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"Konstruktiver Journalismus"
Nicht einfach nur positive Nachrichten

Vor zwei Jahren hat "Perspective Daily" genug Geld eingesammelt, um als erstes Magazin für "Konstruktiven Journalismus" online zu gehen. Die Macher wollen anders sein als andere Medien und ein weniger negatives Weltbild vermitteln. Aber klappt das auch?

Von Lena Sterz | 02.04.2018
    Die Medienmacher Maren Urner, Bernhard Eickenberg und Han Langeslag halten Werbepostkarten mit dem Namen ihres Online-Magazins "Perspective Daily" in den Händen.
    Die Macher von "Perspective Daily" haben sich dem "Konstruktiven Journalismus" verschrieben. (dpa / Oliver Krato)
    Das Team von "Perspective Daily" arbeitet in einem unscheinbaren Bürogebäude in einem Gewerbegebiet in Münster, zwischen Autohäusern, Tankstellen und Tennis-Center. Beim Reinkommen zieht man die Straßenschuhe aus, und es gibt hier mehr als nur Büros.
    Gründerin Maren Urner gibt eine kleine Führung. "Das ist unser liebevoll genanntes Wohnzimmer. Das liegt daran, dass es tatsächlich so ein Schlafsofa hat, um die Ecke gibt es eine kleine Bibliothek. Das ist ein bisschen ein Rückzugsraum und auch mal der ein oder andere hier tatsächlich übernachtet, wenn der letzte Zug weg ist oder ein Entwickler, der eigentlich in Berlin wohnt, dann mal eine Woche hier ist und solche Sachen."
    Alles etwas anders
    Im Konferenzraum nebenan stehen Kerzen und Blumen auf dem Tisch – man merkt schon, dass das hier keine ganz normale Redaktion ist. Gut ein Dutzend Festangestellte und viele Gastautoren arbeiten hier an konstruktivem Online-Journalismus.
    Dabei geht es nicht darum, nur Positives zu berichten, sagt Gründerin Maren Urner. Es gehe vielmehr um das Lösungsorientierte. "Also es geht beim Konstruktiven nicht darum, dass am Ende immer eine oder zwei oder x konkrete Lösungen vorgestellt werden. Es kann sein, dass es bei einigen Problemen oder Herausforderungen keine oder mehrere konkrete Lösungen gibt, die wir dann miteinander vergleichen und das machen natürlich auch andere Medien. Also das heißt nicht, dass wir das jetzt erfunden haben oder die einzigen sind, die das machen. Wir machen das halt immer."
    Breites Spektrum
    Pro Tag geht bei "Perspective Daily" nur ein Artikel online. Die Themen sind eigentlich nie tagesaktuell. Sie reichen von Nachhaltigkeits- und Auslands-Themen über serviceorientierte Beiträge bis zu Erfahrungsberichten einer Mitarbeiterin, die gerade eine Chemotherapie macht.
    Meistens sind das Themen, die man auch woanders lesen könnte, gibt Maren Urner offen zu. "Also unsere Themen sind im Prinzip die Themen, die auch in allen anderen Medien sind. Wir sagen halt nicht: Nur dieses Thema oder diesen Themenbereich kann man konstruktiv angehen. Sondern wir sind der tiefen Überzeugung, dass das prinzipiell bei jedem Thema geht."
    Nicht immer das Wichtigste zuerst
    Bei einem Artikel über Organspenden wird etwa in andere Länder geschaut, in denen es besser läuft und dann am Ende mit 1., 2., 3. aufgelistet, was sich in Deutschland ändern müsste - ähnlich, wie es auch in einer wissenschaftlichen Arbeit gemacht wird.
    Das führt dazu, dass die Artikel eine andere Struktur haben als die vieler anderer Online-Magazine: Die Artikel kommen oft nicht so schnell zum Punkt wie die der Konkurrenz, sondern es gibt erstmal eine Art Einleitung, bis sie weiter unten zum Kern des Themas kommen, um dann mit einer Auflistung an Lösungsvorschlägen zu enden.
    Lange Texte, treue Leser
    Aber die regelmäßigen Leser scheint das nicht zu stören, darauf deuten jedenfalls die Zahlen hin, die das Team herausgibt. Seit kurzem tracken sie nach eigenen Angaben anonym, wie weit die Leser auf der Website scrollen – ungefähr 80 Prozent scrollen demnach bis zum Ende der langen Artikel, so Mitgründer Han Langeslag.
    Die Länge der Artikel rührt auch daher, dass in jedem Artikel zunächst ein Problem und verschiedene Sichtweisen darauf umfassend beschrieben werden. "Und dann versuchen wir aber noch einen Schritt weiterzugehen. Wenn man sich das wie so eine Folge vorstellt: Und eben dieses 'wie kann’s weiter gehen?' – wir nennen das immer eine zusätzliche Brille, schon bei der Recherche, bei Interviewpartnern, Studien etc., versuchen wir immer von Anfang an, das mitzudenken."
    Mehr in die Tiefe gehen
    Den Autoren wird laut Urner auch deutlich mehr Zeit für die Recherche gegeben als bei vielen anderen Medien. Das begründet die Chefin mit der tiefergehenden Analyse, die dadurch gewährleistet werden soll.
    "Roundabout hat man als Autor zwei Wochen Zeit. Das bedeutet aber nicht, dass man sich zwei Wochen einschließt und alleine arbeitet, weil als Autor habe ich natürlich auch andere Verantwortung im Sinne von: Ich muss bei anderen Texten mitarbeiten, weil das eben immer ein Team-Effort ist und ich muss vielleicht auch noch andere Aufgaben übernehmen, weil wir sind eben ein Start-up, das alles selber macht."
    Weniger Abos als beim Start
    Dazu gehört dann auch mal ein Küchendienst – dadurch kann man ein bisschen Kosten sparen. Zurzeit finanziert sich "Perspective Daily" zum größten Teil über seine Abonnenten, die fünf Euro pro Monat für den Zugang zu den Artikeln zahlen.
    Gestartet ist "Perspective Daily" vor zwei Jahren mit ungefähr 14.000 Abonnenten, so Mitgründer Han Langeslag. "Im Moment liegen wir etwa bei 13.000, das ist etwas geschrumpft. Die große Herausforderung ist, die Leute von dem Crowdfunding zu überzeugen, dabeizubleiben. Da haben wir auch damit gerechnet, dass da viele aussteigen, aber da sind wir ganz gut durchgekommen: Da waren wir bei etwa 65 Prozent Renewals für Jahr 2."
    Zusätzlich fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt "Perspective Daily" für ein Jahr. Für die nächsten drei Jahre haben die Gründer Großes vor: Sie möchten ihren Unterstützerkreis nochmal verdoppeln.