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Kommunikations-Konzepte
Generationsübergreifendes Arbeiten

Gemischte Teams aus alten und jungen Mitarbeitern klingen vielversprechend, stehen aber im Alltag häufig vor Kommunikationsproblemen. Brühler Forscher wollen nun herausfinden, woran es hakt und wie sich das Miteinander verbessern lässt.

Von Alfried Schmitz | 12.02.2015
    "Der demografische Wandel, dass auch unsere Belegschaft immer älter wird, wir schauen müssen, dass wir die möglichst lange im Job zu halten haben und auf der anderen Seite natürlich auch die Teamarbeit. Es gibt den Megatrend der Internationalisierung und Globalisierung und dementsprechend wird natürlich der Wettbewerbsdruck und Innovationsdruck auf die Unternehmen immer größer. Kunden erwarten von den Unternehmen auf ihre spezifischen individuellen Kundenbedürfnisse angepasste Produkte. Und das bedeutet natürlich Teamarbeit. Ein Team aus Produktion, Einkauf, Vertrieb, Marketing. Dementsprechend glauben wir, dass altersheterogene Teamarbeit in der Zukunft immer wichtiger wird."
    Im Jahr 2060, so das Statistische Bundesamt, wird jeder dritte Arbeitnehmer älter als 65 Jahre sein. Die optimale soziale Vernetzung von - und die damit einhergehende Kommunikation zwischen - älteren und jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollte in den Unternehmen demnach einen Prioritätsstatus erhalten. Vor dem Hintergrund des nach hinten geschobenen Renteneintrittsalters werden die Altersunterschiede zwischen den Generationen, die in einem Unternehmen zusammenarbeiten, immer größer. Was bald zum Problem werden könnte. Das Zusammenwirken von verschiedenen Altersgruppen, hatte man lange Zeit unreflektiert als Vorteil betrachtet, wie Professorin Monika Rausch sagt.
    "Die Erfahrung der Älteren und den Schwung und den Enthusiasmus der Jüngeren zu verbinden und zu sagen, da kommt dann eben die optimale Leistung heraus. Die Forschung hat aber gezeigt, dass es eigentlich bei den altersgemischten Teams nicht so ist. Dass die nicht so viel Leistung bringen, wie man es erwarten würde aus der Mischung. Und die Vermutung war eben, dass das möglicherweise an der Kommunikation liegen könnte."
    Ortswechsel. Die Firma D.O.H. & Jennes ist ein mittelständisches Unternehmen, das im Metallverarbeitungssektor tätig und auf Rollensysteme spezialisiert ist. In Solingen sitzt die Verwaltung, im hessischen Solms ist die Fertigung untergebracht.
    "Mit Sicherheit eine andere Sprache"
    Bei seinen rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat Firmenchef Joachim Jennes immer auf eine gute Altersdurchmischung geachtet. Was er an seinen älteren Mitarbeitern besonders schätzt, erklärt er so, dass nämlich...
    "...die ein Erfahrungspotenzial haben, das sogenannte Humankapital. Und das ist viel Geld wert. Ohne dieses Kapital wird weder Industrie noch Handwerk in Zukunft auskommen können. Und weil wir diese Entwicklung sehr gut aufgefangen haben, sind wir für die Zukunft auch gut aufgestellt. Und die Lebenserfahrung, die fachliche Erfahrung, die kann man an die Jungen weiterreichen. Und deswegen glaube ich einfach, dass die Mischung aus alt und jung das Beste ist, was man machen kann."
    Einkaufsleiter Walter Zaubeck ist mit 62 Jahren derzeit der Älteste im Unternehmen. Als Ausbilder arbeitet er sehr eng mit den Jüngsten im Betrieb zusammen. Also mit Praktikanten und Lehrlingen, die 16 oder 17 Jahre alt sind.
    "Das heißt, da haben wir einen Altersunterschied von 45 Jahren. Wir haben mit Sicherheit eine andere Sprache, aber ich denke, dass wir miteinander durchaus reden können. Das ist sicherlich ein Zubewegen aufeinander, da muss man sich schon etwas abklopfen, aber das war kein großes Problem."
    Benedikt Mostart ist Anfang zwanzig und Student an der Europäischen Fachhochschule. Er ist nicht aktiv an dem Forschungsprojekt beteiligt, weiß aber davon und kennt die Problematik. Bei D.O.H. & Jennes absolviert er parallel zum Studium eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Wie beurteilt er die Kommunikation zwischen den Generationen im Betrieb und was weiß er über Vorurteile, die junge Mitarbeiter, gegenüber den älteren Mitarbeitern haben?
    "Klar hat man immer Vorurteile, dass man denkt, dass die Älteren vielleicht Probleme haben, neue Änderungen im Arbeitsablauf anzunehmen. Aber jüngere Leute sind ja auch auf einer gleichen Wellenlinie, wenn die miteinander kommunizieren. Aber trotzdem glaube ich, dass es hier relativ gut klappt."
    Keine soziologische Einbahnstraße
    In der Firma D.O.H. & Jennes scheint die Kommunikation zwischen den Generationen zu funktionieren und auch mit den Altersstereotypen scheint es hier kein allzu großes Problem zu geben. Doch die meisten Forschungsergebnisse widerlegen diese positiven Erfahrungen, die im Bereich von Kommunikation zwischen weit auseinanderliegenden Altersgruppen gemacht wurden, wie Professorin Michaela Moser von der Europäischen Fachhochschule in Brühl weiß.
    "Es gibt verschiedene Theorien, die besagen, dass eine Gruppe, je identischer die ist, umso besser funktioniert eben auch die Teamarbeit. Und wenn wir eben altersheterogene Teams haben, dass dann entsprechend negative Konsequenzen auftauchen. Also früher die Teamarbeit abgebrochen wird, heftigere Konflikte zustande kamen, auch aufgrund von Altersstereotypen und dementsprechend die Teamarbeit nicht so effizient ist, wie sie eigentlich hätte sein sollen."
    Die gerade erwähnten Altersstereotype sind keine soziologische Einbahnstraße, sondern gehen von der älteren und von der jüngeren Altersgruppe aus. Inhalte und Hintergründe dieser Stereotype in Betrieben herauszufinden und zu analysieren, sind wichtige Aspekte der Forschungsarbeit des Wissenschaftsteams der Europäischen Fachhochschule. Aspekte, die eine besondere Methodik bei der Vorgehensweise erfordern, wie Professorin Monika Rausch erläutert.
    "Da greift dann das, was in der Soziolinguistik an Forschungsmethodik erarbeitet worden ist. Und zwar wollen wir ganz konkret Gespräche führen, die dann, um es analysieren zu können, eben keine Gruppen-, sondern Zweiergespräche sein werden, in denen wir gucken wollen, ob eben diese Altersstereotype in einem altersgemischten Gespräch wirksamer werden, als in der altershomogenen Gesprächs-Duade. Ein Anteil des Gespräches soll eher personenbezogen sein und dann sollen die aber auch sachbezogen an irgendeinem Problem arbeiten, was möglichst nah an der Wirklichkeit der Unternehmen ist, aber gleichzeitig auch so standardisiert ist, dass es für uns analysierbar wird und dass wir die Erkenntnis generalisieren können, die wir daraus ziehen wollen."
    Doch nicht nur die Innenkommunikation soll in dem Forschungsprojekt analysiert werden. Auch die Kommunikation mit möglichen Kunden wird erforscht. Und da gibt es besonders in der IT-Branche großes Konfliktpotenzial, wie Michaela Moser weiß.
    "In Großkonzernen werden immer auch Softwareprojekte eingeführt, wo sie natürlich auch ein Team haben, was sehr, sehr jung ist und gleichzeitig auch Vertreter von Kunden haben, die schon ältere Semester sind und dementsprechend die Zusammenarbeit auch da funktionieren muss. Und dementsprechend haben wir gesagt, ist das eine super interessante junge Branche für uns, auf die wir uns konzentrieren, um eben auch die Umsetzbarkeit in Unternehmen zu überprüfen."
    Nutzbarkeit für Unternehmen
    Das Wissenschaftsteam will sich aber nicht nur auf die Untersuchungen in Unternehmen beschränken, sondern auch feststellen, wie es generell mit der Kommunikation zwischen den verschiedenen Altersgruppen in unserer Gesellschaft aussieht. Dazu soll das Gesprächsverhalten zwischen jungen Menschen und Ruheständlern analysiert werden, wie Monika Rausch sagt.
    "Ob das jetzt beim Einkauf ist oder beim Arzt, ist man in eine altersgemischte Kommunikation involviert. Und wir sind interessiert daran, wie verhält es sich denn da mit der altersgemischten Kommunikation. Werden da Altersstereotype realisiert, werden die aktualisiert im konkreten Gespräch. Und wir streben an, die Ergebnisse auch miteinander abzugleichen. In der Seniorenstichprobe nach dem Ruhestand im Vergleich zu der Unternehmensstichprobe, sodass wir alle Dimensionen drin haben."
    Das Forschungsteam der Europäischen Fachhochschule besteht aus den beiden federführenden Professorinnen, zwei Hilfswissenschaftlern und natürlich einer Reihe von studentischen Hilfskräften, denn die Gesprächsführungen und die späteren Auswertungen erfordern jede Menge Arbeitszeit. Fast ein ganzes Jahr ist alleine für die Transkription der Gespräche eingeplant. 2016 sollen aber schon erste Ergebnisse vorliegen, die veröffentlicht und auf einer Fachtagung vorstellt werden sollen. Auch an die Wirtschaft sollen die wichtigen Erkenntnisse aus der Untersuchung weitergeleitet werden. Denn schließlich sollen ja die Unternehmen von den wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren, wie Monika Rausch bestätigt.
    "Die Grundidee ist, dass wir die Ergebnisse aus unseren Analysen in Handlungsempfehlungen umsetzen, die Unternehmen nutzen können, um im eignen Unternehmen angepasst an die jeweiligen Gegebenheiten, Kommunikation zu verbessern."
    Einen großen Nutzen aus der Studie sollen aber auch die Studentinnen und Studenten der Europäischen Fachhochschule selbst ziehen können, ergänzt Professorin Michaela Moser. Vor allen in Führungsseminaren stellen sie oft die Frage nach dem...
    "Umgang mit älteren Kollegen, Mitarbeitern, Führungskräften, wie kann ich da adäquat drauf reagieren, wenn ich mal wieder abgestempelt wurde: ‚Der Jungspund!' ... und mal wieder ausgebremst wurde."