Donnerstag, 16. Mai 2024

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Konkurrenz zwischen EU und USA um russisches Gas

Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energieagentur, erwartet für die kommenden Jahre einen verschärften Wettbewerb zwischen Europa und den USA um Energielieferungen aus Russland. Beiden Seiten gehe es dabei um die langfristige Sicherung ihrer Energieversorgung, sagte Kohler. Auf diese Konkurrenz müsse sich Europa einstellen.

Moderation: Dirk Müller | 21.06.2006
    Dirk Müller: Ganz klar: Guantanamo spielt eine Rolle, ist aus Brüssel zu hören. Dabei sieht die offizielle Tagesordnung ganz anders aus beim Gipfeltreffen der Europäischen Union und den USA heute Abend in Wien. Die Kommission will offiziell über Handelsfragen und über die Zukunft der Energiepolitik beraten. Dies will auch George Bush, denn beide Seiten sind an einer weiteren Normalisierung der angespannten Beziehungen höchst interessiert.

    Die Energiepolitik - wir haben es gehört - ist ein Thema, das offiziell heute in Wien auf der Agenda zu finden ist. Darüber sprechen wollen wir nun mit Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur. Guten Morgen!

    Stephan Kohler: Guten Morgen, hallo!

    Müller: Herr Kohler, gibt es das wirklich zwischen Amerika und Europa, gemeinsame Interessen in der Energiepolitik?

    Kohler: Es gibt natürlich zwischen Europa und den USA Gespräche und es gibt auch Kooperation im Energiesektor, wobei man da natürlich differenzieren muss zwischen Technologiepolitik, wo es ja auch Zusammenarbeit gibt, zum Beispiel Entwicklung von neuen Kraftwerken, aber auch in der Wasserstoffstrategie gibt es technische Kooperation. Man muss unterscheiden nach Beschaffungspolitik, also welches Land oder welche Region wo welche Energieträger sichert und beschafft. In diesem Sektor sehe ich sehr wenig Kooperation zwischen den USA und Europa, sondern da hat natürlich USA ihre eigenen Interessen, die sie auch sehr stark durchsetzen. Da fehlt praktisch aus meiner Sicht jegliche Kooperation. Und dann haben wir den großen Bereich Umweltschutz, Klimaschutz, Kyoto, wo es ja mit den USA erhebliche Schwierigkeiten gibt. USA ist ja nicht verpflichtend beigetreten, um sich dann eben auf ein Reduktionsziel zu verständigen. Wenn man so differenziert, dann würde ich sagen Technologiepolitik ja, gibt es Kooperation, Beschaffung nein. Da setzen die USA ihre eigenen Interessen durch, und Kyoto ist sehr schwierig.

    Müller:! Um es wieder auf einen Nenner zu bringen, Herr Kohler. Hat es jemals Rücksichten gegeben aus Washington mit Blick auf die europäischen Energiebedürfnisse?

    Kohler: Ich kann mich nicht erinnern, dass die USA in dieser Frage Rücksicht auf Europa genommen haben, sondern ganz im Gegenteil. Die USA setzen ja auch militärische Mittel ein, um ihre Interessen durchzusetzen. Ich meine die Nahostpolitik, der Irak-Krieg. Er wird natürlich immer sehr stark auch politisch diskutiert, aber es sind Kriege, die dann USA auch um die Sicherung ihrer Rohstoff- und Energiebasis führt. Das Problem ist, dass USA im Nahen Osten praktisch gescheitert ist, und da kommt jetzt eine starke Rivalität auf, dass zum Beispiel USA jetzt neu nach Russland blickt, nämlich neben dem Nahen Osten ist natürlich Russland das Land, das am interessantesten ist in Bezug auf Öl- und Gasversorgung. Hier gibt es schon Konkurrenzen zwischen Europa und den USA, weil eben die USA sich massiv in die Rohstoffvorkommen auf der einen Seite einkaufen möchte und auf der anderen Seite versucht, auch hier Lieferverträge abzuschließen, damit sie ihre Öl- und Gasversorgung langfristig sichern.

    Müller: Herr Kohler, Sie weisen darauf hin: Es gibt natürlich längst diesen Wettbewerb um die Ressourcen in Russland. Russland und die Zukunft der Energiekoordination, das ist ja auch ein Teilaspekt, der heute Abend besprochen werden soll. Aber kann das in irgendeiner Form aus unserer Sicht, aus europäischer wie auch aus deutscher Sicht, weiter helfen, wenn die Amerikaner in diesem Punkt mit an einem Strang ziehen?

    Kohler: Mit an einem Strang? Es ist kein gemeinsamer Strang, wenn man sich das nur einmal geographisch anschaut. Wir sind natürlich bemüht, auch die neue Erdgaspipeline durch die Ostsee zu bauen, um hier die langfristig gewachsenen Lieferbeziehungen abzusichern und eben neue Wege aufzubauen, damit auch von der Versorgungssicherheit her wieder ein neuer Baustein hinzu kommt. Auf Russland kommen aber jetzt neue Länder zu wie China, die USA, wie Japan, die zum Beispiel über die Verflüssigung von Erdgas an diese sibirischen Erdgasfelder heran wollen, um hier dann ihre Energieversorgung zu sichern. Die gemeinsame Basis ist dann relativ gering, sondern es geht ganz klar darum, Energieversorgung langfristig zu sichern, und da gibt es eine eindeutige Konkurrenz.

    Müller: Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, Herr Kohler, heißt das, wenn die Vereinigten Staaten sich in Zukunft in Russland noch stärker engagieren, ist das zum Nachteil der Europäer?

    Kohler: Es gibt Konkurrenz, und auf dem letzten Gipfel zwischen Frau Merkel und Herrn Putin dieses Jahr in Tomsk hat ja Herr Miller, Chef von Gasprom, ganz eindeutig gesagt, was ja auch sein gutes Recht ist, dass zukünftig Russland, die Gasprom, nicht nur nach dem Westen schaut - bisher wird ja fast ausschließlich das Erdgas nach Westen exportiert von Russland aus -, sondern dass zukünftig die neuen Märkte wie China, USA, Japan in den Blickpunkt von Gasprom kommen und dass sich hier die Europäer natürlich zukünftig schon auf einen Wettbewerb einstellen müssen.

    Müller: Tun wir zum Schluss unseres Gespräches etwas, Herr Kohler, für die europäisch-amerikanische Freundschaft. Was können wir wiederum von den Amerikanern nehmen, lernen und umgekehrt?

    Kohler: Ich denke schon, dass die Amerikaner - und man sieht es ja derzeit, wir haben den Streit um den richtigen Weg zum Klimaschutz. Wir haben uns ja sehr stark verpflichtet im Emissionshandel. Wir haben uns verpflichtet, die Emissionen bis zum Jahr 2012 zu reduzieren um einen konkreten Beitrag. Das macht USA ja nicht, aber USA - und das muss man auch anerkennen - hat ein großes Forschungsprogramm aufgelegt und das auch mit einigen Milliarden Dollar ausgestattet, um eben neue Technologien zu entwickeln, um diese dann energieeffizienter zu nutzen. Ich denke da müssen wir Deutschen und Europäer lernen davon, dass wir, wenn wir neue Technologien marktreif machen müssen, dann auch richtig Innovationen und Forschungsmittel zur Verfügung stellen müssen, damit diese neuen Technologien auch sehr schnell in den Markt eingeführt werden können. Ich denke, da kann man auf jeden Fall von den Amerikanern lernen. Wenn sie mal eine technische Entwicklung forcieren wollen, dann aber auch mit Kraft und mit entsprechenden Finanzmitteln.

    Müller: In den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk war das Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Kohler: Danke.