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SPD-Bildungspolitik im Wahlkampf
Mehr Bildungskooperation von Bund und Ländern

Bildung ist bislang Ländersache. Aber SPD-Kanzlerkandidat Schulz meint: "Der Bund darf nicht an den Schultoren stehenbleiben". Er fordert unter anderem den Wegfall des grundgesetzlich verankerten Bund-Länder-Kooperationsverbots. Und bundesweit gleichwertige Schulstandards und -abschlüsse.

Von Christiane Habermalz | 28.08.2017
    Martin Schulz, SPD-Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der SPD zur Bundestaswahl (3.v.l.), spricht am 28.08.2017 in Berlin bei der Vorstellung des Entwurfs der SPD zu einer nationalen Bildungsallianz neben den Regierungschefs aus den SPD geführten Bundesländern Stephan Weil (l-r, Niedersachsen), Malu Dreyer (Rheinland Pfalz), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern), Dietmar Woidke (Brandenburg), Carsten Sieling (Bremen), Olaf Scholz (Hamburg).
    Bundes- und Landespolitik an einem Tisch - so stellt sich SPD-Kandidat Martin Schulz die Bildungspolitik vor, falls er am 24. September gewählt wird. Dafür will er unter anderem das Bund-Länder-Kooperationsverbot kippen. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Eigentlich gilt eine alte Regel des Politikbetriebs, dass Bildungspolitik nicht taugt für den Bundestagswahlkampf. Denn Schulpolitik ist Ländersache, auf Bundesebene kann man damit nicht punkten. Doch die SPD ist jetzt knapp vier Wochen vor den Wahlen ausgerechnet mit dem sperrigen Thema Kooperationsverbot noch einmal in die Offensive gegangen.
    Zwölf Milliarden Euro zusätzlich für Schulen und Berufsschulen vom Bund verspricht Kanzlerkandidat Martin Schulz in einer nationalen Bildungsallianz, die er heute gemeinsam mit den SPD-Ministerpräsidenten vorstellte – Voraussetzung: Das Kooperationsverbot, das es dem Bund qua Verfassung verbietet, in die Schulen zu investieren, muss fallen.
    Bundesweit vergleichbare Schulstandards und -abschlüsse
    "Wir wollen einen kooperativen Bildungsföderalismus", sagt Schulz. "Der Bund darf nicht an den Schultoren stehenbleiben. Bildung, meine Damen und Herren, muss auch im Bund endlich wieder die oberste Priorität bekommen. Dafür brauchen wir eine große, eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen."
    In seinem Sieben-Punkte-Eckpapier fordert Schulz zudem bundeseinheitliche Leistungsstandards an den Schulen und bundesweit vergleichbare Schulabschlüsse. In der nächsten Wahlperiode sollen zudem alle Grundschüler Anspruch auf einen Ganztagschulplatz haben.
    Malu Dreyer (SPD): Ganztagsschule unter Merkel sträflich vernachlässigt
    Bundeskanzlerin Angela Merkel habe das Thema Ganztagschulen in den letzten zwölf Jahren sträflich vernachlässigt, kritisiert die frühere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, seit kurzem Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Nur 34 Prozent der Grundschüler hätten einen Ganztagsschulplatz, dabei würden sich 80 Prozent der Eltern einen wünschen:
    "Und das heißt ganz konkret in der Realität, dass viele Eltern endlich einen Kita-Platz für ihre Kinder bekommen, und dann kommt das Kind zur Schule wie in diesen Wochen, und auf einmal steht es um 13 Uhr vor der Tür mit einem Rucksack voller Hausaufgaben, aber einem leeren Magen. Und das ist ein echtes Problem."
    Damit Deutschland ein modernes Bildungsland bleibe, müssten alle Schulen zudem mit WLAN, Smartboards und digitalen Lernprogrammen ausgestattet werden.
    Digitale Schulen, kostenfreie Kitas und Unis
    Die SPD will außerdem die Kita-Gebühren abschaffen: Bildung soll auf allen Ebenen kostenfrei sein, von der Kita bis zum Studium. Das sei eine der wichtigsten Voraussetzungen für wirkliche Chancengerechtigkeit, erklärte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller:
    "Unabhängig von der Herkunft der Eltern und vom Geldbeutel muss man die Chance haben, diese Wege gehen zu können. Dazu gehört Infrastruktur, dazu gehört Ausstattung, dazu gehört ganz entscheidend auch eine Gebührenfreiheit, die wir in Berlin auch umgesetzt haben, von der Kita bis zur Hochschule, auch um soziale Ungleichheiten zu überwinden."
    CDU hält Kippen des Kooperationsverbots für unnötig
    Die Abschaffung des Kooperationsverbotes ist eine alte SPD-Forderung, die jedoch immer an der Union gescheitert ist – aber auch am grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann - und gewiss auch am Widerstand mancher SPD-Landespolitiker. Das Grundgesetz müsste dafür geändert werden – was nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich ist.
    Dass diese in einer neuen Legislaturperiode zustande kommt, ist eher unwahrscheinlich. Die Union hat dem Vorstoß der Sozialdemokraten auch umgehend eine Absage erteilt. Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer verweist darauf, dass auch mit Kooperationsverbot Bundesgeld in die Schulen gelenkt werden kann: Erst vor kurzem mit dem 3,5-Milliarden-Paket für die Schulsanierung in finanzschwachen Kommunen, das Anfang Juni im Rahmen des Bund-Länder-Finanzpaktes von der Großen Koalition beschlossen wurde. Und: Angleichung der Bildungsstandards. Wollen wir auch, spätestens seit Pisa, nur nicht nach unten, sagte Kretschmer:
    "Jeder normale Mensch hätte daraus gefolgert, dass jetzt dringend auch in Bremen und in NRW und in anderen SPD-regierten Länder endlich der Schuss gehört wird, und man jetzt versucht, ein Bildungssystem ähnlich wie in Bayern oder in Sachsen aufzusetzen, das ist nicht passiert."
    Özdemir: Kein vernünftiger Grund gegen Bund-Länder-Zusammenarbeit
    Anders dagegen der Grünen-Spitzenkandidat Cem-Özdemir: Es gebe keinen vernünftigen Grund dafür, dass Bund und Länder nicht zusammenarbeiten dürfen, um gleichwertige Lebensverhältnisse und damit auch gleiche Bildungschancen für alle zu schaffen, sagte er der Passauer Neuen Presse.