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Kollisionswarntechnik
Überwachungssystem für Eisenbahnen

Züge können einander nicht ausweichen. Sie werden daher von Zentralen aus überwacht und gesteuert, unterstützt von im Gleis installierten Sicherheitssystemen. Diese Technik ist zuverlässig, aber teuer – für Nebenbahnen oft zu teuer. Das kann ein Problem werden, denn auch sie sollen immer häufiger technisch aufgerüstet werden – damit Züge weiter fahren dürfen. Eine Lösung könnte ein Kollisionswarngerät nach Art der Luftfahrt bieten, das künftig auf dem Schmalspurnetz im Harz eingesetzt wird.

Von Sönke Gäthke | 11.05.2015
    Zwei Bahnen der Harzer Schmalspurbahnen (HSB)
    Seit März 2014 nutzen die Harzer Schmalspurbahnen das Rail Collision Avoidance System (RCAS). (imago/chromorange)
    "Ich bin Pilot und kenne aus der Luftfahrt heraus ein System, was dem Piloten eine Warnung gibt, wenn ein anderes Flugzeug auf Kollisionskurs sich nähert, quasi als letzte Sicherungsmaßnahme, und auch eine entsprechende Warnung für den Piloten ausgibt."
    Und so sei er auf die Idee gekommen, ein ähnliches Warnsystem für Züge zu entwickeln, das auf alle teuren Anlangen entlang der Gleise verzichtet, erzählt Thomas Strang vom DLR - Institut für Kommunikation und Navigation in Garching.
    Satelliten-Ortungssystem mit Zusatzsensoren
    "Das System müssen Sie sich so vorstellen, dass wir eine große Kiste in einen Zug verbauen."
    In diesem Gehäuse hat der Forscher des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt zusammen mit seinen Kollegen ein komplexes Satelliten-Ortungssystem mit Zusatzsensoren, einen Rechner und ein Funkgerät eingebaut. Das reicht an Technik. Das Ortungssystem ermittelt die Position des Zuges.
    "Diese Informationen werden dann intern verarbeitet und ausgestrahlt an alle Züge in der Umgebung."
    Empfängt das Warnsystem das Signal eines anderen Zugs, prüft es, ob die Gefahr einer Kollision besteht – und schlägt dann Alarm. Sonst bleibt es stumm.
    GPS-Empfänger, digitale Streckennetzkarte und Sensoren
    "Wichtig ist hierbei, dass es da keine Abhängigkeiten zu Elementen in der Infrastruktur gibt; das heißt, wir senden an alle Züge in der Umgebung, ohne dass wir beispielsweise auf ein Netzwerk von Basisstationen zurückgreifen."
    Das klingt einfach, ist es aber nicht. Aus drei Gründen:
    Zum Ersten muss das Ortungssystem ja ohne Hilfe der Infrastruktur genauer als beim Auto feststellen, wo es ist. Es besteht dafür aus einem GPS-Empfänger, einer digitalen Streckennetzkarte und einem Satz von Sensoren. Die errechnen unter anderem aus den Achsumdrehungen die gefahrenen Kilometer und korrigieren dabei mithilfe eines besonderen, patentierten Verfahrens Messfehler. Das System ist so genau,
    "Dass wir insbesondere parallel liegende Gleise unterscheiden können, sodass zwei Züge an parallel liegenden Strecken aneinander vorbeifahren, natürlich auch nicht eine Warnung aussetzen, wenn aber einer von den beiden Zügen auf einem falschen Gleis ist, dann natürlich schon."
    Zum zweiten muss der Funk zwischen den Zügen absolut sicher funktionieren, ohne zusätzliche Geräte am Gleis. Thomas Strang und seine Kollegen wollen eine Reichweite von fünf Kilometern garantieren, damit die Züge auch noch ausreichend Zeit haben, zu bremsen. Sie nutzen dafür das Digitalfunksystem Tetra, das für Polizei und Rettungskräfte entwickelt wurde und sehr robust ist.
    Abkehr von der zentralen Überwachung nötig
    Und schließlich musste der Forscher noch das Denken der Bahn überwinden. Denn seit fast 200 Jahren werden Sicherheitssysteme in den Gleisen installiert und Züge zentral überwacht.
    "Und wenn man jetzt mit einem neuen Ansatz, der genau das Gegenteil macht, kommt dann kommt es oft zu Diskussionen, ob das denn grundsätzlich gehen kann und wie sicher das denn ist. "
    Seit März 2014 tut das Rail Collision Avoidance System (RCAS) seinen Dienst auf den dampflokbetriebenen Strecken der Harzer Schmalspurbahnen HSB. Ein besonderer Härtetest, so Thomas Strang.
    "Wir haben Bergwelt, wir haben Schluchten, wir haben einen Tunnel, wir haben einfach Umgebungsbedingungen, die sehr herausfordernd für jedes technische System sind und insbesondere für ein IT-basiertes System in einer Dampflok natürlich noch mal ne Marke darstellen."
    Veränderung im Sicherheitsdenken der Bahn?
    In den Augen der HSB hat das System diesen Test bestanden. Sie will bis 2016 alle Dampf- und Dieselloks, sowie die Triebwagen mit RCAS ausrüsten – was erheblich billiger wird, als ein zusätzliches Sicherheitssystem im Gleis.
    Für Thomas Strang ist das ein Auftakt – er will mit einer eigenen Gesellschaft das Kollisionswarnsystem vertreiben und an weiteren Anwendungen arbeiten, die das Sicherheitsdenken der Bahn verändern könnten.
    "Ja, das ist richtig, das heißt, wir haben hier technologisch so eine Art Nucleus, an dem sich noch ganz viele andere Dinge aufzeigen lassen, wenn man erst einmal gewillt ist, den Weg eines verteilten Ansatzes, wie er eben, wie gesagt, bei der Bahn sehr, sehr unüblich ist, weiter zu gehen, dann kann es als ergänzende, aber auch als erweiternde Komponente gesehen werden für Technologie, die es heute so bei den Bahnen nicht gibt. "