinsame Gesellschaft auch weiter in die Zukunft trägt."
Deindustrialisierung schon seit den 1990er-Jahren
Für den Sorben Dawid Statnik war die Braunkohle Fluch und Segen seiner Volksgruppe. Als Vorsitzender des Bundes Lausitzer Sorben will Statnik das kulturelle Erbe der Sorben erhalten oder eigentlich mehr noch - wiederbeleben.
Denn schon in der 1990er-Jahren verließen viele seiner Landsleute wegen der Deindustrialisierung die Region. Nun soll laut Kohlekommission bis 2038 aus Klimaschutzgründen mit der Kohle Schluss sein. Das trifft auch die Sorben. Viele von ihnen arbeiten immer noch für das Kohleunternehmen Leag oder für Zulieferbetriebe. Dass die Braunkohle im 21. Jahrhundert keine Zukunft hat, ist für Statnik eindeutig. Der Strukturwandel ist für ihn eine Chance auf Wiedergutmachung.
"Die Lausitz ist zum einen ein ländlicher Raum und zum Zweiten die Heimat der Sorben. Wir als Sorben bieten uns als ein regionaler Faktor an, als eine Besonderheit. Wir sehen in Europa viele Regionen, wo das gelungen ist, beispielsweise Wales und Südtirol, in denen man ganz klar sagen kann - wir sind ein Akteur, den man auch nicht vergessen darf. Hier kommen zwei Aspekte zum Tragen: Zum einen die Chance in einer offenen Gesellschaft der Chancen zu leben und zum zweiten die geschichtliche Wende herbeizuführen: Alles das, was uns in über 100 Jahren angetan wurde, worunter auch die Sprache litt, versucht man nun mit neuen Chancen und Ideen wieder wettzumachen und damit auch die Blüte der Region voranzutreiben."
Konzept für europäisches Zentrum für ethnische Minderheiten
Die Bundesregierung hat in ihren Eckpunkten zum Strukturstärkungsgesetz nun für die nächsten zwei Jahrzehnte Milliardenhilfen für die Kohleregionen in Deutschland zugesagt. Ein erstes Sofortprogramm von 260 Millionen Euro läuft bereits. Die sorbischen Gemeinden hoffen nun auf die Förderung kommunaler Strukturen, um verlorene Dorfgemeinschaften wieder aufzubauen. Mit dem Geld sollten die regionale Wirtschaft und kleine Unternehmen unterstützt werden, hofft Sorben-Vertreter Dawid Statnik. Aber neben der wirtschaftlichen Förderung geht es auch um den Erhalt der Kultur. So liegt auch ein Konzept für den Bau eines europäischen Zentrums für ethnische Minderheiten auf dem Tisch.
Das sieht auch der Leiter des Sorbischen Instituts, Hauke Bartels so. Er sitzt im "Wendenhaus". Wenden heißen die Sorben, die in der Niederlausitz leben. Das Kulturzentrum liegt direkt an einem idyllischen Park in der Cottbusser Altstadt.
Der Slawist Hauke Bartels sieht in den Millionen aus Berlin vor allem die Chance, Kultur und Sprache der Minderheit wiederzubeleben.
"Die ursprüngliche Diskussion um den Strukturwandel war sehr ökonomisch geprägt und sehr auf Infrastruktur und Großtechnologie ausgerichtet. Und unser Engagement hat immerhin erreicht, dass die Diskussion erweitert worden ist. Aber es droht trotzdem, dass Förderbereiche wie etwa Bildung, Kultur oder Sprach- und Kulturrevitalisierung hinten runterfallen."
Exotisches Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit
Bartels freut sich daher, dass zumindest ein kleiner Teil des ersten Strukturwandelprogramms in Kulturprojekte wie den digitalen Sprachatlas fließt. Damit sollen die unterschiedlichen Sprachräume der Sorben zu kartieret und für alle im Internet zugänglich gemacht werden.
"Wissen zu vermitteln über Kultur und Sprache - das ist aus meiner Sicht nichts, was nur an sorbische Schulen gehört, sondern was an alle Schulen der Region gehört. Jeder Schüler in Brandenburg sollte wissen, dass es sowas wie Sorben und Wenden gibt und welche Rolle sie in der Geschichte gespielt haben und auch heute noch spielen. Dass es die Sprache gibt und wie sie klingt."
Bartels ist selbst kein Sorbe. Aber er fühlt sich für die Erhaltung einer der letzten Minderheitenkulturen in Deutschland verantwortlich. Nur noch 8.000 bis maximal 15.000 Menschen sprechen die sorbische Sprache.
Auch sorbische Volkstänze und Traditionen existieren oft nur noch als exotisches Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Mit den Hilfen aus dem Strukturwandelfonds könnten sie bald wieder Teil des Lausitzer Alltag werden.