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Kompromiss mit Wermutstropfen

Nach drei Monaten Streik haben sich Bundesländer und Marburger Bund auf einen Tarifvertrag für die Ärzte an Universitätskliniken und Landeskrankenhäusern geeinigt. Ein Erfolg ist das vor allem für die Ärztevertretung, die sich damit als Tarifpartner etabliert hat. Wenig erfreut über den Kompromiss sind die Mediziner in Ostdeutschland.

Von Philip Banse | 19.06.2006
    Die Veranstaltung sollte geheim bleiben, hat nicht mal einen Titel. "Marburger Bund" steht auf dem Schild am Eingang zur Aesculap-Akademie, einem medizinischen Tageszentrum gleich neben der Berliner Uni-Klinik Charité. Robert-Koch-Saal, fünfter Stock, Kaffee und Leberwurst-Schnitten, gestern Nachmittag. Ärztevertreter aus allen deutschen Uni-Kliniken sind angereist. Ihr Gewerkschaftschef Frank Ulrich Montgomery soll erklären, was er sich bei diesem Tarifvertrag gedacht hat. Internist Johann-Wilhelm Schmier, Oberarzt am Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg:

    "Das ist ein Ärztesprecher-Treffen. Der Marburger Bund holt sich da ein Votum, eine Stimmung aus der Basis ab."

    Die Stimmung ist gereizt. Viele Mediziner sind enttäuscht. Erregte Stimmen dringen durch die dicke Tür. "Totgestreikt" habe man sich, von Pyrrhussieg ist die Rede. Der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery, muss seinen Tarifvertrag verteidigen, zehn DIN-A-4-Seiten, Ergebnis achtmonatiger, beinharter, giftiger Verhandlungen mit den Bundesländern und Lohn des längsten Ärztestreiks, den die Republik je gesehen hat.

    Über drei Monate bestreiken Ärzte jetzt 40 Universitätskliniken und Landeskrankenhäuser in zehn Bundesländern. Von 22.000 Klinikärzten haben nach Angaben des Marburger Bundes täglich bis zu 14.000 ihre Arbeit niedergelegt. Tausende Patienten konnten nicht operiert werden, mussten auf Termine warten, andere Krankenhäuser aufsuchen. Der epochale Medizinerprotest brach los vor einem Jahr. Die Bundesländer hatten den Ärzten an Uni-Kliniken und Landeskrankenhäusern Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen, die wöchentliche Arbeitszeit auf 42 Stunden erhöht und Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag abgebrochen. Damals ließen sich die Klinikärzte noch von ver.di vertreten. Im Herbst vergangenen Jahres stand die Dienstleistungsgewerkschaft dann kurz vor dem Abschluss eines neuen Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst, der auch die Gehälter und Arbeitsbedingungen vieler Klinikärzte kräftig verbessert hätte. Der Marburger Bund, die Vertretung der Klinikärzte, will diesen Tarifvertrag jedoch nicht unterschreiben. Ein Abkommen für Ärzte und Friedhofswärter - so etwas könne den besonderen Anforderungen der Ärzte nicht mehr gerecht werden, klagt der Marburger Bund. Hauptgeschäftsführer Armin Ehl erläutert an einem Beispiel, warum die Ärztevertreter den von ver.di ausgehandelten Tarifvertrag nicht akzeptieren wollten:

    "Da sind also für Ärztinnen und Ärzte in der Gehaltsstruktur oben nur noch zwei Gruppen übrig geblieben, nämlich 14 und 15. Das gibt aber die Lebensrealität eines Krankenhausarztes überhaupt nicht wieder. Da gibt es den jungen Arzt, der von der Uni kommt, dann den Facharzt, den Oberarzt, den leitenden Oberarzt, den Chefarzt - das sind mindestens fünf Stufen, die man nicht durch zwei Gehaltsgruppen abdecken kann."

    Der Marburger Bund befürchtet massive Gehaltseinbußen und entschließt sich zu einem gewagten Schritt: Die Gewerkschaft der Klinikärzte entzieht ver.di das Verhandlungsmandat. Der Marburger Bund droht zu einer sozialpolitischen Randgruppe zu werden, wenn er das Ziel seines Alleingangs nicht erreicht: ein eigener Tarifvertrag für Ärzte. Nur so scheinen sich die besonderen Forderungen der Mediziner an Uni-Kliniken und Landeskrankenhäusern durchsetzen zu lassen: Bezahlung der Überstunden, keine 24-Stunden-Schichten mehr, praktikable Dienstzeiten, keine Arbeitsverträge mehr mit extrem kurzer Laufzeit und vor allem: 30 Prozent mehr Gehalt. Die Bundesländer sind geschockt, die Forderungen seien unbezahlbar. Am 16. März beginnt der größte Ärzteprotest der deutschen Nachkriegsgeschichte:

    "Das Ergebnis ist, dass 98,4 Prozent der Abstimmenden für den Streik gestimmt haben."

    "Man muss davon ausgehen, dass wir in den letzten zehn Jahren einen Gehaltsrückgang effektiv bekommen haben und von minus 30 Prozent jetzt ausgehen, so dass wir eigentlich eine normale Anpassung von 30 Prozent erhalten würden."

    "Ich persönlich arbeite in der Woche im Moment so zwischen 40 und 50 Stunden, das ist angemessen, denke ich, und mein letztes Nettogehalt waren 1700 Euro."

    "Wenn man die Patienten adäquat versorgen will, dann muss man rund ein Drittel Überstunden unbezahlt machen. Man bekommt die Überstunden nicht bezahlt und kann sie auch nicht ausgleichen, das ist einfach so."

    Fast täglich ziehen Mediziner in weißen Kitteln durch deutsche Großstädte, jahrelang aufgestauter Frust entlädt sich. In den Kliniken werden nur Notfälle versorgt. Trotz des langen Streiks, trotz nie gehörter Lohnforderungen von 30 Prozent - viele Patienten haben Verständnis für den Aufstand ihrer Götter in Weiß.

    "Man sieht ja, was die Arbeit haben. Sagen wir mal, am Wochenende haben die jetzt ihren Bereitschaftsdienst - die finden sie am Montag früh immer noch hier. Das ist ja wohl nicht der Sinn der Sache. Denn es liegt ja so eine Verantwortung auf dem jeweiligen Arzt, das kann ja normal kein Mensch aushalten. Der geht ja kaputt dran."

    Nach Wochen des Ausstands sind die Fronten verhärtet. Probleme tauchen auf. Vor rund einem Monat dann meldet der Ärztliche Leiter des Universitätsklinikums Köln, Professor Klaus Lackner: Die Versorgung der Notfälle ist nicht mehr gesichert.

    "Es ist unbestritten, dass Patienten in Schwierigkeiten kommen, dadurch dass unsere Behandlungskapazität eingeschränkt ist. Es ist auch unbestritten, dass es eben nicht beliebig viele zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeiten in anderen Krankenhäusern gibt. Und die Patienten, die eigentlich neurochirurgisch behandelt werden müssten, die stehen vor einer Engpasssituation."

    Auch die Arbeitgeber geraten unter Druck. Einzelnen Bundesländern passt nicht, dass ihr Verhandlungsführer, der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring, den harten Hund gibt. Die WM rückt näher, die Kosten des Streiks explodieren. Vor allem Bayerns Finanzminister Faltlhauser spaltet die Arbeitgeberfront, weil er dem Marburger Bund im Freistaat entgegenkommen will. Nach zähen und zuletzt wochenlang unterbrochenen Verhandlungen treten die Kontrahenten am Freitag vergangener Woche vor die Presse. Hartmut Möllring und Frank Ulrich Montgomery:

    "Wir sind mit unserem Angebot durchgedrungen. Sie haben ja gesehen, wie schwer sich der Marburger Bund getan hat dieses anzunehmen, was wir nicht ganz verstehen, weil es eine erhebliche Zahlungsverbesserung für die Ärzte ist. Auch in der Sache ist es eine deutliche Verbesserung."

    Ärzte-Gewerkschafter Frank Ulrich Montgomery versucht, sich als Sieger zu präsentieren. Er habe den Ärzten ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld zurückgeholt. 24-Stunden-Schichten werden an strengere Bedingungen geknüpft, Bereitschaftsdienste zudem besser bezahlt. Junge Ärzte sollen bis zu 600 Euro mehr im Monat verdienen. Ein Facharzt mit sieben Jahren Berufserfahrung bekommt brutto 5500 Euro – kann aber nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft durch Bereitschaftsdienste rund 700 Euro dazu verdienen. Insgesamt werden die Ärztegehälter an Unikliniken kräftig angehoben, und zwar schon zum 1. Juli, verkündet Frank Ullrich Montgomery:

    "Auf der Basis des realen BAT bekommt ein junger Berufsanfänger etwa 15 bis 17 Prozent mehr mit diesem Vertrag. Ein älterer Oberarzt allerdings, so einer wie ich, der bekommt sogar an manchen Punkten fast 20 Prozent mehr."

    Doch Montgomery gibt zu: In den entscheidenden Punkten hat er sich nicht durchsetzen können. Seinen seit drei Monaten streikenden Klinikärzten serviert er zwei dicke Kröten, mit der Bitte sie zu schlucken:

    "Die eine Kröte ist, dass es uns nicht gelungen ist, eine besondere Anpassung für die neuen Bundesländer zu erreichen. Wir haben auch nicht durchsetzen können das strukturelle Problem der Verbesserung für die unteren beiden Gehaltsgruppen bei den jungen Ärztinnen und Ärzten. Das war am Ende ein Knackpunkt, dessentwegen wir diesen historischen Tarifvertrag nicht gefährden durften."

    Vor allem die erste Kröte kommt in Ostdeutschland gar nicht gut an. Klinkärzte in Greifswald, Rostock und Jena hatten vor allem gestreikt, weil sie genauso viel verdienen wollen wie ihre Kollegen in Köln, Berlin und Hannover. Doch Montgomery hatte gegen die ostdeutschen Finanzminister keine Chance. Berufseinsteiger im Osten sollen künftig 3200 Euro bekommen, im Westen 3600 - 400 Euro weniger. Jetzt rebellieren die ostdeutschen Klinikärzte gegen ihre eigene Gewerkschaft.

    Beim gestrigen Treffen mit ihrem Gewerkschaftschef gingen vor allem Ärztevertreter ostdeutscher Uni-Kliniken auf die Barrikaden. Sie bekommen zwar etwas mehr Geld. Aber die Schere zwischen Ostgehalt und Westgehalt geht weiter auseinander, klagt Stefan Bethke, Kardiologie an der Uni-Klinik Jena:

    "Da gibt es einen großen Frust. Vor allem, dass auch keine Übergangsregelungen geschaffen worden sind, sondern letzten Endes in diesem Tarifvertrag dann stehen wird, dass das von einem Tag auf den anderen plötzlich stattfinden soll, und man wäre dann dumm zu glauben, dass das auch erfolgen wird."

    Erst 2010 soll über gleiche Gehälter für Klinikärzte in Ost und West verhandelt werden. Bis dahin sind alle Ärzte aus dem Osten abgewandert, klagt Wolf Diemer, Oberarzt an der Universitätsklinik Greifswald und Mitglied im Mecklenburgischen Landesvorstand des Marburger Bundes. Er fragt: Warum sollte ein guter Arzt in Rostock arbeiten, wenn er in München 20 Prozent mehr verdient? Montgomery habe ja nicht einmal durchsetzen können, dass die Gehälter stufenweise angeglichen werden.

    "Und wenn es nur kleine symbolische Mehrbeträge gewesen wären, die jedes Jahr dazugekommen wären, dass man um Vertrauen bei den Ärzten geworben hätte und man eben auch gesagt hätte: Wir nehmen euch wichtig, wir nehmen euch ernst. Aber so - dass die Gehaltsschere jetzt von 7,5 Prozent auf 12 Prozent wieder auseinander geht, können wir keinem unserer Mitglieder in den neuen Bundesländern kommunizieren."

    Frank Ulrich Montgomery sagt nach der dreistündigen Diskussion, er könne den Frust seiner Kollegen aus den neuen Bundesländern verstehen:

    "Ich war auch entsetzt in den Verhandlungen über die Kälte der ostdeutschen Finanzminister, mit der sie ihre eigenen Landsleute hier verraten haben. Das tat schon weh für mich als Westdeutschen zu sehen, wie einfach das geht."

    Dennoch will der Gewerkschaftschef seinen Kollegen in Leipzig und Greifswald Mut machen. Der Tarifvertrag enthalte Öffnungsklauseln, die Ärzte könnten also auf Landesebene jetzt noch einmal versuchen, mehr rauszuholen. Bayern hat das bereits angeboten, auch in Nordrhein-Westfalen sei ein Aufschlag denkbar, sagt der Greifswalder Oberarzt Wolf Diemer - nicht aber in Ostdeutschland:

    "Ich denke schon, dass es Gespräche geben wird. Aber dass es ein Ergebnis geben wird, wo die Finanzminister in den neuen Bundesländern sagen: Dass, was wir bundesweit verhindern wollten, werden wir jetzt auf Landesebene machen, das sehe ich nicht."

    Doch der Ärzte-Zorn entzündet sich auf dem gestrigen Treffen nicht nur am Ost-West-Gehaltsgefälle. Die Ärzte haben auch für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt. Sie wollen keine Verträge mehr mit nur wenigen Monaten Laufzeit, sie wollen mehr Zeit für Forschung, sie wollen weniger Bürokratie und dass ihre Überstunden endlich elektronisch genau dokumentiert werden. All das ist im Vertrag erwähnt, aber nur windelweich formuliert, mehr als Erwartung denn als Verpflichtung. Bis zu 20 Prozent mehr Gehalt, längere Arbeitszeiten, bezahlte Überstunden und mehr Geld für Bereitschaftsdienste - unter dem Strich gleicht Montgomerys Vertrag jenem Tarif-Abkommen, das auch ver.di schon vor einigen Monaten unterschrieben hat.

    Die streikenden Ärzte sind also nur zweiter Sieger. Den Hauptpreis wird sich ihr Gewerkschaftsboss in die Vitrine stellen. "Wir wollten neue Mäntel", klagten frustrierte Ärzte gestern. "Jetzt haben wir alte Strickjacken und einen neuen Hut." Und diesen schönen Hut trägt Frank Ulrich Montgomery. Denn dem Chef des Marburger Bundes ging es offensichtlich nur in zweiter Linie um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Wichtiger war: Nach der Trennung von ver.di sollte der Marburger Bund als Gewerkschaft und Tarifpartner anerkannt werden. Die Vertretung der Klinikärzte wollte ihre Machtposition festigen, um bei künftigen Tarifauseinandersetzungen dann das erkämpfen zu können, was ihr heute versagt geblieben ist. Dieses Ziel wurde erreicht. Der Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes, Armin Ehl, und sein Chef Montgomery:

    "Also der Kernpunkt ist, dass es einen eigenen, arztspezifischen Tarifvertrag gibt. Das heißt, dass die Arbeitgeber auch in Zukunft mit uns verhandeln werden über unsere Arbeitsbedingungen. Das ist für uns der absolute Kern."

    "Wir haben hier heute Tarifgeschichte geschrieben, Herr Minister, weil der Marburger Bund zum ersten Mal aus dem Geflecht der Einheitsgewerkschaft heraus eine eigene berufsständische Gewerkschaft geworden ist, und das ist eigentlich ein Tag zum Feiern."

    Ein ver.di-Vertrag mit Hut. Morgen wird die große Tarifkommission des Marburger Bundes abstimmen, ob sie das Verhandlungsergebnis annimmt. Heute haben viele Universitätskliniken, auch in Ostdeutschland, die Streiks ausgesetzt - bis zum Ende der Urabstimmung, die Mittwoch beginnen könnte. 50 Prozent der Klinikärzte müssen dem Tarifvertrag zustimmen. Erst dann kann Montgomery ihn unterschreiben. Das Ergebnis der Urabstimmung soll in zehn Tagen vorliegen, sagt Frank Ulrich Montgomery. Ob die Ärzte seinen Vertrag annehmen, sei jedoch noch nicht entschieden:

    "Nein, die letzte Messe ist hier noch nicht gelesen. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Und deshalb werde ich noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen, vor allem in den neuen Bundesländern und bei den psychiatrischen Landeskrankenhäusern. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass die Urabstimmung ganz knapp wird, aber ich bin nach der Abstimmung hier sicher, dass es uns gelingt, die rationalen Argumente rüberzubringen."

    Bei dem Treffen gestern sprachen sich 32 Ärztevertreter dafür aus, den Tarifvertrag anzunehmen, nur 6 waren dagegen – darunter auch der Gesandte der Greifswalder Universitätsklinik, Wolf Diemer:

    "Natürlich werden wir unserem Landesverband empfehlen, den nicht anzunehmen, aber das wird nicht viel ändern. Weil wenn vier oder fünf Landesverbände sagen, wir lehnen das ab, und elf sagen, wir nehmen an, dann ist auch gut. Es ist einfach so, dass ein Fünftel aller Uni-Kliniken hinten runter gefallen sind und das Gefühl haben, dass sie jetzt da eben als Spieleinsatz gedient haben, und das ist etwas, was natürlich für die Kollegen zu großer Wut und Verärgerung und dem Gedanken eben, die neuen Bundesländer zu verlassen, führt."

    Die Ärzte haben also erstmals einen eigenen Tarifvertrag und Gehaltszuwächse, von denen andere nur träumen können. Die Rechnung zahlen Steuerzahler und Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse. Der Streik allein hat weit über 100 Millionen Euro gekostet. Und wenn Ärzte nicht operieren, überweisen die Krankenkassen auch kein Geld. Machen die Krankenhäuser Verlust, müssen die Eigentümer zahlen, die Länder also, sprich: der Steuerzahler. Der Steuerzahler wird auch für die gestiegenen Arztgehälter gerade stehen, rund 100 Millionen Euro jährlich. Denn die Krankenkassen kommen für 20 Prozent Gehaltszuwachs nicht auf, sagt Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft:

    "Die Kosten müssen letztlich von den Krankenhäusern und damit von den Eigentümern der Krankenhäuser, bei den Universitäten die Landesregierung, getragen werden, weil Kostensteigerungen in dieser Form, also außergewöhnliche Lohnabschlüsse, nicht in die Vergütungen, die die Krankenkassen für Krankenhausleistungen zahlen, weiter hineingerechnet werden können."

    Der AOK-Bundesverband bestätigt das. Denn die gesamten Zahlungen der Krankenkassen an die Krankenhäuser dürfen jedes Jahr nur um gut ein halbes Prozent steigen, so hat es Gesundheitsministerin Ulla Schmidt festlegen lassen. Mit diesem minimalen Zuwachs sind Gehaltssteigerungen der Ärzte von bis zu 20 Prozent nicht zu bezahlen, sagt Georg Baum von der Krankenhaus-Gesellschaft. Obwohl für die steigenden Arztgehälter der Steuerzahler aufkomme, müssten auch die Krankenhäuser sparen. Denn Ärzte dürfen nach dem neuen Tarifvertrag nicht mehr so lange arbeiten wie bisher. Deswegen müssen neue Ärzte eingestellt werden.

    "Viele Krankenhäuser stehen mit dem Rücken zur Wand, schreiben hohe Verluste und können auf diese Situation nur durch Personalanpassungen reagieren. Denn die Krankenhäuser haben nun mal einen Topf zur Verfügung, und aus dem müssen alle bezahlt werden, und wenn die einen mehr nehmen, bleibt für anderen weniger übrig."

    Kurz: Weil Ärzte mehr verdienen, müssten Krankenschwestern und Pfleger entlassen werden. Heute kündigte die Uni-Klinik Mainz an, wegen des Tarifabschlusses Stellen abzubauen. Frank Ulrich Montgomery, Chef des Marburger Bundes, sagt, mit einer Gesundheitsreform müsse mehr Geld ins System gepumpt werden:

    "Will ich hoch motivierte, gute, ausgeruhte Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus haben, die dazu noch eine gute Ausbildung bekommen, muss ich das bezahlen. Nach unserer Systematik letztlich entweder aus Steuermitteln oder über die Töpfe der gesetzlichen Krankenversicherung. Es gibt keinen anderen Weg. Ich glaube nicht, dass wir das durch Umverteilen alleine hinbekommen. Diese weiße Salbe schmieren uns die Politiker seit 20 Jahren auf unsere Wunden. Das Ergebnis ist Kostendämpfung hoch drei, aber keine konkrete Lösung."

    So frustriert viele Ärzte vor allem in Ostdeutschland sind, der Berufsstand hat Selbstvertrauen gewonnen - und genug Energie für den nächsten Streik. Denn der Marburger Bund verhandelt ja mit zwei Parteien: Die Bundesländer zahlen nur für Uni-Kliniken und Landeskrankenhäuser. Die Ärzte in den 700 kommunalen Kliniken bekommen ihr Geld von den Städten und Gemeinden. Die Tarifverhandlungen mit dem Verband kommunaler Arbeitgeberverbände, kurz VKA, hat der Marburger Bund abgebrochen. Der VKA sagt, Ärzte in kommunalen Krankenhäusern verdienten bereits heute mehr als ihre Kollegen an Unikliniken und müssten weniger Bereitschaftsdienste leisten. Eine Übernahme des jetzt ausgehandelten Tarifvertrages komme für die klammen Kommunen nicht in Frage. Morgen entscheidet die Gewerkschaft, ob jetzt in den kommunalen Kliniken gestreikt werden soll. Frank Ulrich Montgomery scheint auch nach 13 Wochen Arbeitskampf die Streiklust nicht vergangen zu sein:

    "Ich bin ziemlich sicher, dass wir auch dort in den Streik kommen werden, weil alle Äußerungen, die die Spitzen der VKA machen, sind weitgehend identisch, mit dem was Herr Möllring vor einem halben Jahr gesagt hat. Und es ist erschreckend, wie wenig lernfähig solche Menschen sind und dass sich Geschichte offensichtlich immer wiederholt."