Sonntag, 05. Mai 2024

Archiv


Kornblum: Amerikanische Militärhilfe für ägyptische Armee sehr wichtig

Die amerikanische Militärhilfe ist wichtig für die Stabilität in Ägypten, sagt der ehemalige US-Botschafter in Deutschland John Kornblum. Das ägyptische Militär müsse unterstützt werden, damit in dem Land kein Bürgerkrieg ausbreche.

John Kornblum im Gespräch mit Christoph Heinemann | 22.08.2013
    Christoph Heinemann: Und wegen der Zeitverschiebung haben wir kurz vor dieser Sendung John Kornblum in den USA erreicht. Ich habe den früheren US-Botschafter in Deutschland gefragt, wieso Washington im Gegensatz zu vielen EU-Staaten die Militärhilfe nicht aussetzt.

    John Kornblum: Ja, ich glaube, die Begründung ist Folgendes: Anders als mit der EU, die amerikanische Militärhilfe ist die große Unterstützung für die Armee und auch für die Stabilität in Ägypten. Und wie Sie wissen, in Europa und auch in Amerika sind die Vorgehen der letzten Wochen sehr umstritten, es gibt Menschen, die sagen, wir sollten die Militärs nicht unterstützen, et cetera et cetera, aber im Moment kann man auch nicht wollen, dass die Lage sich in einen Bürgerkrieg weiterentwickelt. Und deshalb ist es wichtig, dass die Militärs, selbst wenn ihr Vorgehen sehr umstritten ist, auch stabil bleiben, und dafür ist die amerikanische Militärhilfe sehr wichtig.

    Heinemann: Die USA verfügen traditionell über exzellente Verbindungen zum ägyptischen Militär. Hätte eine klarere Stellungnahme aus Washington die Eskalation der vergangenen Tage verhindern können?

    Kornblum: Na, das könnte sein, aber ich glaube, Washington würde sagen, sie haben eine sehr klare Stellungnahme abgegeben. Die Worte in der Presse, und ich nehme an, auch privat, sind ja sehr klar gewesen. Aber wie Sie wissen, die Militärs sind überzeugt, und auch, ich würde sagen, eine ziemlich große Zahl der Ägypter selber, dass die muslimische Bruderschaft, das heißt, die islamische Partei, nicht an die Macht kommen sollte, und dass sie auch ihre Rolle an der Macht etwas missbraucht haben. Es ist eine sehr heikle Lage, und es ist eine Lage, die leider nicht nur in Ägypten es wieder geben wird, sondern auch in Syrien, auch in anderen Teilen im Nahen Osten, und es zeigt, dass für den Westen eine sehr große Herausforderung jetzt da steht, der Spagat zwischen Stabilität und auch Menschenrechten sozusagen, zumindest zu verstehen, sodass man auf der einen Seite nicht in einen Bürgerkrieg reinschlittert, wie es leider der Fall ist in Syrien, auf der anderen Seite auch die politischen Werte und die politische Richtung richtig versteht.

    Heinemann: Herr Kornblum, war die Absetzung des gewählten Präsidenten Mursi ein Putsch?

    Kornblum: Na ja, die Vereinigten Staaten wollen das als Putsch nicht bezeichnen. Sie wollen das eher als politische Maßnahme bezeichnen. Ich glaube, man kann sich streiten, ob es ein Putsch war oder nicht, aber es war wie gesagt ein Schritt, der in Ägypten sehr populär war, und der aus der Sicht von vielen notwendig war, um den Rutsch von Ägypten in eine ganz andere Richtung zu blockieren.

    Heinemann: Die ägyptische Führung hält zwei Trümpfe in der Hand. Sie kann sich Hilfe in Russland holen und damit Moskaus Einfluss in der Region stärken, und sie könnte das zarte Pflänzchen der israelisch-palästinensischen Annäherung zertrampeln. Sitzt Kairo am längeren Hebel?

    Kornblum: Nein, ich glaube nicht. Erstens, ich sehe keine russische Rolle in Ägypten, das, meine ich, ist etwas weit hergesucht. Und zweitens, ich glaube nicht, dass Ägypten im Moment sehr an israelisch-palästinensische Beziehungen denkt, sondern Ägypten denkt hauptsächlich innenpolitisch im Moment. Sie versuchen, die Lage zu stabilisieren, und sie versuchen, wenn Sie so wollen, Unterstützung im Ausland für ihre Politik zu gewinnen. Ob das ihnen reicht, weiß ich nicht, aber ich glaube nicht, dass sie im Moment große geopolitische Überlegungen haben.

    Heinemann: Vor einem Jahr zog Barack Obama eine rote Linie in Syrien für den Fall des Einsatzes von Chemiewaffen. Giftgas wird dort vermutlich eingesetzt, passiert ist bisher nichts. Wie oft kann ein US-Präsident die Backen aufblasen, ohne dann laut zu werden?

    Kornblum: Ja, das ist jetzt eine große Herausforderung für Obama. Im Moment meint man, das meinen viele, dass er diese rote Linie nicht hätte ziehen sollen, weil er nicht wissen konnte, wie die Lage sich entwickeln würde. Aber jetzt mehren sich die Zeichen, dass Giftgas benutzt worden ist. Und Sie hatten recht, wenn der amerikanische Präsident so eine Linie gezogen hat, und wenn es ganz klar ist, dass diese Linie überschritten worden ist, dann steht er vor einer sehr schwierigen Wahl. Aber wie gesagt, wir kommen wieder auf den Punkt, den wir vorher gemacht haben, dass die Amerikaner mal wieder die führende Macht sind, aber der Westen im Allgemeinen steht vor vielen schwierigen Wahlen, weil die Instabilität in diesen Ländern wächst, die Möglichkeit einer klaren Lösung ist ja nicht gegeben. Und es ist nicht klar, welche Mittel jetzt, ob es, im Moment hat man sehr viele starke Worte gegeben, die EU hat jetzt die Militärhilfen blockiert - okay, gut. Aber die Frage ist: Welche sind die Hebel, die man benutzen kann, um einen solchen quasi bürgerkriegsähnlichen Zustand wie in Syrien zum Beispiel, es ist nicht klar, welche Hebel man hat.

    Heinemann: Herr Kornblum, ein anderes Thema noch zum Schluss: Bradley Manning, der Mann, der die Internetplattform Wikileaks mit militärischen und diplomatischen Dokumenten versorgt hat, ist gestern zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt worden. Halten Sie diese Strafe für angemessen?

    Kornblum: Es ist schwer zu sagen. Es ist weniger, als man hätte verhängen können, und ich bin sicher, dass die Strafe ziemlich hoch ausgefallen ist, wenn man auch ein Beispiel erstatten wollte, das heißt, man möchte nicht sagen, dass man bei solchen Sachen, auch wenn die Umstände von Herrn Manning alles andere als, wollen wir sagen, vorsätzlich waren, man wollte nicht, dass man meint, dass man eine milde Strafe bekommt. Die Strafe ist hart, aber sie ist natürlich dem Ausmaß des Vergehens angemessen.

    Heinemann: Glauben Sie, dass mit diesem Urteil mögliche künftige Whistleblower abgeschreckt werden?

    Kornblum: Ja, Whistleblower würde ich unbedingt nicht hier benutzen, ich finde, das ist ein falsches Wort. Das ist jemand, der das Gesetz gebrochen hat. Ein Whistleblower ist jemand, der Missstände sieht in der Verwaltung, in der Durchführung von Programmen, und darauf hier Achtung bringt. In diesem Fall hat er das Gesetz gebrochen, und sogar sehr schwer. Und ich glaube tatsächlich, dass diese Strafe wahrscheinlich andere zum Überlegen bringt, bevor sie was Ähnliches machen.

    Heinemann: Müssen die USA ihre Sicherheitsarchitektur überprüfen, wenn die Bedrohung inzwischen auch von den eigenen Bürgern ausgeht, wie der Fall Manning oder Snowden zeigt?

    Kornblum: Na, Sicherheitsarchitektur ist ein etwas unklares Wort. Ich glaube, was hier passiert, und das ist schon mehrmals in der Presse und anderswo kommentiert worden, ist, dass in einer total digitalisierten Ära, das heißt, wo mehr oder weniger alle Informationen frei verfügbar sind, und wir sehen zum Beispiel auch im Beispiel von dem NSA-Skandal, dass es nicht möglich ist, auch für eine große Regierung, alle ihre Geheimnisse zu schützen. Und das bedeutet, dass der Umgang mit Informationen tatsächlich geändert werden muss. Aber wie und unter welchen Umständen und mit welchen Mitteln das passieren sollte, glaube ich, ist nicht nur für Regierungsmitglieder, sondern auch für Experten nicht ganz klar.

    Heinemann: Das Gespräch mit dem ehemaligen US-Botschafter John Kornblum haben wir kurz vor dieser Sendung aufgezeichnet. Abermals hören und nachlesen können Sie dieses Gespräch unter dradio.de.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.