Archiv


Konzept zur Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft

    Spengler: Alle reden von der Agenda 2010 und dem Kampf des Kanzlers um die Zustimmung seiner vielstimmigen Genossen. Doch wo bleibt das in sich schlüssige Konzept der Union? Am Telefon ist nun Peter Rauen, der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU. Herr Rauen, Sie werden heute ein eigenes Konzept, Ihr Konzept, das Konzept der Mittelstandsvereinigung für eine Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft in Berlin vorstellen. Worin besteht der Kern Ihres Konzepts?

    Rauen: Wir sind in Deutschland in einer gefährlichen Abwärtsspirale: Erosion der Finanzen, mehr Arbeitslosigkeit, weniger Beschäftigte, daraus folgend nochmals höhere Steuern, nochmals höhere Belastungen für die arbeitenden Menschen. Wir sind der Überzeugung, wir müssten hier einen Gegenschub bekommen. Die Kernforderung ist, dass wir sagen, die Steuerstufen 2004 und 2005 müssen sofort vorgezogen werden zum 1.1.2004, damit die Personengesellschaften im Mittelstand endlich die Entlastungen bekommen, die Kapitalgesellschaften schon seit 2001 haben, und vor allen Dingen bedeutet das für die Arbeitnehmer beim Durchschnittsverdiener etwa 60 Euro pro Monat mehr, damit die gefährliche Spirale bei den Tarifspartnern aus Forderungen, immer mehr Lohkosten, dadurch immer mehr gefährdete Arbeitsplätze, endlich einmal zurückgedreht werden kann. Dies ist im Kern die Grundforderung, weil wir sagen, die Menschen müssen endlich wieder erleben, dass sie nicht nur mehr belastet werden, sondern eine deutliche Entlastung bekommen.

    Spengler: Das wäre aber noch ein halbes Jahr, das wir warten müssten. Das wäre ja erst zum 1. Januar nächsten Jahres.

    Rauen: Damit dies finanziert werden kann - wir können keine neuen Schulden machen -, schlagen wir vor, dass die Summe der Subventionen generell um 10 Prozent gekürzt wird. Das wären rund 15,5 Milliarden, um dies auch finanzieren zu können. Das könnte sofort gemacht werden, weil das beschlossene Gesetze sind, die man sofort zum 1.1.2004 in Kraft setzen kann.

    Spengler: Aber sofort ist ja nicht 1.1.2004.

    Rauen: Wir haben ja ohnehin das Problem, das ich als großen Skandal empfinde, dass Hunderttausende Betriebe um ihre Existenz bangen, ihre Mitarbeiter um die Arbeitsplätze, und diese Regierung zwar eine Agenda ankündigt, aber nichts im Bundestag vorlegen kann, erst einen Parteitag braucht, um festzustellen, was sie eigentlich tun können. Das ist unser eigentliches Problem.

    Spengler: Lassen Sie uns mal bei Ihren Vorstellungen bleiben. Wenn Sie sagen, Subventionen um 10 Prozent kürzen, dann meinen Sie, Rasenmäher, also unabhängig von der Subvention, was es genau ist, 10 Prozent. Warum hat denn die Union bestimmten Subventionen, die im März gekürzt werden sollten, zum Beispiel Privileg für Dienstwagensteuer, nicht zugestimmt?

    Rauen: Weil das ja auch wieder die Arbeitnehmer beschäftigt. Dienstwagen ist ja der falsche Begriff. Das sind Firmenwagen, die Mitarbeiter zwingend haben müssen, und wenn sie noch mal höher besteuert worden wären, hätten die Leute netto noch mal weniger gehabt. Das sind - isoliert - keine Wege. Die Diskussion um den Subventionsabbau ist jetzt zehn, fünfzehn Jahre alt. Wir bekommen alle miteinander nichts hin, weil die Interessengruppen jeweils so stark sind, bei Einzelfällen dies zu verhindern. Deshalb ist unser Vorschlag, dass man sagt, generell, mit der Rasenmähermethode alle Subventionen von rund 155 Milliarden DM um 10 Prozent kürzen, damit hier auch der Staat weniger Schulden machen muss und dann seinen Bürgern in Form einer durchgreifenden Steuerentlastung endlich mehr Netto in der Tasche belässt.

    Spengler: Nun hat Ihr Parteifreund Jürgen Rüttgers gesagt, es sei irgendwo ein Armutszeugnis, dass man nicht gezielt Subventionen kürze, sondern wirklich zu dieser Rasenmähermethode greifen wolle.

    Rauen: Also ich bin sehr dafür, wenn man es gezielt schafft, doch die Erfahrung der letzten zehn Jahre zeigt, dass wir gezielt überhaupt nichts mehr zustande bringen, und deshalb, glaube ich, geht es nur, wenn man sagt, generell alle Subventionen um 10 Prozent kürzen. Ich glaube, es wird eine Diskussion in Gang kommen, dass man vielleicht danach sagt, jetzt müssen wir auch mal schauen, wo ist es sinnvoller, mehr kürzen, und wo ist es sinnvoller, möglicherweise selbst diese 10 Prozent wieder zurückzunehmen.

    Spengler: Also jetzt haben wir zwei Punkte. Einmal Subventionskürzungen ab dem 1. Januar, haben Sie gesagt, Steuerreformstufen vorziehen. Das alles aber entlastet ja noch nicht den Faktor Arbeit von den hohen Lohnnebenkosten. Was sollte man da machen?

    Rauen: Nein, wir begrüßen ausdrücklich die weitergehenden Beschlüsse der beiden Präsidien der Partei zum Arbeitsmarkt. Da gibt es ein paar Dinge, wo wir uns vorstellen, dass wir weitergehen könnten, weil es wirksamer wäre. Wenn man zum Beispiel sagt, dass ein Sozialhilfeempfänger, der definitiv arbeiten könnte, aber die Arbeit ablehnt, dann ist die Frage, ob es reicht, dass man ihm dann die Bezüge um 30 Prozent kürzt, dann kann man auch sagen, dann muss er sie um 100 Prozent gekürzt bekommen.

    Spengler: Aber wenn er ja so arm ist, dass er auf Sozialhilfe angewiesen ist, dann ist es ja ein Verfassungsgebot, dass er diese Sozialhilfe bekommen muss. Da kommen Sie ja gar nicht ran.

    Rauen: Ja gut, wir sprechen vom Recht auf Arbeit. Es gibt auch eine Pflicht zur Arbeit. Wenn einer definitiv arbeiten könnte aber eine Arbeit nicht annimmt, dann kann er keinen Anspruch haben auf die Solidargemeinschaft der anderen.

    Spengler: Aber Sozialhilfe ist ja auch Hilfe zum Lebensunterhalt.

    Rauen: Ja, natürlich, aber jeder ist auch gefordert, im Rahmen seiner eigenen Bestimmung auch etwas für seinen Lebensunterhalt zu tun. Wenn er das tun könnte, es aber definitiv nicht tut, ist es Böswilligkeit. Dafür kann er die Allgemeinheit nicht in Anspruch nehmen.

    Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio