
Am Ende hatte er Tränen in den Augen: Dennis Schröder, der Kapitän der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Wie schon so oft war Schröder auch im EM-Finale derjenige, der mit seinen Treffern in den Schlusssekunden für die Entscheidung gesorgt hat. Nach der Schlusssirene musste sich der Kapitän dann erst einmal sammeln, ein Indiz dafür, wie groß der Druck war, der sich in den vergangenen Wochen aufgebaut hat.
In den USA wurde schon vor dem Turnier laut darüber gesprochen, ob Dennis Schröder bald in die Hall Of Fame aufgenommen werden sollte, die Ruhmeshalle des Basketballs, in die es nur die absoluten Ausnahmekönner dieser Sportart schaffen.
Spätestens nach diesem EM-Titel ist klar: Er gehört da hin, da sind sich die Experten einig. Zwei Mal hat er sein Team jetzt zu großen internationalen Titeln geführt, zwei Mal wurde er dabei als wertvollster Spieler des Turniers ausgezeichnet.
Weniger Anerkennung aufgrund der Hautfarbe?
In seinem Heimatland Deutschland hat Dennis Schröder einen deutlich schwereren Stand. Vergleiche mit Dirk Nowitzki, dem besten deutschen Basketballer aller Zeiten, werden hierzulande meist nur belächelt.
Sinnbildlich dafür steht die Debatte, die vor der Europameisterschaft entbrannt und die durch den sportlichen Erfolg fast schon in Vergessenheit geraten ist: In einem Interview mit dem „Stern“-Magazin behauptete Dennis Schröder, dass er in Deutschland nie die gleiche Liebe erfahren werde wie Dirk Nowitzki – aufgrund seiner Hautfarbe.
Dieses Interview hätte der Anstoß einer tiefgründigen Debatte über strukturellen Rassismus im deutschen Sport und der deutschen Medienlandschaft sein können. Stattdessen wurde Schröder in den Sozialen Medien mit viel Kritik und Häme überzogen.
Schröder passt nicht in das gängige Bild deutscher Sportjournalisten
Dennis Schröder war wie Dirk Nowitzki Fahnenträger bei Olympischen Spielen, er hat die deutsche Nationalmannschaft als Kapitän zum Welt- und Europameistertitel geführt. Aber: Anders als Nowitzki passt Schröder nicht in das gängige Bild, das auch der deutsche Sportjournalismus von Athleten zeichnet – das Bild des bescheidenen, unpolitischen, weißen Sportlers, der für sein Land Goldmedaillen gewinnt und danach in TV-Quizshows oder als Werbe-Testimonial in die Kameras strahlt.
Es wird Zeit, dieses Narrativ und damit auch die eigenen Strukturen zu hinterfragen. Es gibt genug Studien, die belegen, dass über schwarze Sportlerinnen und Sportler anders berichtet wird als über weiße – und dass nicht-weiße Menschen in den Verbandsstrukturen des deutschen Sports deutlich unterrepräsentiert sind.
Solange ein Sportler wie Dennis Schröder mehr Gegenwind für seine Worte bekommt als der Sport für seine Strukturen, bleibt dieser EM-Titel zwar ein großer Erfolg, aber kein wirklicher Fortschritt.


