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Kommt die Steuererhöhung einer Kriegssteuer gleich?

    Liminski: Der Krieg verwirrt die Begriffe, heißt es bei dem griechischen Geschichtsschreiber Tukidides, denn in ihm tarne sich das, was Partei sei, gern als Vertretung des Allgemeininteresses. Als Steuer zur Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit, im Volksmund Kriegssteuer, wird die geplante Steuererhöhung von drei Milliarden Mark bezeichnet. Gleichzeitig appelliert die Bundesregierung an die Allgemeinheit, im Konsum nicht nachzulassen. Noch weniger Kaufkraft, mehr Konsum, sparen und trotzdem Konjunkturbelebung, wie passt das zusammen? - Die Frage geht an Oswald Metzger, den haushaltspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Zunächst guten Morgen Herr Metzger!

    Metzger: Guten Morgen Herr Liminski.

    Liminski: Herr Metzger, zusammen mit der Ökosteuer werden dem Bürger jetzt also zehn Milliarden Mark Belastung auferlegt. Das wird dem Konsum entzogen. Wie soll da die Konjunktur wieder auf Trab kommen?

    Metzger: Zum einen wird die Ökosteuer natürlich dazu verwendet zu verhindern, dass die Rentenversicherungsbeiträge ansteigen. Die würde ich jetzt in dem Gegenzug nicht anrechnen. Wir hätten heute einen Rentenversicherungsbeitrag von über 20,5 Prozent statt 19,1, wenn die Steuer nicht erhoben würde. Das wird im Saldo also an die Bevölkerung zurückgegeben. Die Bedrohungssituation nach den Anschlägen von New York und Washington für innere und äußere Sicherheit ist objektiv gegeben. Und dass dann unsere Generation dort handeln muss und auch Mittel in die Hand nehmen muss, ist klar. Auf der anderen Seite ist die Situation der öffentlichen Haushalte natürlich so, dass wir uns nicht einfach drei Milliarden Mark aus dem Bundeshaushalt herausschnitzen können und deshalb die Alternative war, entweder Schulden erhöhen, die die Bürgerinnen und Bürger dann langfristig über höhere Zinsausgaben bezahlen müssen, auch über Steuermittel, oder jetzt eine vergleichsweise kleine Maßnahme zu schnüren.

    Liminski: Der Bund der Steuerzahler, Herr Metzger, sieht das ein bisschen anders. Er kritisierte gestern, wie schon die Wirtschaft und die Opposition zuvor, dass die drei Milliarden nicht durch Einsparungen im Gesamthaushalt aufgebracht werden. Man hätte zum Beispiel - so sagt der Bund der Steuerzahler - die Ministerialzulage streichen oder strengere Richtlinien bei der Flugbereitschaft der Bundeswehr erlassen können. Statt dessen nun der leichte Weg der Steuererhöhung. Warum wehren Sie sich nicht dagegen im Interesse des Bürgers?

    Metzger: Zum einen sind Steuererhöhungen nicht der leichtere Weg. Ich sage Ihnen ganz offen, obwohl ich diese Entscheidung mittrage und auch die Gelegenheit hatte, vor der Entscheidung des Bundeskabinetts dazu ja zu sagen, also dies nicht nur im Nachhinein abnicken musste: Die Alternative, die höhere Verschuldung in Kauf zu nehmen, hätte bedeutet, in einer auch problematischen wirtschaftlichen Situation alle Dämme in der Finanzpolitik reißen zu lassen. Dann hätten wir nicht im nächsten Jahr über eine weitere Reduzierung der Staatsschulden geredet, hätten nicht die ausgeglichenen Haushalte 2006 im Blick gehabt, die für die Steuerzahler dieser Republik langfristig viel wichtiger sind, für Bürger wie Unternehmen, sondern dann wären wir bei zehn und mehr Milliarden gelandet, weil dann einfach die Begehrlichkeiten aller Ressorts groß wären. Insofern sich mal das Einsparpotenzial anzugucken, Ministerialzulage abschaffen, das ist ja gut und recht, aber dann schauen Sie sich den Aufstand der Beamten an. Politik ist ja immer auch die Kunst des Machbaren. Sie werden kein Sparpaket schnüren können in einem Jahr vor der Bundestagswahl. Wir machen ja zumindest in der Beamtenversorgung noch eine Versorgungsreform, um den Beamten langfristig wie den Rentnerinnen und Rentnern die Anpassungen aufgrund der demographischen Entwicklung etwas niedriger anzugleichen. Wir sind also durchaus daran, noch Strukturreformen zu machen. Wir sind uns auch darüber im klaren, dass wir natürlich im Bereich der Gesundheit und der Arbeitsmarktpolitik jetzt Reformagenden schmieden müssen, damit klar wird, dass Deutschland seine strukturellen Probleme angeht, gerade um das Vertrauen der Wirtschaft und der Marktteilnehmer zu stärken und Investitionen auch langfristig rentabel zu machen in unserem Land. Aber jetzt sozusagen aus der Aufgeregtheit der Anschläge, aus der veränderten Sicherheitslage heraus einfach zu sagen, wir machen jetzt einen kleinen Schnitt quer durch alle Ressorts oder schneiden bestimmte soziale Leistungen weg, das wäre nicht zu meistern. Dann hätten sie auch ruckzuck die politische Opposition im Bundestag, CDU wie FDP, nicht auf dieser Seite.

    Liminski: Sie werden die Opposition heute sicher noch zu hören bekommen. Mittelfristig soll der Haushalt konsolidiert werden, sagen Sie, aber ohne Konjunkturbelebung wird es weniger Steuereinnahmen geben. Begibt man sich hier nicht in eine Spirale der Steuererhöhung, um das Sparziel zu erreichen?

    Metzger: Nein, auf keinen Fall. Noch einmal ganz deutlich: Ich freue mich, so paradox das klingt, über die Reaktion der Öffentlichkeit, weil die Diskreditierung von Steuererhöhungen selbst in einer solchen Sondersituation wie derzeit ist Wasser auf die Mühlen der soliden Finanzpolitiker. Für mich ist klar: es wird keine weiteren Steuererhöhungen geben. Die Grünen in der Bundesregierung werden diesen Kurs auf jeden Fall massiv kritisieren und wir setzen auf eine nachhaltige Finanzpolitik, die auf der Ausgabenseite ansetzt. Deshalb sind für die wirtschaftliche Situation einmal die Fakten zu nennen. Wir haben mit Stand Ende August dieses Jahres kassenwirksam zur Zeit mehr Steuermittel in der Bundeskasse wie im letzten Jahr, obwohl wir im geltenden Haushaltsplan mit weniger Steuereinnahmen rechnen, weil ja die Steuerreform dieses Jahres rund 45 Milliarden Mark Wirtschaft und Bürgern mehr in der Tasche lässt. So weit die Fakten! Es gibt derzeit noch keine wesentlichen konjunkturbedingten Steuerausfälle.

    Liminski: Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. - Herr Metzger, Sie sagen, keine weiteren Steuererhöhungen. Wollen Sie denn die jetzige Steuererhöhung auch zeitlich begrenzen, so eine Art Soli einführen, also auf ein, zwei Jahre vielleicht bloß, ein Sicherheits-Soli?

    Metzger: Da bin ich jetzt Realist genug um zu wissen, welchen Dauerbestand Steuererhöhungen haben. Schauen Sie sich die berühmte Sektsteuer von Kaiser Wilhelm zur damaligen Finanzierung von Kriegsschiffen an; die gibt es heute noch. Das finde ich wäre jetzt ein hohles Versprechen, dies zu formulieren, weil schlussendlich wenn sie eingeführt ist werden alle Regierungen dieser Welt dieser Welt diese Steuer behalten. Wir werden im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer sicher auch mittel- und langfristig den Weg weiterer Senkung der Steuerbelastung gehen müssen, auch der Steuervereinfachung. Wir werden aber vor allem die Kosten für die arbeitende Bevölkerung dadurch reduzieren müssen, dass wir Reformen bei Gesundheit und im Arbeitsmarkt machen, weil die Sozialkosten, die Lohnnebenkosten extrem hoch sind. Da gibt es eine Reformagenda und schlussendlich ist wichtig festzuhalten, dass wir zur Zeit in Deutschland - dies hat das DIW gerade in seinem neuesten Bericht formuliert - zur Zeit die niedrigste volkswirtschaftliche Steuerquote haben seit 1990 und die zweitniedrigste in den letzten 20 Jahren. Das darf man nicht vergessen. Wir sind keine Steuererhöhungsregierung, sondern wir haben bis dato wesentlich weniger Schulden gemacht im Vergleichszeitraum wie die Vorgängerregierung und dadurch Zinsausgaben massiv zurückgeführt, die wir auch in Investitionen ummünzen können. Das ist die Wahrheit und das bleibt sie auch nach dem 11. September.

    Liminski: Dazu gehören ja sicher auch die Einnahmen durch die UMTS-Versteigerung. Aber noch einmal zurück zu dem Fonds, der sich hier sozusagen anbietet. Gestern Abend hat der Bundessicherheitsrat über die Verwendung dieser drei Milliarden entschieden. Demnach entscheidet im Einzelfall dann der Bundeskanzler und der Finanzminister mit dem jeweiligen Ressort. Das riecht doch nach einem neuen Fonds, vielleicht sogar einem Reptilienfonds. Sind Sie denn mit dieser Regelung einverstanden? Das Geld kann ja später auch mal für andere Zwecke verwendet werden.

    Metzger: Ich bin absolut mit dieser Regelung einverstanden. Ich habe dafür gekämpft wie auch die Kollegen der SPD im Haushaltsausschuss. Gott sei Dank hat sich der Finanzminister mit seiner Linie durchgesetzt. Stellen Sie sich mal vor, wir hätten jetzt einfach dem Verteidigungsminister und dem Innenminister 1,5 Milliarden und 500 Millionen in ihre Etats hineingeschrieben. Dann hätten die quasi auf dem Plafond ihre alten Strukturen finanziert, statt dass man die Hand darauf hat, dass wirklich nur Maßnahmen, die zur Erhöhung der äußeren und inneren Sicherheit dienen, finanziert. Ich bin froh darum, dass es ein Sondertopf ist, damit klar wird, das fließt nicht in den üblichen Ressorthaushalt des jeweiligen Fachministers.

    Liminski: Aber Sie sagten eben, wahrscheinlich wird diese Steuer bleiben. Das heißt die Einnahmen werden in den nächsten Jahren auch in diesen Fonds fließen. Wofür sollen die denn dann verwendet werden?

    Metzger: Der "Einzelplan 60" ist kein Fonds, sondern das ist ein Einzelplan wie für andere Ressorts im Bundestag auch. Der steht für allgemeine Finanzwirtschaft. Das wird klar ausgewiesen. Das wird dann im Einzelfall für Projekte der Ressorts zugewiesen. Langfristig wird das Geld sicher für die Maßnahmen, die sozusagen dauerhaft finanziert werden müssen aufgrund der veränderten Sicherheitssituation, in die Ressorts gehen. Kurzfristig ist es aber auch wichtig, dass wir etatreife Projekte haben. Es glaubt doch niemand, dass man in wenigen Wochen sinnvolle Konzepte, die langfristig wirken, mit Personaleinsatz und Beschaffung, vernünftig etatisiert. Da ist es mir lieber, wenn der Finanzminister und die Haushaltspolitiker die Hand darauf haben, dass man sie erst dann etatisiert, wenn entsprechende Konzepte vorhanden sind, die in ihrer Kostenwirkung auch langfristig belegt sind. Das ist der Hintergrund dieses Streits gewesen zwischen Fachministern und Finanzminister.

    Liminski: Sie nennen immer mittel- und langfristige Sparziele. Das klingt so ein bisschen nach Vertröstung und langfristig sind wir alle tot, meinte schon Cains. Heute wird die Konjunktur gebraucht. Die Amerikaner haben ein Programm zur Ankurbelung der Konjunktur aufgelegt. Wird sie bei uns nicht tot gespart oder mit Steuererhöhungen erschlagen?

    Metzger: Ein Land, das praktisch im laufenden Jahr rund 44 Milliarden Mark neue Schulden macht und selbst im nächsten Jahr immer noch über der 40-Milliarden-Mark- oder 21-Milliarden-Euro-Grenze liegt, kann sich nicht kaputt sparen. Das ist absurd. Wir machen zur Zeit immer noch mehr Schulden, aber wir sind auf dem Weg des Abbaus Jahr für Jahr. Im vierten Jahr in Folge kommen wir mit weniger Schulden aus und das merken Sie an den Zinsausgaben. Es ist eben falsch zu sagen, das liegt nur an den Versteigerungserlösen des letzten Jahres. Die haben wir Gott sei Dank komplett getilgt und allein wegen dieser Tilgung haben wir ja mehr als fünf Milliarden Mark weniger Zinsausgaben pro Jahr. Das ist Konsolidierung der Sparpolitik, wenn der Staat, der Bund pro Jahr deutlich weniger die Ausgaben erhöht als unser Bruttoinlandsprodukt wächst. Das ist Vertrauen schaffen an den Märkten. Jetzt schauen Sie sich an: Wenn Sie Konjunkturprogramme machen würden, kreditfinanziert, in einer globalen Welt, dann versickert Ihnen diese Wirkung, wie Sie es in Japan seit Jahren und Jahrzehnten beobachten können. Die pumpen Geld in den Wirtschaftskreislauf, haben inzwischen eine gigantische Staatsverschuldung, haben trotzdem eine Rezession. Da ist mir die auf Stetigkeit angelegte bundesrepublikanische Finanzpolitik unserer Koalition zehnmal lieber, wo man das Ziel hat, 2006 wirklich bei ausgeglichenen Budgets zu sein. Wir sind im nächsten Jahr mit dem, was im Haushaltsentwurf, der heute verhandelt wird, drin steht, genau im Rahmen unserer Finanzplanung mit sinkenden Verschuldungsraten.

    Liminski: Das war Oswald Metzger, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Herr Metzger!

    Link: Interview als RealAudio