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Kommission gibt Empfehlung ab
Wie stark steigt der Mindestlohn?

Die Mindestlohnkommission muss am Dienstag eine Empfehlung für die künftige Höhe der Lohnuntergrenze abgeben. Die Gewerkschaften fordern mit Verweis auf die gute wirtschaftliche Entwicklung eine deutliche Anhebung. Die Arbeitgeber wollen sich nicht erneut auf eine überdurchschnittliche Erhöhung einlassen.

Von Volker Finthammer | 26.06.2018
    Eine Friseurin frisiert einer Kundin die Haare
    Während in vielen Branchen mehr bezahlt wird als der Mindestlohn, liegen die Stundenlöhne im Friseurhandwerk häufig genau an der Lohnuntergrenze (picture alliance/ dpa/ Karl-Josef Hildenbrand)
    Es wird der zweite Aufschlag der Mindestlohnkommission seit der Einführung der Lohnuntergrenze im Jahr 2015. Und wie zu erwarten, gehen die Meinungen über das richtige Maß wieder einmal deutlich auseinander. Denn alle zwei Jahre steht die Kommission vor der Aufgabe der Bundesregierung, eine Empfehlung für die künftige Höhe der allgemein verbindlichen Lohnuntergrenze auszusprechen, die dann durch eine Verordnung zum 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt wird.
    Rein formal muss sich die Kommission, der drei Gewerkschafts- und drei Arbeitgebervertreter sowie ein neutraler Vorsitzender und daneben noch zwei beratende Wissenschaftler angehören, am Tarifindex des statistischen Bundesamtes orientieren. Maßgeblich soll also die durchschnittliche Entwicklung der Tariflöhne der vergangenen beiden Jahre sein. Nach dieser Vorgabe müsste der Mindestlohn um 4,8 Prozent und damit um 35 Cent auf dann 9,19 Euro pro Stunde angehoben werden.
    Gewerkschaften: Anhebung auf mehr als 9,30 Euro
    Die Gewerkschaftsvertreter argumentieren jedoch mit einer besseren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und möchten auch in dieser Runde Tarifverträge aus jüngerer Zeit - wie etwa den Abschluss im öffentlichen Dienst - mit in die Berechnung einbeziehen, was zu einer deutlich stärkeren Anhebung führen würde:
    "Da ist unser Vorschlag, dass der Mindestlohn auf 9,34 Euro, also über 9,30 Euro, ansteigen sollte. Unser Interesse ist, dass der Mindestlohn über alle Branchen hinweg sicherstellt, dass der Druck nach unten am Arbeitsmarkt abgefangen wird, und zwar in einer Höhe, die den Menschen wirklich eine Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ermöglicht", sagt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach, die selbst jedoch nicht der Kommission angehört. Doch nach den Regeln der Kommission kann von der grundsätzlichen Regel nur unter gravierenden Umständen abgewichen werden, oder aber wenn die Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass die absehbare Anpassung nicht hinreichend ist, um die tatsächliche und künftige Entwicklung ausreichend zu beschreiben.
    DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach steht am 20.09.2016 bei einer Tagung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zur Rentenpolitik in Berlin vor einer Tafel mit der Aufschrift "Meine Rente muss reichen für...".
    Annelie Buntenbach, Mitglied des DGB-Bundesvorstands. (picture alliance/dpa - Bernd von Jutrczenka)
    Arbeitgeber: Mehr als 9,19 Euro sind nicht drin
    Letzeres sei der Fall, argumentieren die Gewerkschaften. Zumal sich die deutsche Wirtschaft noch immer auf einem Wachstumspfad befinde und das Niveau des deutschen Mindestlohns im europäischen Vergleich noch relativ niedrig sei. Die Arbeitgeber hatten sich bei der ersten Empfehlung der Kommission auf diese Argumentation eingelassen und einer Anhebung auf 8,84 Euro zugestimmt anstatt der statistisch ausgewiesenen 8,77 Euro. Diesmal aber, so scheint es, will sich die Arbeitgeberseite nicht erneut auf diesen Schritt einlassen:
    "Wir haben uns auf eine klare Dynamisierungsformel für den Mindestlohn grundsätzlich verständigt. Und die heißt: Die Mindestlohnempfänger erhalten das, was auch die aktiv Beschäftigten bei den Tariflohnerhöhungen im Schnitt bekommen haben. Das ist die Basis für alle Gespräche und das ist auch sehr vernünftig, das so zu machen", sagt Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
    Zumal die konjunkturelle Entwicklung ob der absehbaren Handelskonflikte, dem steigenden Ölpreis, und bereist sinkender Auftragseingänge nur schwer zu kalkulieren sei. Mehr als 9,19 Euro ist aus Sicht der Arbeitgeber nicht drin. Gelingt den Gewerkschaftern und Arbeitern in der Kommission keine Einigung, dann kommt der Vorsitzende, der frühere Arbeitsdirektor von RWE, Jan Zilius, ins Spiel. Erst mit einem Vermittlungsvorschlag und wenn der nicht angenommen wird, entscheidet seine Stimme. Möglich erscheint deshalb auch ein aufgezwungener Kompromiss, der zwischen 9,19 Euro und 9,34 Euro liegt, sofern es dafür nachvollziehbare Gründe gibt.