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Kopfschuss der Pressefreiheit

Die Philippinen sind hinter dem Irak das weltweit gefährlichste Land für Journalisten. 13 Presseleute wurden allein im vergangenen Jahr ermordet - meist weil sie Korruption und Verbrechen der Mächtigen aufdeckten. Doch kein einziger Mordfall wurde seit 1986 aufgeklärt. Oftmals stecken dabei die Behörden mit den Killern unter einer Decke.

Von Ronald Meinardus |
    Ein dunkler Fleck überschattet das helle Bild des Presse-Pluralismus. Reihenweise wurden in den zurückliegenden Jahren philippinische Journalisten ermordet. Für 2004 allein beläuft sich die blutige Bilanz auf 13 getötete Medienarbeiter. In den ersten drei Monaten diesen Jahres starben weitere vier philippinische Journalisten - in jedem Fall durch gezielte Kopfschüsse. In einer Statistik der Internationalen Journalistenföderation in Brüssel nehmen die Philippinen mittlerweile den Rang des zweitgefährlichsten Landes für Journalisten ein - unmittelbar nach dem vom Krieg verwüsteten Irak.

    "Viele Journalisten in der Provinz sind in höchstem Maße gefährdet und verwundbar. Die Kollegen sind überzeugt, dass außerhalb (der Hauptstadt) Manila das Rechtssystem schwach ist und eine so genannte Kultur der Gewalt um sich gegriffen hat, die dazu beiträgt, dass Journalisten bedroht, eingeschüchtert oder einfach umgebracht werden."
    Das sagt Carlos Conde, der Generalsekretär der Nationalen Union der Philippinischen Journalisten (NUJP). Streiten Journalistengewerkschaften in anderen Ländern maßgeblich für die sozialen und wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder, geht es Carlos Conde und seinen Kollegen derzeit ums blanke Überleben. Sie fordern ein Ende der Morde und ein hartes Durchgreifen der Polizei. Sie empört das Versagen der Polizei, die Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Seit der Wiederherstellung der Demokratie 1986 wurden in den Philippinen über 60 Journalisten ermordet. Nicht ein einziges Verbrechen ist bis heute aufgeklärt, nicht ein einziger Mörder verurteilt und hinter Gitter gebracht. Die Regierung müsse endlich Ergebnisse produzieren, sagt auch Jose Pavia, der Herausgeber der Lokalzeitung Mabuhay.

    "So viel Gerede, so viele Verordnungen, doch sehr wenige Handlungen. Nicht eine einzige Verhaftung hat es gegeben, die Regierung muss endlich was tun, weniger reden und Ergebnisse vorweisen."

    Journalistenverbände und Menschenrechtsschützer werfen der Regierung nicht nur Versagen bei der Strafverfolgung vor, Carlos Conde von der Nationalen Journalistengewerkschaft sieht gar Ansätze einer Komplizenschaft mit den Killern:

    "Viele der Verdächtigen sind mächtige, Lokalpolitiker, Drogenhändler mit Verbindungen zu Lokalpolitikern. Nicht selten sind die Killer als Offiziere der Polizei identifiziert worden, oder (wir wissen), das sie Verbindungen zur Polizei oder zum Militär haben. Daher ist es nicht überraschend, dass die Regierung gleichsam instinktiv diese Dinge dementiert, denn wenn sie es nicht täte, hätte sie vermutlich mehr Probleme am Hals als jetzt."

    Die gezielten Tötungen finden fest durchweg in den ländlichen Gebieten statt. Die Opfer sind in der Regel Journalisten, deren Enthüllungen korrupte Praktiken und illegale Machenschaften der Mächtigen vor Ort in Bedrängnis bringen. Fern der Hauptstadt Manila sind die Städte und Gemeinden eng verwobene Gemeinschaften, die Politik ist personenbezogen -und allzu oft fechten die Kontrahenten ihre Differenzen gewaltsam aus. Dabei geraten Journalisten, die sich für Hungerlöhne verdingen und somit anfällig sind für Korruption, oft zwischen die Fronten - nicht selten, so räumt Carlos Conde ein - lassen sie sich instrumentalisieren.

    "Viele Journalisten, vor allem auf dem Lande, und vor allem im Radio, lassen sich von Politikern aushalten. Sie werden als Angriffsköter angestellt, vor allem im Wahlkampf. Wir sehen das immer wieder, dass einige einseitig berichten, und dass schafft viele Probleme. Hier in der Gewerkschaft sind wir mit dem Problem konfrontiert, wenn jemand getötet wird und eine Beschwerde erfolgt, es bisweilen heißt: doch der war doch gar nicht sauber, er stand auf der Gehaltsliste dieses oder jenen Politikers. Unsere Position ist klar, dass selbst wenn er nicht sauber gewesen sein mag, nicht nach ethischen Regeln gearbeitet hat, Tod ist keine Lösung."

    Derweilen warnen besorgte Filipinos, die Gewalt schüchtere die Journalisten ein und wirke wie indirekte Zensur. Wenn Journalisten um ihr Leben fürchten, könne von einer freien Presse keine Rede sein, so Herausgeber Jose Pavia, der am Ende gar die philippinische Demokratie als ganzes in Gefahr sieht.