Donnerstag, 28. März 2024

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Kohleausstieg
Zukunft des Hambacher Waldes weiter unklar

Der Hambacher Wald soll möglichst stehen bleiben. So steht es im Kompromissvorschlag zum Kohleausstieg. Doch für die Rekultivierung des angrenzenden Tagebaus ist der Wald ein Problem, berichtet DLF-Landeskorrespondent Moritz Küpper.

Moritz Küpper im Gespräch mit Georg Ehring | 01.02.2019
    Bagger fördern Kohle im verschneiten Tagebau Hambach bei Köln.
    Der Tagebau Hambach soll zwar stillgelegt werden. Zur Stabilisierung der steilen Böschungen muss aber noch viel Erdmaterial bewegt werden. (imago/Manngold)
    Georg Ehring: Der Hambacher Wald soll stehen bleiben - dafür hat sich die Kohlekommission ausgesprochen, die Ende vergangener Woche ihren Vorschlag für das Ende der Kohleförderung vorgelegt hat. Vor allem die Umweltverbände fordern den Erhalt dieses Waldes. Es ist zum Symbol für den Braunkohleausstieg im Rheinischen Revier geworden. Doch es ist keinesfalls sicher, dass der Wald auch wirklich stehen bleiben kann. Diese Ansicht vertritt jedenfalls das RWE, das den Tagebau Hambach betreibt. Frage an unseren Nordrhein-Westfalen-Korrespondenten Moritz Küpper: Warum kann man nicht einfach die Bagger stoppen?
    Moritz Küpper: Nun, das könnte man natürlich technisch tun und ohnehin laufen die Bagger im Tagebau Hambach, der direkt an dieses Waldstück grenzt, mittlerweile schon gedrosselt. Aber wenn wir mal die Frage der juristischen Streitigkeiten außen vor lassen, auch die Frage, ob sich RWE, also der Betreiber und die Bundesregierung als die Partei, die den früheren Ausstieg möchte, wenn die sich einigen würden und wenn wir auch mal den Punkt Versorgungssicherheit mit Strom außen vor lassen, dann gibt es in dem Fall noch technische Parameter, die es zu berücksichtigen gibt.
    Der Tagebau Hambach ist einer tiefsten der Welt. Man muss dort 400 Meter buddeln, um erst dann auf die Kohle zu stoßen. Diese Schicht, die da abgetragen wird, ist dann bis zu 70 Meter dick. Und in einem solchen Tagebau liegt eine jahrelange Planung zu Grunde, die dann auf Jahrzehnte ausgerichtet ist. Man muss sich das alles als ein wanderndes Loch vorstellen, bei dem – vereinfacht gesagt - vorne gebaggert wird und dann hinten wieder aufgefüllt wird. Im Fall von Hambach gibt es aufgrund des laufenden Betriebs nun solche steilen Kanten, dass man diese erst einmal absichern müsste.
    Die Böschung muss stabilisiert werden
    Für die Überwachung und Genehmigung zuständig ist die Bezirksregierung Arnsberg. Für den leitenden Bergdirektor, Andreas Nörthen, sind die fehlenden Erdmassen auch die Hauptherausforderung:
    Andreas Nörthen: Die größte Herausforderung wird sicher darin bestehen, ein neues Restloch zu gestalten mit dauerstandsicheren Böschungen. Dafür brauch man noch enorme Mengen an Abraum, an Massen, um die vorzukippen. Und wo soll man die Massen hernehmen? Aus der Sophienhöhe, die seit über 35 Jahren rekultiviert ist und forstwirtschaftlich hervorragend dargestellt ist? Oder geht man ins Tagebauvorfeld? Wo holt man die Massen her, um dauerstandsicheren Böschungen zu gestalten, die dann auch für den Restsee und für die Folgenutzung mit Landwirtschaft und Forstwirtschaft dann geeignet sind? Eine riesige Herausforderung, die meiner Meinung nach sehr schwierig oder fast unmöglich zu lösen ist.
    Küpper: Die Sophienhöhe, das ist bereits rekultivierter Tagebau. Also, "wünschenswert" steht zwar grundsätzlich in den Vorschlägen. Aber: Das klingt ja eher pessimistisch.
    Der Hambacher Wald könnte eine Insel werden
    Ehring: Was müsste denn passieren, um das Waldstück tatsächlich zu stabilisieren?
    Küpper: Die Absicherung ist das eine Thema. Viel schwieriger ist aber die Frage, woher man die Erdmassen bekommt, die man zur Absicherung braucht. Nicht nur – bildlich gesprochen – am Wald selber, sondern eben auch an den Seiten dieses Loches. Wenn wir uns das Ganze vorstellen: Der Hambacher Forst auf der Karte dargestellt ist ein kleiner Streifen. Und dahinter liegen die Erdmassen, die man dafür bräuchte. Von bis zu 1,7 Milliarden Kubikmeter Erde sprechen sie da bei den Behörden. Und da ist eben die Frage, wo das herkommen soll.
    Ursprünglich war geplant, den Hambacher Forst, die Massen darum und das was dahinterliegt zu nehmen. Aber wenn das jetzt nicht mehr geht, muss man eben überlegen, wie man das macht. Ob man den Hambacher Forst erhält, als Insel beispielsweise in einem künftigen See? Also, das sind viele schwierige Fragen.
    Neuer Nutzungsplan wäre rechtlich angreifbar
    Ehring: Ist das vor allem eine Frage der Kosten?
    Küpper: Ja. Natürlich ist das auch eine Frage der Kosten. Also, neben eben dem Verzicht auf die Kohle, also auf den Gewinn, geht es um die Kosten für die Erdmassen für die Rekultivierung. Aber es geht nicht nur um die finanziellen Mitteln, sondern auch praktische Fragen. Wie bekommt man diese Massen dorthin? Zudem gibt es noch rechtliche und verfahrensrechtliche Punkte. Denn aktuell gibt es ja einen Plan, nach dem gebaggert werden darf. Und wenn das anders beschlossen wird, kostet das auch schlichtweg Zeit. Es muss neue Planungen geben.
    Einen Punkt hat Andreas Nörthen von der Bezirksregierung dann auch noch:
    Nörthen: Wenn man jetzt wieder alle Pläne neu macht, neue Genehmigungen erteilen muss, dann sind die ja wieder rechtlich angreifbar. Es kann also wirklich sein, dass man dann wieder von vorne anfängt mit den Rechtsverfahren und den Klageverfahren. Und dass dann eben keine Entscheidungssicherheit herbeigeführt wird.
    Küpper: Das klingt jetzt noch weit weg. 2038 als Plan. Aber diese Planungen dauern eben Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.
    Ehring: Wie steht es um den politischen Willen, nach einer Lösung zu suchen?
    Küpper: Ich denke, der ist hoch. Es gibt nun eine Erwartungshaltung, dass dieser Hambacher Forst stehen bleibt - in der Region, aber eben auch in der gesamten Bevölkerung, bei Menschen, die sich auch nicht so im Detail damit beschäftigt haben. Allerdings sind eben noch viele technische Fragen offen. Nicht nur hinsichtlich Geld, auch hinsichtlich Machbarkeit.
    Erneute Räumungen möglich
    Ehring: Aktuell sind Aktivisten im Wald und es ist wieder von einer Räumung die Rede. Warum?
    Küpper: Simpel, juristisch beantwortet: Weil es sich um eine Besetzung handelt. Weil es dort wieder Baumhäuser gibt, die wohl nicht den baurechtlichen Ansprüchen genügen. Und weil die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ja bereits angekündigt hat und es macht – auch an anderer Stelle, beispielsweise gegen die Clans – gegen rechtsfreie Räume vorzugehen. Das war im vergangenen Herbst im Hambacher Forst so, bei der großen Räumung. Ursprünglich sollte es ja auch Anfang dieses Jahres wieder eine Räumung geben. Da hat man aus Rücksicht auf die Arbeit der Kohlekommission verzichtet. Aber nun könnte es bald wieder so weit sein.