Hacke: Seien Sie gegrüßt, Herr Breker.
Breker: Massiv wollen die US-Amerikaner nun zur Entwaffnung der Milizen schreiten, da fragt man sich, warum erst jetzt?
Hacke: Das ist natürlich heute leicht zu fragen, die Amerikaner haben offensichtlich, wie die meisten von uns vermutlich auch, die Situation im Irak nicht so schwierig eingeschätzt. Die Amerikaner haben den Krieg schnell gewonnen gegen Saddam Hussein und nun stehen sie vor einer völlig neuen Aufgabe und die ist viel schwieriger, ja sie ist fast unmöglich. Ihnen droht der Krieg mit den Irakern und das ist eine völlig andere Angelegenheit und da gibt es natürlich nur Ratlosigkeit und die steht dem amerikanischen Oberbefehlshaber und obersten Gesandten Bremer ins Gesicht geschrieben, wenn wir uns die Bilder dieser Tage betrachten.
Breker: Sie haben es gerade angesprochen, Herr Hacke, mag ja sein, dass man zu Beginn von versprengten Saddam Anhängern sprechen konnte oder von ausländischen Reiseterroristen. Nun mit dem Vorgehen der Amerikaner gegen diese schiitischen Milizen, da sind es die Iraker, die betroffen sind.
Hacke: Ja, aber wir müssen natürlich immer fragen, was ist das für ein Irak und wir dürfen nicht vergessen, dass die Geschichte uns vielleicht einen Schlüssel liefert. Die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts zeigt, dass der Irak ein künstliches Gebilde ist. Nach dem Ersten Weltkrieg von den Briten als Kolonie unter imperialer Herrschaft zusammengehalten, geleitet von einer sunnitischen Dynastie, die mit brutaler Gewalt die Kurden und die Schiiten unterdrückt haben. Und nun ist eine neue Situation entstanden, dass jede dieser Teilgruppen, seien es die Sunniter, seien es die Schiiten, seien es die Kurden, gar nicht das Toleranzgefühl, auch gar nicht die Absicht und das Interesse haben, sich in einem gemeinsamen Irak mit anderen Teilgruppen kooperativ und sagen wir auch einmal tolerant, gemeinsam zu einem neuen Staatsgefüge zu versammeln, sondern jeder sucht seine Interessen und die gehen auseinander. Entweder wird das Land mit brachialer Gewalt, ich hätte fast gesagt, in der Tradition von Saddam Hussein, zusammengehalten und das wäre ja furchtbar, wenn der Westen das tut oder dieses Land fliegt den Amerikanern um die Ohren, nämlich das diese drei Teileinheiten, die ich nannte, Kurdistan im Norden, die Schiiten im Süden und im Zentrum die Sunniten sich selbstständig machen. Also, Bürgerkrieg scheint angesagt und den Bürgerkrieg jetzt von außen kontrollieren zu wollen ist noch dramatischer, ist noch furchtbarer.
Breker: Kann es da helfen, mehr Soldaten ins Land zu schicken, was ja auf amerikanischer Seite überlegt wird?
Hacke: Das ist ein Krieg, wir wissen, wie Saddam Hussein gegen die Schiiten vorgegangen ist, der fanatische Glaube und jetzt auch die Zielsetzung, sich unabhängig zu machen, das vermittelt denen Kräfte, das ist im traditionellen Kriegsgeschehen gar nicht zu machen. Das ist Bürgerkrieg und Mischung von Intervention von außen, so etwas haben wir uns alles gar nicht vorgestellt. Es ist wirklich nur Ratlosigkeit, man steht vor Dilemmata. Dass die Amerikaner sich völlig zurückziehen werden, glaube ich derzeit nicht, auch aus innenpolitischen Gründen und weil sie natürlich den Irak als Beispiel vorführen wollen. Ich wollte gar nicht sagen als Demokratie, wenn sie ihn schon als Beispiel vorführen können. Untereinander sind diese drei Hauptgruppierungen, die ich genannt habe, auf die die Amerikaner gesetzt haben, dass sie zusammenarbeiten würden, verfeindet.
Breker: Das heißt, Sie haben den Eindruck, Herr Hacke, dass die Amerikaner den eigentlichen Konflikt im Irak gar nicht wirklich lesen?
Hacke: Sie stehen jetzt erst vor dem eigentlichen Konflikt. Sie haben geglaubt nach dem traditionellen Krieg im vergangenen Jahr, der ja schnell und einzigartig war, muss man fast sagen, dass dann nach dem Vorbild des Zweiten Weltkriegs wie in Deutschland oder Japan praktisch das besetzte Volk mit ihnen zusammenarbeiten würde. Sie haben völlig außer acht gelassen, dass dort völlig andere kulturelle Vorstellungen, wie ich gesagt habe, auch historische Bedingungen herrschen. Und man muss es sagen, die schlimmsten Befürchtungen der alten Europäer, allen voran unserer Bundesregierung haben sich bewahrheitet und es ist eine Umkehrung der Verhältnisse eingetreten: Nicht mehr der Kampf gegen den Terror wird geführt von den Amerikanern - dann müssten sie in Pakistan vorgehen, dann müssten sie in Saudi Arabien vorgehen -, sondern nun müssen sie den neuen Tummelplatz des internationalen Terrorismus, den Irak, das ist jetzt das zusätzliche Gefährliche, unter Kontrolle bringen. Und er wird ja auch zum Ausgangspunkt des ganzen neuen Terrornetzes, Stichwort Madrid, wir sind jetzt mit einbezogen, also eine dramatische Fehlentwicklung und wir werden morgen, beziehungsweise übermorgen einiges weiteres hören, wenn die Sicherheitsberaterin in Washington aussagen muss und ich würde mich nicht wundern, wenn das der Anfang vom Ende der Regierung Bush ist. Vergessen wir nicht, der Vater Bush hat eine vorbildliche Irakpolitik, einen vorbildlichen Irakkrieg geführt damals vor rund acht oder zehn Jahren, und hat dann die Wahl verloren. Und nun wird sich herausstellen, dass der Sohn einen katastrophalen Krieg geführt hat unter katastrophalen Prämissen, mit katastrophalen Ergebnissen und ich kann mir nicht vorstellen, dass das amerikanische Volk das tolerieren wird. Das sind ganz schwierige Situationen.
Breker: Herr Hacke, Sie haben es angesprochen, wir können da gar nicht mehr unbeteiligt aus der Ferne zuschauen. Wir haben eigenen Interessen, dass dieser Krieg gelöst wird. Nur wie?
Hacke: Alles hängt an den USA, jetzt sind sie mitten im Wahlkampf, es wird interessant werden, wie die Entscheidung der Regierung Bush ausfällt, aber natürlich auch und sie haben das zurecht betont, es nützt nichts zurück zu schauen sondern nach vorne und wir sitzen alle in einem Boot. Dann schauen wir uns doch uns Europäer einmal an, es nützt nichts zu sagen, die Amerikaner haben Fehler gemacht. Das ist richtig. Was bleibt zu tun? Die NATO feiert sich selbst in ihrer Erweiterung, kein einziges Signal dort, dass man sich in irgendeiner Form um dieses Problem kümmern will. Natürlich geht das nur mit UNO-Mandat, das ist klar. Eine so genannte europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die über den Tellerrand Europas hinausblickt, gibt es offensichtlich auch nicht. Ich will nicht sagen, dass die ESVP nun im Irak eingreifen sollte, auch nicht dass die NATO eingreifen sollte, aber es muss doch gemeinsam darüber gesprochen werden, wie die Streitkräfte, wie die entsprechenden Institutionen, Gemeinschaftsinstitutionen auf diese neue Herausforderung reagieren müssen und da sehen wir erst mal Ratlosigkeit, Schock. Schockwellen sind es, die uns jetzt aus Bagdad erreichen und nun ist die Politik gefragt, sie muss mit kühlen Blicken nun überlegen, was zu tun ist.
Breker: Denn Amerika ist ja inzwischen eine der Konfliktparteien und ein Konfliktparteimitglied kann ja schlecht das Problem lösen?
Hacke: Nein, alleine können die Amerikaner das nicht und ich sage noch einmal, ich sehe das Bild von Bremer vor mir. Das ist Ratlosigkeit und Schock. Sie können es alleine nicht zwingen, auch mit den Briten nicht, auch mit den Spaniern und den Italienern alleine nicht. Es ist der Westen jetzt gefragt, wir sitzen in einem Boot, aber wie dieses Boot jetzt nun gesteuert werden soll und wohin angesichts dieser furchtbaren Dilemmata, denn was man jetzt auch tun wird im Irak, darüber müssen wir uns auch im Klaren sein, es geht nicht um richtig oder falsch sondern es geht nur noch um schlimm oder noch schlimmer, es sind Dilemmata, das ist das Entsetzliche.
Breker: Christian Hacke war das, er ist Konfliktforscher und Politikwissenschaftler an der Universität Bonn. Herr Hacke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Breker: Massiv wollen die US-Amerikaner nun zur Entwaffnung der Milizen schreiten, da fragt man sich, warum erst jetzt?
Hacke: Das ist natürlich heute leicht zu fragen, die Amerikaner haben offensichtlich, wie die meisten von uns vermutlich auch, die Situation im Irak nicht so schwierig eingeschätzt. Die Amerikaner haben den Krieg schnell gewonnen gegen Saddam Hussein und nun stehen sie vor einer völlig neuen Aufgabe und die ist viel schwieriger, ja sie ist fast unmöglich. Ihnen droht der Krieg mit den Irakern und das ist eine völlig andere Angelegenheit und da gibt es natürlich nur Ratlosigkeit und die steht dem amerikanischen Oberbefehlshaber und obersten Gesandten Bremer ins Gesicht geschrieben, wenn wir uns die Bilder dieser Tage betrachten.
Breker: Sie haben es gerade angesprochen, Herr Hacke, mag ja sein, dass man zu Beginn von versprengten Saddam Anhängern sprechen konnte oder von ausländischen Reiseterroristen. Nun mit dem Vorgehen der Amerikaner gegen diese schiitischen Milizen, da sind es die Iraker, die betroffen sind.
Hacke: Ja, aber wir müssen natürlich immer fragen, was ist das für ein Irak und wir dürfen nicht vergessen, dass die Geschichte uns vielleicht einen Schlüssel liefert. Die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts zeigt, dass der Irak ein künstliches Gebilde ist. Nach dem Ersten Weltkrieg von den Briten als Kolonie unter imperialer Herrschaft zusammengehalten, geleitet von einer sunnitischen Dynastie, die mit brutaler Gewalt die Kurden und die Schiiten unterdrückt haben. Und nun ist eine neue Situation entstanden, dass jede dieser Teilgruppen, seien es die Sunniter, seien es die Schiiten, seien es die Kurden, gar nicht das Toleranzgefühl, auch gar nicht die Absicht und das Interesse haben, sich in einem gemeinsamen Irak mit anderen Teilgruppen kooperativ und sagen wir auch einmal tolerant, gemeinsam zu einem neuen Staatsgefüge zu versammeln, sondern jeder sucht seine Interessen und die gehen auseinander. Entweder wird das Land mit brachialer Gewalt, ich hätte fast gesagt, in der Tradition von Saddam Hussein, zusammengehalten und das wäre ja furchtbar, wenn der Westen das tut oder dieses Land fliegt den Amerikanern um die Ohren, nämlich das diese drei Teileinheiten, die ich nannte, Kurdistan im Norden, die Schiiten im Süden und im Zentrum die Sunniten sich selbstständig machen. Also, Bürgerkrieg scheint angesagt und den Bürgerkrieg jetzt von außen kontrollieren zu wollen ist noch dramatischer, ist noch furchtbarer.
Breker: Kann es da helfen, mehr Soldaten ins Land zu schicken, was ja auf amerikanischer Seite überlegt wird?
Hacke: Das ist ein Krieg, wir wissen, wie Saddam Hussein gegen die Schiiten vorgegangen ist, der fanatische Glaube und jetzt auch die Zielsetzung, sich unabhängig zu machen, das vermittelt denen Kräfte, das ist im traditionellen Kriegsgeschehen gar nicht zu machen. Das ist Bürgerkrieg und Mischung von Intervention von außen, so etwas haben wir uns alles gar nicht vorgestellt. Es ist wirklich nur Ratlosigkeit, man steht vor Dilemmata. Dass die Amerikaner sich völlig zurückziehen werden, glaube ich derzeit nicht, auch aus innenpolitischen Gründen und weil sie natürlich den Irak als Beispiel vorführen wollen. Ich wollte gar nicht sagen als Demokratie, wenn sie ihn schon als Beispiel vorführen können. Untereinander sind diese drei Hauptgruppierungen, die ich genannt habe, auf die die Amerikaner gesetzt haben, dass sie zusammenarbeiten würden, verfeindet.
Breker: Das heißt, Sie haben den Eindruck, Herr Hacke, dass die Amerikaner den eigentlichen Konflikt im Irak gar nicht wirklich lesen?
Hacke: Sie stehen jetzt erst vor dem eigentlichen Konflikt. Sie haben geglaubt nach dem traditionellen Krieg im vergangenen Jahr, der ja schnell und einzigartig war, muss man fast sagen, dass dann nach dem Vorbild des Zweiten Weltkriegs wie in Deutschland oder Japan praktisch das besetzte Volk mit ihnen zusammenarbeiten würde. Sie haben völlig außer acht gelassen, dass dort völlig andere kulturelle Vorstellungen, wie ich gesagt habe, auch historische Bedingungen herrschen. Und man muss es sagen, die schlimmsten Befürchtungen der alten Europäer, allen voran unserer Bundesregierung haben sich bewahrheitet und es ist eine Umkehrung der Verhältnisse eingetreten: Nicht mehr der Kampf gegen den Terror wird geführt von den Amerikanern - dann müssten sie in Pakistan vorgehen, dann müssten sie in Saudi Arabien vorgehen -, sondern nun müssen sie den neuen Tummelplatz des internationalen Terrorismus, den Irak, das ist jetzt das zusätzliche Gefährliche, unter Kontrolle bringen. Und er wird ja auch zum Ausgangspunkt des ganzen neuen Terrornetzes, Stichwort Madrid, wir sind jetzt mit einbezogen, also eine dramatische Fehlentwicklung und wir werden morgen, beziehungsweise übermorgen einiges weiteres hören, wenn die Sicherheitsberaterin in Washington aussagen muss und ich würde mich nicht wundern, wenn das der Anfang vom Ende der Regierung Bush ist. Vergessen wir nicht, der Vater Bush hat eine vorbildliche Irakpolitik, einen vorbildlichen Irakkrieg geführt damals vor rund acht oder zehn Jahren, und hat dann die Wahl verloren. Und nun wird sich herausstellen, dass der Sohn einen katastrophalen Krieg geführt hat unter katastrophalen Prämissen, mit katastrophalen Ergebnissen und ich kann mir nicht vorstellen, dass das amerikanische Volk das tolerieren wird. Das sind ganz schwierige Situationen.
Breker: Herr Hacke, Sie haben es angesprochen, wir können da gar nicht mehr unbeteiligt aus der Ferne zuschauen. Wir haben eigenen Interessen, dass dieser Krieg gelöst wird. Nur wie?
Hacke: Alles hängt an den USA, jetzt sind sie mitten im Wahlkampf, es wird interessant werden, wie die Entscheidung der Regierung Bush ausfällt, aber natürlich auch und sie haben das zurecht betont, es nützt nichts zurück zu schauen sondern nach vorne und wir sitzen alle in einem Boot. Dann schauen wir uns doch uns Europäer einmal an, es nützt nichts zu sagen, die Amerikaner haben Fehler gemacht. Das ist richtig. Was bleibt zu tun? Die NATO feiert sich selbst in ihrer Erweiterung, kein einziges Signal dort, dass man sich in irgendeiner Form um dieses Problem kümmern will. Natürlich geht das nur mit UNO-Mandat, das ist klar. Eine so genannte europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die über den Tellerrand Europas hinausblickt, gibt es offensichtlich auch nicht. Ich will nicht sagen, dass die ESVP nun im Irak eingreifen sollte, auch nicht dass die NATO eingreifen sollte, aber es muss doch gemeinsam darüber gesprochen werden, wie die Streitkräfte, wie die entsprechenden Institutionen, Gemeinschaftsinstitutionen auf diese neue Herausforderung reagieren müssen und da sehen wir erst mal Ratlosigkeit, Schock. Schockwellen sind es, die uns jetzt aus Bagdad erreichen und nun ist die Politik gefragt, sie muss mit kühlen Blicken nun überlegen, was zu tun ist.
Breker: Denn Amerika ist ja inzwischen eine der Konfliktparteien und ein Konfliktparteimitglied kann ja schlecht das Problem lösen?
Hacke: Nein, alleine können die Amerikaner das nicht und ich sage noch einmal, ich sehe das Bild von Bremer vor mir. Das ist Ratlosigkeit und Schock. Sie können es alleine nicht zwingen, auch mit den Briten nicht, auch mit den Spaniern und den Italienern alleine nicht. Es ist der Westen jetzt gefragt, wir sitzen in einem Boot, aber wie dieses Boot jetzt nun gesteuert werden soll und wohin angesichts dieser furchtbaren Dilemmata, denn was man jetzt auch tun wird im Irak, darüber müssen wir uns auch im Klaren sein, es geht nicht um richtig oder falsch sondern es geht nur noch um schlimm oder noch schlimmer, es sind Dilemmata, das ist das Entsetzliche.
Breker: Christian Hacke war das, er ist Konfliktforscher und Politikwissenschaftler an der Universität Bonn. Herr Hacke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.