
Am 8. Mai kurz nach 18 Uhr war es soweit: Aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle in Rom stieg weißer Rauch auf. Wenig später wurde der Name des neuen Papstes von der Loggia des Petersdoms verkündet: Leo XIV.
Robert Francis Prevost ist der erste US-Amerikaner in diesem Amt, er besitzt zudem die peruanische Staatsbürgerschaft. Geboren wurde der neue Papst am 14. September 1955 in Chicago. Er war lange Generalprior des Augustinerordens und lebte viele Jahre in Peru. Er gehörte nicht zu den Kandidaten, die im Vorfeld als Favoriten galten.
Die Wahl gilt als eine Klatsche für Donald Trump und dessen Flüchtlingspolitik. In dieser Frage folgt Leo XIV. seinem Vorgänger Franziskus, der Migration als ein Menschenrecht bezeichnet hatte.
Nun ist Robert Francis Prevost, wie der 267. Papst mit bürgerlichem Namen heißt, das neue Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Er steht somit weltweit 1,4 Milliarden Gläubigen vor. Laut Glaubenslehre der katholischen Kirche gilt er als Nachfolger des Apostels Petrus und Stellvertreter von Jesus Christus auf Erden; zudem ist er Bischof von Rom, Primas von Italien und Staatsoberhaupt des Vatikans.
Gewählt wurde der neue Papst von 133 Kardinälen. Sie hatten sich am 7. Mai im Vatikan zum Konklave versammelt. Abgeschirmt von der Außenwelt, wählten sie in der Sixtinischen Kapelle den Nachfolger von Papst Franziskus. Der Argentinier war am Ostermontag im Alter von 88 Jahren gestorben.
Leo XIV. ist der neue Papst
Robert Francis Prevost ist ein US-Ordensgeistlicher und Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche. Er war von 2001 bis 2013 Generalprior des Augustinerordens. Von 2015 bis 2023 war er Bischof von Chiclayo in Peru. Am 30. Januar 2023 wurde er zum Präfekten des Dikasteriums - so etwas wie ein Ministerium - für die Bischöfe ernannt, zugleich war er auch Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika.
Der 69-Jährige ist ein Polyglott, der als Kirchenmann Grenzen überschreitet. Er diente zwei Jahrzehnte lang in Peru, wo er auch Bischof wurde. Außerdem hat er die peruanische Staatsbürgerschaft erhalten.
Leo XIV. ist wie sein Vorgänger Franziskus ein Ordensmann, hat zudem Leitungs- und Kurienerfahrung. Er gilt als „Kenner der Weltkirche“.
Bis zum Tod von Papst Franziskus hatte er einen der einflussreichsten Posten im Vatikan inne. Er leitete das Amt, das Bischöfe weltweit auswählt und Personalangelegenheiten verwaltet.
Dafür steht Leo XIV.
Der neue Papst steht für einen Weg, den sein Vorgänger Franziskus eingeschlagen hatte: Er steht für Solidarität und das An-die-Ränder-Gehen. Die Wahl von Leo XIV. kann auch als Kritik an der rigiden Flüchtlingspolitik der USA unter Donald Trump verstanden werden. Die Worte „Gott liebt alle“ aus der ersten Ansprache des neuen Pontifex klängen im christlichen Kontext banal, sagt der Theologe Volker Leppin, Professor an der Yale University in den USA. Sie seien aber „ein Statement“ mit Blick auf die Abwertung von Migranten durch die gegenwärtige US-Politik. Bereits als Kardinal hatte sich der neue Papst in Peru etwa für Geflüchtete aus Venezuela eingesetzt.
Frieden, Geschwisterlichkeit, Dialog: Aus der ersten Rede des Papsts lässt sich schließen, dass er sich als Brückenbauer sieht. Bei seiner Ansprache von der Loggia des Petersdoms sagte der US-Amerikaner: „Friede sei mit euch.“
Robert Prevost genießt den Ruf als geschickte Führungskraft und Verwalter. Er könnte Franziskus' teils etwas ungeordnete Reformen in geordnetere Formen bringen, sagt Nora Bossong, Schriftstellerin und Mitglied im Zentralrat der Deutschen Katholiken.
Kandidat des Kompromisses
Die Wahl des Namens Leo deutet auf eine zukünftige Schwerpunktsetzung seines Pontifikats auf friedenspolitische Anliegen hin. Der 69-Jährige dankte in seinen ersten Worten auch seinem Vorgänger Franziskus.
In einigen Fragen hat er sich noch nicht genau positioniert – etwa in der Frage der Sexualmoral und dem Umgang mit queeren Menschen. Auch deswegen gilt er als Kompromisskandidat und Brückenbauer. Befürworter Prevosts sagen, das neue Kirchenoberhaupt werde wahrscheinlich den von seinem Vorgänger Franziskus begonnenen Konsultationsprozess fortsetzen, bei dem Laien zu Gesprächen mit Bischöfen eingeladen werden.
Papst Leo XIV. machte in seiner ersten Ansprache direkt nach der Wahl deutlich, dass ihm eine synodale Kirche am Herzen liegt.
Papst Franziskus hatte 2021 einen weltweiten synodalen Prozess eingeleitet – als Grundlagen nannte er unter anderem Begegnung und Einander-Zuhören. Ziel ist eine gemeinschaftlichere, weniger patriarchale Kirche.
Das kann man von Leo XIV. erwarten
Anders als Franziskus trug der neue Papst Leo XIV. die traditionelle Mozetta und betete nicht das „Vater Unser“, sondern das „Ave Maria“. „Er versucht nicht, Franziskus zu kopieren. Das ist etwas ganz Entscheidendes“, kommentiert der Theologe Jochen Sautermeister von der Universität Bonn. Mit seinem äußeren Erscheinungsbild schließt Leo XIV. an frühere Traditionen an.
Das neue Kirchenoberhaupt werde sich angesichts der Polarisierungen für Einheit einsetzen, ist Sautermeister überzeugt: „Der Katholizismus ist in den Vereinigten Staaten stark gespalten: Auf der einen Seite ist er sehr traditionell, den Lebensschutz betonend, auf der anderen Seite offen. Prevost ist jemand, der die Situation und die Polarisierung im eigenen Land kennt.“
Der Theologe Michael Hochgeschwender sieht in der Namenswahl eine sozial-politische Ausrichtung. Papst Leo XIII. (1878-1903) begründete mit seiner berühmten Enzyklika „Rerum Novarum“ maßgeblich die katholische Soziallehre. Außerdem gelang es ihm, den Kulturkampf zu beenden, weshalb er als besonders diplomatisch galt. Aus diesem Grund geht Hochgeschwender von einem moderat-konservativen Kurs aus.
Positionierung zu Sexualmoral und Frauen offen
Es ist unklar, ob Leo XIV. gegenüber schwulen, lesbischen, bisexuellen und transsexuellen Katholiken so offen sein wird, wie Franziskus es war. Obwohl er sich in letzter Zeit nicht viel geäußert hat, beklagte er 2012 in einer Ansprache an Bischöfe, dass westliche Medien und die Populärkultur „Sympathie für Überzeugungen und Praktiken fördern, die im Widerspruch zum Evangelium stehen“. Als Beispiele nannte er „homosexuellen Lebensstil“ und „alternative Familien, die aus gleichgeschlechtlichen Partnern und deren adoptierten Kindern bestehen“.
Auch wie er sich gegenüber Frauen in der Kirche positioniert, ist noch nicht klar. Nora Bossong, Schriftstellerin und Mitglied im Zentralrat der Deutschen Katholiken, sieht es kritisch, dass der neue Papst bei seinem ersten Auftritt Maria, die Mutter Gottes, hervorgehoben hat. In einer Art, die „sehr stark auf die Mutterrolle zugeschnitten ist, auf das Liebende, auf das Gebende“. Sie habe da „ein bisschen den Verdacht gehabt, das könnte wieder ein sehr konservatives Bild der Frau geben und betonen“.
Positiv gesehen wird hingegen von vielen, dass Robert Prevost als Leiter des Bischöfe-Dikasteriums eine der revolutionärsten Reformen von Papst Franziskus umgesetzt hat: Er fügte dem Gremium, das über die an den Papst weiterzuleitenden Bischofsnominierungen entscheidet, drei Frauen hinzu.
Nach der Wahl des neuen Papstes sprach der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, von einer "wunderbaren Überraschung". Seinen Worten zufolge stärkt dessen Bekenntnis zur synodalen Kirche die deutsche Kirche. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christine Lieberknecht, hofft auf eine weitere Stärkung der ökumenischen Gemeinschaft.
Das bleibt von Papst Franziskus
Papst Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, war in vielerlei Hinsicht ein Pionier: Als erster Papst aus Lateinamerika und Jesuit an der Spitze der katholischen Kirche setzte er neue Akzente. Seine Wahl im Jahr 2013 folgte auf den historischen Rücktritt Benedikts XVI.
Franziskus wählte bewusst den Namen des heiligen Franz von Assisi und signalisierte damit seine Ausrichtung auf Bescheidenheit und Nähe zu den Menschen. Er verzichtete auf prunkvolle Insignien und bevorzugte das schlichte Gästehaus Santa Marta als Wohnsitz. Seine Amtszeit war geprägt von einem pastoralen Stil, der auf Gesten und Worte setzte, um Nähe und Mitgefühl zu vermitteln.
Inhaltlich lag Franziskus' Fokus auf sozialen und ökologischen Themen. Er engagierte sich für den Schutz der Schöpfung - wie in seiner Enzyklika "Laudato Si’" - und setzte sich für Frieden ein, indem er versuchte, als Vermittler in internationalen Konflikten zu wirken.
Barmherzigkeit und Volksnähe
Obwohl er Reformen in der Kirchenverwaltung anstieß und die Vatikanbank neu strukturierte, blieben tiefgreifende dogmatische Veränderungen aus. Sein Umgang mit dem Thema sexueller Missbrauch in der Kirche war ambivalent: Einerseits zeigte er Offenheit und versprach Prävention, andererseits wurde ihm vorgeworfen, in bestimmten Fällen nicht konsequent genug gehandelt zu haben.
Franziskus' Verhältnis zu Themen wie Homosexualität und wiederverheirateten Geschiedenen war von einer Haltung der Barmherzigkeit geprägt, ohne jedoch die kirchliche Lehre grundlegend zu verändern. Sein Einsatz für eine synodale Kirche zeigte sich in der Einberufung von Bischofssynoden, wobei er den Dialog förderte, aber klare dogmatische Reformen vermied.
Nach seinem Tod am 21. April 2025 im Alter von 88 Jahren wurde er nicht im Petersdom, sondern gemäß seinem Wunsch in der Basilika Santa Maria Maggiore beigesetzt – ein weiterer Ausdruck seiner Bescheidenheit und Nähe zum Volk.
rzr, abr