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Kontroverse um einen Rückkehrer
Wölfe im Westerwald

Über die Rückkehr des Wolfs wird in Deutschland erbittert gestritten. Auch im Westerwald wurde mittlerweile eine Wölfin mehrfach genetisch nachgewiesen. In Rheinland-Pfalz gibt es seit 2015 einen Wolfsmanagement-Plan. Doch damit sind nicht alle einverstanden, wie eine Zwischenbilanz zeigt.

12.08.2019
Wolf "Alexander" streift am 05.12.2017 im Wildpark Eekholt bei Großenaspe (Schleswig-Holstein) durch sein Gehege.
Heftig umstritten: Der Wolf und die Rückkehr nach Deutschland (dpa/Carsten Rehder)
Annabell Reeh ist Schafzucht-Leiterin bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und züchtet selbst seltene Bergschafe im Westerwald. Und zwar am Stegskopf, im ersten Wolfsgebiet des Bundeslandes. Wie im Wolfsmanagement-Plan vorgesehen, hat Reeh den Herdenschutz zu 90 Prozent von der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz bezahlt bekommen, dennoch sorgt sie sich um ihre Lämmer.
"Ich bin der Meinung, es gibt keinen 100-prozentigen Schutz vor dem Wolf. Wir haben alles möglich getan, außer die Tiere einzusperren, dass halte ich für nicht artgerecht. Wir haben Zäune gestellt, wir schauen, dass immer Batterien drin sind. Wir haben die Zäune auch gefördert bekommen von der Stiftung und auch ein neues Stromgerät. Das ist ganz gut, das ist mit unserem Handy verbunden. Sollte der Strom ausfallen, oder unterbrochen werden, weil der Wolf durchläuft, bekommen wir eine Nachricht aufs Handy."
Wölfe lassen sich erziehen
Die Biologin Gesa Kluth, Mitgründerin des LUPUS Instituts für Wolfsmonitoring und –forschung in der sächsischen Oberlausitz ist sicher, dass sich Wölfe erziehen lassen:
"Wenn Wölfe, die versuchen, Nutztiere zu reißen, einen Schmerz erleiden durch den Stromzaun, lernen die ganz schnell, dass das keine leichte Beute ist. Man kann sie auf jeden Fall mit der Methode des Stromzauns erziehen oder auch mit funktionierenden Herdenschutzhunden, die sie verbellen und vertreiben. Das funktioniert definitiv."
Deshalb hält Kluth die Fördergelder für gut angelegt. Weil die EU Vorgaben gelockert hat, kann Rheinland-Pfalz die betroffenen Halter von Mutterkuh-Herden, Schafen und Ziegen künftig noch stärker unterstützen, freut sich Thomas Griese, Staatssekretär im Umweltministerium. Insofern nämlich, "dass wir auch den Arbeitsaufwand, den die Betreffenden mit dem Zaunbau haben, auch die Pflege der Zäune, die müssen ja nicht nur einmal gesetzt, sondern immer wieder unterhalten, vielleicht nachgebessert werden, dass wir auch das mit Fördermitteln und einem pauschalen Betrag decken."
Entschädigungen sind nur ein Trostpflaster
Entschädigt werden nachgewiesene Risse durch Wölfe, so der Grünen-Politiker.
"Dadurch kann es auch zu Verlusten kommen bei der Fortpflanzung etc. Auch an dem Punkt wollen wir ein Stück weitergehen und Folgeschäden in den Entschädigungsumfang aufnehmen. Wie wir das machen, ist noch nicht klar. Aber wir wollen – das ist unser Grundsatz – die Tierhalter dabei nicht allein lassen."
"Das ist ein Trostpflaster", kontert Werner Neumann vom Landesverband Schafhalter und -züchter. Förster dagegen hoffen, dass Wölfe für Wald-angepasste Wildbestände sorgen, indem sie Rehe und Hirsche fressen. Es gibt zu viele, findet Jürgen Jacoby:
"Und gerade jetzt im Moment der großen Probleme der sterbenden Wälder fehlt uns die artenreiche Naturverjüngung, weil das Wild die eben zu 100 Prozent wegfrisst."
Gefährdet der Wolf den Tourismus?
Touristiker fürchten, dass Wölfe am Rand ihrer Premiumwege auftauchen und Besucher verschrecken. "Wölfe sind menschenscheue Beutegreifer", stellt Staatssekretär Griese klar. Doch:
"Wenn sie sich zum Beispiel menschlichen Siedlungsgruppen oder Menschengruppen in gefährlicher Weise nähern, müssen Vergrämungsmaßnahmen ergriffen werden."
Dazu zählen Luftschüsse oder Gummigeschosse.
"Und wenn die nicht fruchten, muss die Entnahme, also der Abschuss vorgenommen werden, denn am Ende hat der Schutz der menschlichen Gesundheit Vorrang, und auch das ist im Wolfsmanagement‑Plan 2015 schon festgehalten worden."
Annabell Reeh fordert, dass Problemwölfe geschossen werden dürfen, wenn sie einmal einen funktionierenden Elektrozaun überwunden und Weidetiere gerissen haben. Nicht warten, bis es zehnmal vorgekommen ist, heißt ihr Plädoyer.
"So lange nichts passiert, wie es Gott sei Dank momentan noch ist, denke ich, die Angst ist da – ja, aber so sagt jetzt keiner, ‚der Wolf muss weg‘."