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Kontaktbörsen-Werbung
Geschäfte mit der Geldnot Studierender

Sie tauchten in Frankreich vor Universitäten auf und sorgten für Aufsehen: Autos mit der Werbeaufschrift "Romantisch, leidenschaftlich und keinen Studienkredit? Gehen Sie mit einem Sugar Daddy oder einer Sugar Mama aus". Die Online-Kontaktbörse, die sie aufstellte, hat jetzt Klagen wegen Zuhälterei am Hals.

Von Suzanne Krause | 30.10.2017
    An advertising board of the dating site "RichMeetBeautiful" reading "students, romantic, passion and no student loan, meet a Sugar Daddy or a Sugar Mama" is displayed in a street of Paris on October 25, 2017. The advertising truck lauding a dating site near Paris universities and accused of inciting to "prostitution" by the city, was seized for "unauthorised display", said the Paris police prefecture on October 26, 2017
    Mit diesem Plakat warb eine Kontaktbörse vergangene Woche vor französischen Universitäten. (AFP / Anais Caquant)
    Drei Tage war die Werbetafel für das Online-Portal in Paris unterwegs, von einem Campus zum anderen. Bis die Präfektur das Fahrzeug beschlagnahmte und die Werbung entfernen ließ. Dafür gesorgt hatte die FAGE, die landesweit größte Gewerkschaft von Studierenden. Deren Generalsekretär ist Kenza Occansey:
    "Wir waren dank der sozialen Medien sehr schnell informiert und haben zudem viele Alarmanrufe erhalten. Denn die Kampagne ist schlicht inakzeptabel. Auch wenn wir damit gewissermaßen für den Online-Dienst Werbung machen, haben wir beschlossen, beim Staatsanwalt Klage einzureichen. Zudem haben wir die Werbeaufsicht eingeschaltet, um die Kampagne verbieten zu lassen."
    Anzeige erstattet hat auch die Direktion einer vom Werbefahrzeug angesteuerten Universität. Ebenso wie die Stadt Paris. Die dortige Verantwortliche für Gleichstellungsfragen, Hélène Bidard, stellte in einem Zeitungsinterview klar:
    "Die Verantwortlichen des Online-Portals wollen Prostitution als Glamour verkaufen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Es handelt sich um eine Falle für Studierende in prekärer Lage. Das ist sehr gefährlich. Denn im studentischen Milieu liegt die Selbstmordrate zwölf Prozent über der der gesamten Gesellschaft."
    Werbefahrzeug war auch schon in Brüssel aufgetaucht
    Angesichts des Aufruhrs in Frankreich nahm auch Belgien ein Ermittlungsverfahren wegen 'verschärftem Zuhältertums' gegen den Online-Dienst auf. Denn schon Anfang Oktober war das Werbefahrzeug vor der Freien Universität Brüssel aufgetaucht. Die dortige Studentengewerkschaft erhob Klage, viele Studierende waren geschockt:
    "Wir gelten als leichte Beute. Denn wir müssen im Alltag jeden Cent zweimal umdrehen."
    "Eigentlich gibt es doch finanzielle Hilfen für Studierende in Not. Ich finde es ziemlich traurig, dass man uns mit einer Werbekampagne mit so schrägem Angebot verlocken will."
    Im Fernsehen erklärte der Betreiber des Kontaktbörsenportals, ein Norweger namens Sigurd Vedal, sein Online-Angebot sei keinesfalls eine Aufforderung zur Prostitution. Es gehe hier nicht um bezahlten Sex. Sondern darum, junge Frauen und ältere Männer zusammenzubringen. Den einen erfülle das den Wunsch nach Luxus, den anderen nach neuer Jugend:
    "Wer kann schon sagen, was richtig oder falsch ist? Ja, unsere Werbekampagne hat in Belgien einen Shitstorm ausgelöst. Sie wurde falsch interpretiert in einem Land, dessen Kultur wir falsch eingeschätzt haben. Natürlich passen wir unsere Botschaft nun der hiesigen Mentalität an, damit die Leute unser Konzept wirklich verstehen."
    Viele Studenten lassen Mahlzeiten aus, um zu sparen
    Allerdings zeigen die vehementen Proteste gegen die Werbekampagne in Frankreich, dass auch hier der Online-Dienst mit seiner Botschaft völlig daneben liegt. Immerhin wirft die Affäre ein Schlaglicht auf die prekäre Lage vieler Studierender, sagt Kenza Occensay, Generalsekretär der Studentengewerkschaft FAGE:
    "Jeder dritte scheut aus Kostengründen manchen Arzt-Gang. Mehr als jeder Zweite überspringt öfter eine Mahlzeit. Mangels Zeit. Vor allem aber mangels Geld."
    Kürzlich hat die FAGE einen weiteren 'sozialen und solidarischen Krämerladen' eröffnet. Dort erhalten Studierende für einige Euro eine Wochenration Lebensmittel. Es handelt sich um die 15. Einrichtung auf einem französischen Campus.