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Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz
Lob und Kritik für EuGH-Urteil

Unternehmen haben das Recht, ihren Mitarbeiterinnen das Tragen von Kopftüchern am Arbeitsplatz zu verbieten. Das hat der Europäische Gerichtshof in gleich zwei unterschiedlichen Fällen entschieden. Allerdings müssen dafür bestimmte Bedingungen erfüllt sein.

Von Kai Küstner | 14.03.2017
    Eine Frau mit Kopftuch bei der Arbeit.
    Laut des EuGH haben Firmen durchaus das Recht, ihren Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. (picture-alliance/ dpa / Fredrik von Erichsen)
    Es waren gleich zwei Urteile, die der Europäische Gerichtshof zum Thema "Kopftuch bei der Arbeit" zu fällen hatte. Die Kernbotschaft der beiden Entscheidungen lautet: Durchaus haben Unternehmen das Recht, muslimischen Frauen das Tragen der Kopfbedeckung zu verbieten – allerdings müssen dafür Bedingungen erfüllt sein: Unter anderem die, dass der Arbeitgeber generell seinen Angestellten untersagt, in der Firma Zeichen einer religiösen oder politischen Überzeugung zur Schau zu tragen. Diese allgemeine Regel muss das Unternehmen dann auch, ohne eine bestimmte Religion zu benachteiligen, durchsetzen. Es müssen also, erklärt EuGH-Sprecher Hartmut Ost, alle gleich behandelt werden:
    "Sollte sich herausstellen, dass eine Gruppe besonders benachteiligt wird, bedarf es einer besonderen Begründung. Wie etwa der, dass das Unternehmen Kunden gegenüber neutral auftreten möchte. Außerdem muss im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein."
    Verhältnismäßigkeit muss gegeben sein
    In einem der konkreten Fälle, die der EuGH zu entscheiden hatte, ging es um eine Frau muslimischen Glaubens, die als Rezeptionistin bei einer Sicherheitsfirma in Belgien tätig war. Ihr Arbeitgeber verbot ihr das Kopftuch-Tragen. Als sie darauf bestand, wurde ihr gekündigt. Die Richter hatten nun darüber zu befinden, ob dies eine Ungleichbehandlung aufgrund ihrer Religion darstellte. In ihrem Urteil machen die Richter deutlich, dass sie das Interesse des Unternehmens, Kunden gegenüber "ein Bild der Neutralität zu vermitteln" durchaus anerkennen. Und zwar insbesondere dann – heißt es in der Begründung – "wenn nur die Arbeitnehmer einbezogen werden, die mit den Kunden in Kontakt treten". Das war bei der belgischen Rezeptionistin der Fall. Allerdings stellt der EuGH in seiner Entscheidung auch klar:
    "Der bloße Kundenwunsch, nicht mehr von einer Mitarbeiterin mit Kopftuch betreut zu werden, ist kein zulässiger Grund, ihr zu kündigen."
    Genau über diese Problematik hatten die Richter in einem zweiten Fall, der in Frankreich spielt, zu befinden.
    Der EuGH hat also nun zu definieren versucht, unter welchen Umständen ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zulässig wäre. Ein Urteil, das durchaus auch Auswirkungen auf Deutschland haben wird. Denn EuGH-Juristen geben mit ihren Entscheidungen die Richtung für die Rechtsprechung in allen EU-Staaten vor.
    Lob und Kritik
    Lob für das Urteil gab es vom Vorsitzenden der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber von der CSU, der in dem Richterspruch ein klares Zeichen dafür sieht, dass "in Europa die Werte Europas gelten" würden. Die Religionsfreiheit sieht Weber dadurch nicht beschnitten. Durchaus eingeschränkt sieht die hingegen das Brüsseler Büro der Evangelischen Kirche in Deutschland. Und die Anti-Diskriminierungs-Beauftragte des Bundes, Christine Lüders, befürchtet, künftig könnte muslimischen Frauen der Zugang zum Arbeitsmarkt durch das Urteil erschwert werden.
    Meist wird in Sachen Kopftuch darüber gestritten, ob der Staat seinen Angestellten, also zum Beispiel Lehrerinnen oder Polizistinnen, dies grundsätzlich verbieten sollte. In diesem Fall jedoch ging es um Privatunternehmen. Was die Rechtsprechung angeht, so verbietet zum Beispiel Frankreich sämtlichen Staatsbediensteten, sich zu verhüllen oder zu verschleiern.
    In Deutschland ist die Regelung von Bundesland zu Bundesland verschieden. Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch kürzlich entschieden, dass der Staat muslimischen Lehrerinnen das Tragen eins Kopftuchs nicht pauschal verbieten darf.