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"Konflikte um Wasser können sich zuspitzen"

Die Grünen-Politikerin Uschi Eid, Mitglied im UNO-Beratergremium zu Wasserfragen, hat vor einer Zuspitzung von Konflikten um Wasser gewarnt. Allein in Afrika gebe es mehr als 50 Flüsse, die verschiedene Länder durchflössen. Hier seien besonders diejenigen benachteiligt, die am Unterlauf der Flüsse lebten. Wichtig sei es, funktionierende Wasserwirtschaftsämter aufzubauen, die allerdings von der Politikebene klar getrennt sein müssten, damit Korruption minimiert würde, betonte Eid.

    Birke: Alle 15 Sekunden stirbt ein Kind wegen Wassermangels. Eine bis 1,3 Milliarden Menschen – das entspricht einem Fünftel der gesamten Bevölkerung der Welt – haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Etwa doppelt so viele verfügen nicht einmal über die einfachste Latrine. Alle 20 Jahre verdoppelt sich der Wasserverbrauch und wussten Sie auch, dass die Hälfte aller Nahrungsmittel weltweit unter künstlicher Bewässerung produziert wird? Kurzum: Wasser ist ein kostbares Gut und wird immer kostbarer. Ein Umstand, über den Experten und Politiker anlässlich des 4. Weltwasserforums in Mexiko diskutieren und an den heute anlässlich des Weltwassertages besonders erinnert werden sollte.

    In den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk begrüße ich nun die frühere Entwicklungsstaatssekretärin Uschi Eid von Bündnis 90/Die Grünen. Sie sitzt zurzeit für ihre Fraktion im Auswärtigen Ausschuss und gehört dem Beratergremium Kofi Annans, des UNO-Generalsekretärs, in Wasserfragen an. Einen schönen guten Morgen Frau Eid!

    Eid: Guten Morgen!

    Birke: Frau Eid, ist denn der Zeitpunkt schon absehbar, wann Wasser eine heißer als Öl umkämpfte Ressource sein wird?

    Eid: Nein, der Zeitpunkt ist nicht absehbar. Aber Sie haben natürlich einen ganz wichtigen Punkt angesprochen, dass der Konflikt oder Konflikte um Wasser sich zuspitzen können, wenn es in der Zukunft dahin läuft, dass eben immer mehr Menschen immer mehr Wasser verbrauchen, auch in der Landwirtschaft mehr Wasser verbraucht wird, auch in der Industrie mehr Wasser verbraucht wird, aber es immer weniger Wasser gibt. Da muss man eben Vorsorge treffen. Das heißt vor allen Dingen, dass eben Flussanrainerstaaten dafür sorgen müssen, dass sie gemeinsam Mechanismen entwickeln, die ihnen helfen, das Flusswasser gemeinsam zu managen, so dass eben keiner übervorteilt wird. Das ist zum Beispiel eine drängende Frage, die sich nun auf Ihre Frage wiederum bezieht.

    Birke: Das heißt Sie sehen das größte Konfliktpotenzial da, wo es Oberliga oder Unterliga gibt? Das heißt Oberliga sind die, die am Oberlauf von einem Fluss, von einem Gewässer sind und der Unterliga praktisch den Hahn abdrehen könnten?

    Eid: So ist es! Wir müssen sehen, dass allein zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent über 50 Flüsse durch mehrere Staaten durchfließen. Gerade in Regionen, wo ein Fluss nicht das ganze Jahr über Wasser führt, ist dies ein ganz großes Problem. Aber auch natürlich an Seen, wie zum Beispiel der Tschad-See. Der ist in der letzten Zeit sehr stark in die internationale Aufmerksamkeit vorgedrungen, weil es dem so geht wie dem Aral-See und es ist dringend notwendig, dass sich die Tschad-See-Anrainerstaaten zusammensetzen, um diesen See zu retten.

    Birke: Würde es diesen Staaten helfen, wenn man ein Recht etwa auf sauberes Trinkwasser als Menschenrecht international in der UNO-Charta oder so verankern würde?

    Eid: Dieses Menschenrecht auf Wasser ist im Prinzip bereits in den Wirtschafts- und sozialen Menschenrechten festgeschrieben und auch von dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen bestätigt worden. Nur ist natürlich dieses Recht, auch wenn es verbrieft wird, nicht überall sofort umsetzbar. Deswegen muss man natürlich die Nationalstaaten, aber auch regionale staatliche Institutionen und auch Kommunen darin unterstützen, dass genau natürlich auch dieses Menschenrecht auf Wasser umgesetzt werden kann. Das heißt, dass wir zum Beispiel in der Entwicklungskooperation diese Staaten darin unterstützen, regionale Wasserwirtschaftsämter zu etablieren, dass professionelle Fachkräfte in diesen Wasserwirtschaftsunternehmen sind, die natürlich auch dafür sorgen, dass die Wasserqualität stimmt, dass auch dann, wenn etwas kaputt geht, dieses repariert wird, dass Brunnen, die gebohrt werden, auch bewacht werden, dass die Tiere das Wasser nicht verunreinigen. Da hapert es doch noch in vielen Regionen dieser Erde.

    Birke: Frau Eid, Sie waren ja lange Entwicklungsstaatssekretärin. Ich hatte es eingangs erwähnt. Riecht das nicht nach dem Aufbau einer Überbürokratie gerade in korruptionsanfälligen Staaten?

    Eid: Das kommt natürlich darauf an. Ich brauche natürlich ein Wasserversorgungsunternehmen, ein Wasserwirtschaftsamt. Ob das nun kommunal, genossenschaftlich oder privat organisiert ist, das spielt gar keine Rolle. Wichtig ist, dass Vettleswirtschaft, was Sie gerade eben angesprochen haben, nicht möglich ist. Das heißt, dass man die Politik und die Fachinstitutionen trennt. Man braucht wirklich gut ausgebildete Fachleute in diesen Wasserwirtschaftsämtern und man braucht natürlich dann auch Aufsichtsbehörden, wo man sozusagen versucht, dass eben nicht die Mitglieder in Regierungsämtern dann reinreden. Hier muss man schon darauf achten, dass man die Politik und die Fachebene klar trennt, damit Korruption möglichst minimiert wird.

    Birke: Welche Rolle könnte da eine reformierte UNO spielen? Schließlich haben sich ja die Vereinten Nationen auch im Rahmen ihrer Milleniumsziele hier vorgenommen, bis 2015 die Zahl der Menschen ohne sauberes Trinkwasser – und das sind 1 bis 1,3 Milliarden – zu halbieren.

    Eid: Die Reform der UNO ist eine Sache, denn die UNO ist ja nun wirklich sehr weit weg von den Orten, wo Wasser von den Menschen benötigt wird. Die UNO – und das hat nun Kofi Annan angestoßen – kann eigentlich nur ein Motor sein. Er hat ja ein Beratungsgremium eingerichtet, dem ich angehöre, und wir versuchen, dass die Dinge, die schon vor fünf, vor sieben Jahren beschlossen worden sind, nun endlich umgesetzt werden. Das heißt die Verantwortung liegt bei den Nationalstaaten, bei den Regierungen vor Ort. Da kann natürlich die UNO Druck ausüben. Man kann zum Beispiel, was ein Vorschlag ist, einen Wasserpreis ausschreiben, den man vielleicht jedes Jahr beim Wassertag vergibt, indem man gute Beispiele prämiert und dann andere animiert, diesem guten Beispiel zu folgen. Aber die UNO als solche ist im Prinzip natürlich machtlos. Man kann aber zum Beispiel als Geber, als Weltbank oder regionale Entwicklungsbank mit seinen Partnern verhandeln und sie natürlich auch zwingen, indem man eben das Geld nur dann gibt, wenn auch sinnvolle Wasserprojekte durchgeführt werden. Da hat man einen gewissen Hebel, aber die UNO als Institution hat diesen Hebel nicht.

    Birke: Sie haben die Weltbank erwähnt und entsprechende Wasserprojekte. Waren Großprojekte wie Staudämme und Ähnliche in der Vergangenheit falsch, überdimensioniert?

    Eid: Gerade das Thema Staudämme hat ja doch zu großen internationalen Debatten geführt und die Weltbank hat sich zurückgezogen, weil ja viele Staudämme durchaus ins Gerede gekommen sind. Daraufhin wurde ja die The World Commission on Dams eingerichtet. Die wurde auch von der rot/grünen Regierung unterstützt. Die saß in Kapstadt. Der zukünftige UNEP-Generaldirektor Achim Steiner war damals auch in dieser World Commission on Dams der Generaldirektor. Diese Welttalsperrenkommission hat Kriterien ausgearbeitet für den Bau von Staudämmen. Wir als Bundesrepublik Deutschland möchten eigentlich mit dazu beitragen, dass bei Entscheidungen, die anstehen, ob man eine Talsperre baut, einen Staudamm baut, diese Kriterien prüft und unter Umständen kann man entweder einen Bau ablehnen oder man kann zu der Entscheidung kommen, einen Staudamm zu bauen. Das muss immer abhängig sein von der jeweiligen Situation im Einzelfall.

    Birke: Damit sind wir bei den Möglichkeiten der Einflussnahme, die wir haben. Frau Eid, mal ganz lapidar gefragt. Die Hörer, die uns jetzt zuhören, werden sich sicher fragen, was es bringen würde, wenn sie hier den Wasserverbrauch eindämmen würden.

    Eid: Für Menschen in Mauretanien oder in Mali erst mal gar nichts. Die Frage ist natürlich, ob wir, wo wir als Bundesbürger leben, in einer Region leben, die eine schwierige Wassersituation aufweist. Ich denke zum Beispiel an Frankfurt am Main. Da ist es schon wichtig, dass man mit Wasser sparsam umgeht. Aber die Frage ist natürlich auch, wie wir insgesamt in unserem Bewusstsein mit Wasser umgehen. Ich glaube es ist vorbildhaft, wenn man zum Beispiel Wasser grundsätzlich nicht als Transportmedium für Fäkalien benutzt, um Vorbild zu sein für andere Regionen dieser Welt, dass man auch ökologische sanitäre Technologien verwenden kann, wo man zum Beispiel auch menschliche Fäkalien nutzen kann als Biomasse, um daraus Energie zu gewinnen. Denn das Problem ist, dass man in der Dritten Welt immer natürlich zu uns herschaut. Wir haben große Technologien, moderne Technologien. Die sind manchmal im Einzelfall in Dritte-Welt-Ländern nicht angebracht, sondern da braucht man kleinteilige Technologien, die auch billiger sind.

    Birke: Abschließend: Wie positiv sind Sie, dass es demnächst mehr sauberes Trinkwasser für das Fünftel der Weltbevölkerung gibt, die momentan keinen Zugang haben?

    Eid: Ich glaube mit der Versorgung mit sauberem Trinkwasser sind wir auf einem guten Weg. Problematisch ist die Frage, dass heute immer noch zu wenig die Abwässer entsorgt werden. Das ist dann eine Quelle von Schmutzwasser, eine Quelle von Krankheiten und wir dürfen es nicht weiterhin zulassen, dass pro Tag 6000 Kinder sterben, nur weil sie verschmutztes Wasser trinken oder eben auch barfuss in Kloaken spielen.

    Birke: Die Grünen-Politikerin Uschi Eid, Beraterin des UN-Generalsekretärs Kofi Annan in Wasserfragen, war das in den "Informationen am Morgen".