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Kolumbien vor der Wahl
Vollmundige Versprechen und großes Misstrauen

Die einen versprechen ihren Wählern ein Land ohne Angst und Korruption, die anderen den Aufstieg in die Mittelschicht und wieder andere rütteln am Friedensvertrag mit der FARC: Noch ist unklar, wer die Wahl in Kolumbien gewinnt. Und das wird keine leichte Aufgabe, denn das Misstrauen gegenüber der Politik ist groß.

Von Burkhard Birke | 26.05.2018
    Kolumbien: Unterstützer des rechtskonservativen Präsidentschaftskandidaten Ivan Duque bei dem der Abschlussveranstaltung seiner Wahlkampagne
    Die kolumbianischen Wähler haben das Vertrauen in die Politik verloren (AFP / Raul Arboleda)
    "In diesem Land weiß gar nicht mehr für wen man stimmen soll. Keiner hält was er verspricht."
    Taxifahrer Alexander hat den Puls am Volk. Das Misstrauen gegenüber der politischen Elite sitzt tief. Die fünf Kandidaten, die das Rennen unter sich ausmachen werden, stammen alle aus der Politelite. Selbst den Linken Gustavo Petro, derzeit in Umfragen auf Platz zwei hinter dem Erzkonservativen Ivan Duque, muss man zum Establishment zählen.
    Große Pläne
    Petro, der vor Jahrzehnten Guerillero war, saß im Kongress und war umstrittener Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá. Jetzt will er die Gesellschaft und die Institutionen umkrempeln: "Wir werden Kolumbien mit dieser enormen Einkommensungleichheit in das Land der Mittelschicht verwandeln – sowohl die Bauern auf dem Land als auch die Menschen in den großen Städten sollen in die Mittelschicht aufsteigen."
    Mit sozialistischen Rezepten wolle Petro dies erreichen: Lautet der Vorwurf einiger Gegenkandidaten. Das Gespenst des krisengeschüttelten Venezuelas, des Castro-Chavismus, wird an die Wand gemalt. In Kolumbien, das demnächst OECD-Mitglied werden soll, sind Beschäftigung und Wirtschaft Hauptfaktoren für die Wahlentscheidung, die aber weit hinter einer Frage rangieren:
    "Der nächste Präsident muss der Korruption Einhalt gebieten, die alle Ebenen der Gesellschaft durchzieht", meint der Fuhrunternehmer Jaime. Und auch der Wachmann Edgar sieht Korruptionsbekämpfung noch vor Verbesserungen im Gesundheitssystem als Priorität. Die Bewahrung und Umsetzung des historischen Friedensprozesses stehen Umfragen zufolge interessanterweise bei den Wahlkriterien der meisten Kolumbianer eher hintenan – obwohl sie in die öffentliche Debatte dominieren.
    Der erst 41-jährige Kandidat des Centro Democrático, Ivan Duque, hat gemeinsam mit seinem politischen Mentor, Ex-Präsident Alvaro Uribe, stets vehement gegen das Abkommen argumentiert: "Wir wollen Veränderungen am Friedensvertrag, die Opfer müssen respektiert und entschädigt werden. Die Wahrheit muss auf den Tisch und politische Mandate für Personen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt haben, sind nicht tragbar. Das bedeutet nicht Krieg, sondern Frieden mit Gerechtigkeit."
    Ein Dorn im Auge der Erzkonservativen
    Vor allem die Sonderjustiz mit weitgehender Straffreiheit und Teilamnestie für Ex-Guerilleros ist den Erzkonservativen ein Dorn im Auge. Heftig wird derzeit über die Auslieferung eines ehemaligen FARC-Kommandeurs, Jesus Santrich, diskutiert, der angeblich nach Friedensschluss in Drogengeschäfte verwickelt sein und demnächst in die USA ausgeliefert werden soll.
    Vor allem der chancenlose Präsidentschaftskandidat des Regierungsbündnisses, Chefunterhändler Humberto de la Calle warnt vor Veränderungen am Friedensvertrag.
    Dessen Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Etwa 7 000 FARC Kämpfer sind zwar demobilisiert und entwaffnet. Ihre Reintegration läuft jedoch schleppend. Viele Abmachungen hat die Regierung nicht eingehalten. Zahlreiche Dissidenten treiben ebenso wie Paramilitärs und Drogenbanden in den von der Guerilla geräumten Gebieten ihr Unwesen.
    In dieser Situation zeichnet sich ein Kopf an Kopfrennen zwischen extrem rechts und extrem links - Duque gegen Petro ab. Dabei gäbe es durchaus Alternativen: "Die Korruption und die Angst müssen wir hinter uns lassen und ein neues Kolumbien mit unseren Talenten aufbauen", wirbt der für Grüne und Unabhängige antretende Sergio Fajardo um Stimmen. Schafft es der Mathematiker und Ex Gouverneur von Antioquia, dem kolumbianischen Schwabenland, doch noch in die Stichwahl?
    Es kommt auf die Wahlbeteiligung an
    Auch der frühere Vizepräsident German Vargas Lleras könnte noch ein Wörtchen bei dieser Entscheidung mitreden: Er gilt als wirtschaftsfreundlich und extrem gut vernetzt. Am Ende dürfte die Beteiligung entscheidend sein, traditionell geht nur gut die Hälfte der 36 Millionen wahlberechtigten Kolumbianer an die Urne. Und sicher ist wohl nur eines: Keiner der Kandidaten wird auf Anhieb die 50 Prozent Hürde nehmen.
    "Duque, Vargas Lleras und Petro könnten es in die Stichwahl schaffen", orakelt Pensionär Jaime, für den Frieden und eine friedliche Wahl doch das Wichtigste sind. Die beiden bestplatzierten werden dann am 17. Juni das Rennen unter sich ausmachen.