Meurer: Rot/grün scheint sich bei der Einwanderung ja schon vor einer Woche geeinigt zu haben. Wie weit ist denn die FDP bereit, dem Zuwanderungsgesetz von rot/grün zur Mehrheit zu verhelfen?
Stadler: Die FDP hat als erste und bisher einzige Fraktion im deutschen Bundestag ein eigenes Gesetz zur Steuerung der Zuwanderung eingebracht. Daraus kann man ja entnehmen, dass wir als Liberale eine solche gesetzliche Regelung für notwendig halten. Eigentümlicherweise verhält sich aber die Koalition von rot/grün nach den Verhandlungen vom letzten Wochenende so, dass die dort besprochenen Texte der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich gemacht worden sind. Daher kann man natürlich jetzt zu Einzelheiten nur schwer Stellung nehmen. Beim Verbrechensbekämpfungsgesetz oder Terrorismusbekämpfungsgesetz haben wir übrigens die Erfahrung gemacht, dass das, was öffentlich verkündet worden war, nämlich dass Schily den Grünen weitgehende Zugeständnisse gemacht hatte, mit den Texten, die wir uns dann besorgen konnten, nicht im Einklang war, denn zum Beispiel ist darin eine Ausweitung des großen Lauschangriffs zu Gunsten des Verfassungsschutzes vorgesehen, wovon in der öffentlichen Berichterstattung bisher gar nicht die Rede war.
Meurer: Und den Sie ablehnen würden, Herr Stadler?
Stadler: Da muss man jetzt genau prüfen, was denn der endgültige Text ist. Ich wundere mich nur über dieses Verfahren. Ich glaube, dass da auch eine Menge Parteitaktik im Spiel ist.
Meurer: Es ist vielleicht möglicherweise einfach so, Herr Stadler, dass erst die Parteigremien informiert werden und man dann an die Presse geht?
Stadler: Nein, ich habe eher eine andere Vermutung: zum einen die Vermutung, dass die Verhandlungen nicht so präzise geführt worden sind, so dass man erst über die genauen Texte, über die man sich angeblich geeinigt hat, noch einmal intern nachverhandeln musste. Zum zweiten hatten möglicherweise die Grünen das Bedürfnis, soweit es jetzt um das Terrorismusbekämpfungsgesetz geht, sich in der Öffentlichkeit darzustellen als eine Partei, die Otto Schily Zugeständnisse abgetrotzt hat, so dass es durchaus in ihrem Interesse war, wenn nicht der vollständige Text gleich an die Öffentlichkeit gekommen ist.
Meurer: Diese Zugeständnisse zweifeln Sie an?
Stadler: Ja. Wie gesagt haben wir Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Terrorismusbekämpfungsgesetz Neuerungen enthalten sind, die gar nicht in der Öffentlichkeit bekannt geworden waren. Zum Beispiel gibt es ja den großen Lauschangriff, der in der FDP umstritten war, aber dann mehrheitlich von der FDP gebilligt worden ist, künftig auch unter leichteren Voraussetzungen als bisher für den Verfassungsschutz. Ich hatte davon in der eigenen Darstellung insbesondere der Grünen nichts gehört. Ich erwähne das deswegen, weil ein Zuwanderungsgesetz sehr wohl notwendig ist, aber man kann natürlich seine eigene Bewertung des Gesetzes erst vornehmen, wenn wirklich die endgültige Einigung von rot/grün auch öffentlich bekannt gemacht wird.
Meurer: Öffentlich bekannt geworden ist aber bei der Zuwanderung schon, Herr Stadler, dass Otto Schily zum Beispiel beim Thema Nachwuchs, bei Kindern von Ausländern den Grünen entgegengekommen ist, nicht bis 12 Jahre, sondern bis 14 Jahre, dass nichtstaatliche und geschlechtliche Verfolgung, geschlechtsspezifische Verfolgung, also meist Verfolgung von Frauen, als Gründe anerkannt werden sollen, dass nicht ausgewiesen werden darf. Findet das Ihre Zustimmung?
Stadler: Ja. Das entspricht auch den Vorstellungen der FDP. Wir waren beim Nachzugsalter für die Kinder der Auffassung, dass man es einfach bei der geltenden Rechtslage belassen soll. Das würde bedeuten: Nachzugsaltersgrenze 16 Jahre. Mit 14 Jahren kann man sich sicherlich auch einverstanden erklären. Bei den Personen, die von nichtstaatlicher Verfolgung bedroht sind, weiß ich nicht genau, wie die Einigung aussehen wird. Es hieß zunächst, das Asylgrundrecht solle auf diese Personen ausgedehnt werden. Dann haben wieder Politiker der SPD dies relativiert. Die FDP meint, dass diese Personen schutzwürdig sind. Wir haben dafür das so genannte "kleine Asyl" vorgeschlagen. Das was man von der Koalition hört dürfte zustimmungsfähig sein. Mir erscheint aber ein anderer Punkt noch wesentlich wichtiger. Ich glaube, dass alle diejenigen, die ein Zuwanderungssteuerungsgesetz wollen, in der Öffentlichkeit noch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, dass ein solches Gesetz wirklich notwendig ist. Denn der Kernpunkt ist ja der neue eröffnete Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt. Viele Bürgerinnen und Bürger sind besorgt, ob es denn richtig ist, bei vier Millionen Arbeitslosen Ausländern den Zugang auf den Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Meurer: Und bestehen die Besorgnisse zurecht?
Stadler: Nein. Da sagen wir von der FDP ganz klar, dass die Steuerung ja in die Richtung gehen muss, die unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Regionen und den verschiedenen Branchen zu berücksichtigen. Es gibt trotz hoher Arbeitslosigkeit Regionen und Branchen, wo gleichwohl ein Fachkräftemangel besteht. Da muss man für die betroffenen Unternehmen etwas tun, denn wenn man es nicht ermöglicht, diese Arbeitsplätze zu besetzen, dann wird die Produktion ins Ausland verlagert werden oder es gehen Aufträge verloren und es werden Arbeitsplätze, die schon bestehen, in Deutschland gefährdet. Auch bei der Greencard haben ja diejenigen, die gekommen sind, für neue Arbeitsplätze in Deutschland gesorgt, aber diesen Zusammenhang muss man in der Öffentlichkeit deutlich machen, weil die CDU/CSU ja die Zuwanderung jetzt schlechthin ablehnt, obwohl sie zugleich, was die CSU anbelangt, in Bayern Pflegekräfte aus der Slowakei und Krankenschwestern aus Kroatien anwirbt.
Meurer: Nur kurz zum Schluss noch die Frage, Herr
Stadler: Geben Sie dem Gesetz eine Chance im Bundesrat?
Stadler: Im Bundestag gebe ich dem Zuwanderungsgesetz eine gute Chance. Die FDP wird es voraussichtlich unterstützen. Im Bundesrat sehe ich schwarz im wahrsten Sinne des Wortes. Die Union will daraus lieber ein Wahlkampfthema machen, als jetzt die dringend notwendige Regelung zuzulassen.
Meurer: Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Max Stadler bei uns im Deutschlandfunk. - Herzlichen Dank und auf Wiederhören Herr Stadler!
Stadler: Auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio