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Korrekturen an Hartz-IV-Gesetzen

Jürgen Liminski: Das Wort Basta kommt aus dem Spanischen, ist eine Imperativform und leitet sich von dem Verb "bastar" (genügen, ausreichen) ab. "Basta" heißt also, es reicht. So eine Basta-Verfügung erreichte uns gestern aus Rumänien. Am Rande seines Besuches dort ließ Bundeskanzler Schröder kategorisch, also in Befehlsform, verlauten, es werden keine weiteren Korrekturen in der Arbeitsmarktreform Hartz IV geben. Ähnlich äußerte sich Wirtschaftsminister Clement. Die Union trägt die Korrekturen mit. Nun könnte es aber sein, dass das Gesetz doch noch geändert wird, wenn es nämlich gegen die Verfassung verstößt, oder wenn der Protest anhält oder anschwillt. Wie weit geht der Konsens zwischen Union und Regierung? Das fragen wir gleich den Vorsitzenden der Sozialausschüsse der CDU Hermann-Josef Arentz. Zunächst mal guten Morgen.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Hermann-Josef Arentz: Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Arentz, Auszahlung also Anfang Januar und Kinderfreibetrag ab der Geburt, nicht erst ab dem 15. Lebensjahr. Es gibt also keine Zahlungslücke, und die Sparbücher der Kinder bleiben unangetastet. Sind Sie damit zufrieden?

    Arentz: Ich meine, es ist eine nackte Selbstverständlichkeit, dass die Langzeitarbeitslosen im nächsten Jahr nicht elf, sondern zwölf Mal ihre Leistungen ausbezahlt bekommen. Dafür sollte sich die Regierung jetzt nicht feiern lassen, sondern sie sollte sich schämen, dass sie überhaupt etwas anderes geplant hatte. Was die Kinder angeht, so muss man immerhin sagen, es ist ein Freibetrag von 4100 Euro, und was mehr auf den Sparbüchern der Kinder liegt - das kann durchaus sein, wenn jemand 25, 30, 35 Jahre gearbeitet hat, gut verdient hat und danach das Pech hat, arbeitslos zu werden -, das muss eben auch geopfert werden. Also das ist zwar in Ordnung, was da gemacht worden ist, aber die eigentlichen Probleme von Hartz IV beseitigt das nicht.

    Liminski: Was sind diese eigentlichen Probleme?

    Arentz: Ich glaube, die beiden zentralen Probleme sind, dass die versprochene Gleichzeitigkeit des Förderns und Forderns zum 1. Januar 2005 nicht in Kraft tritt. Das heißt im Klartext, die Leistungen für Langzeitarbeitslose werden massiv gekürzt, aber die versprochene, verbesserte Förderung und Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit wird nicht stattfinden. Das heißt, viele ältere Arbeitslose haben überhaupt keine andere Chance als erst mal auf der Substanz zu leben, ihre Ersparnisse zu verbrauchen, weil die bei aller Arbeitsbereitschaft keine Arbeit finden werden. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass es einfach ein unverschämt niedriger Betrag ist. Wenn nur 200 Euro pro Lebensjahr als Ersparnis für das Alter unangetastet bleiben, heißt das doch im Klartext, dass jemand, der ein ganzes Leben lang gespart und gearbeitet hat, im Grunde im Anschluss an die Arbeitslosigkeit arm wie eine Kirchenmaus in Rente geht. Die Arbeitslosigkeit im Alter wird zum großen Gleichmacher in Deutschland, und das finde ich absolut nicht in Ordnung. Deswegen wird diese Regierung auch keine Ruhe kriegen. Die Leute haben jetzt bemerkt, wenn genug Druck ausgeübt wird, ändert die Regierung ihre Pläne. Der Druck wird wachsen, weil die Leute das nicht akzeptieren, was hier beschlossen worden ist.

    Liminski: Der Druck geht weiter, und Sie sagen, substanzielle Punkte sind nicht gelöst. Werden Sie das Gesetz denn weiter so mittragen, wie es jetzt ist, in dieser Form?

    Arentz: Die beiden Punkte, die die Regierung vorgeschlagen hat, sind gegenüber dem jetzigen Zustand Verbesserungen, aber die Verbesserungen machen ein grottenschlechtes Gesetz Hartz IV nicht am Ende wirklich gut, und deswegen werde ich der Union empfehlen, das so nicht mit zu tragen.

    Liminski: Auch im Bundestag? Es sollte ja als Gesetz in den Bundestag kommen.

    Arentz: Die beiden Punkte mögen ja in Ordnung sein, aber das ganze Ding ist faul. Solange nicht die Regierung sicherstellen kann, dass erstens mindestens 1000 Euro pro Lebensjahr für die Altersvorsorge unangetastet bleiben, und zweitens dass gleichzeitig das Fördern und Fordern beginnt, solange - finde ich jedenfalls - kann man Hartz IV nicht zustimmen.

    Liminski: Fördern und Fordern heißt ja, dass man die Wirtschaftspolitik ändert, um den Arbeitsmarkt zu ändern. Ist das nicht eine Forderung, die man nicht so einfach erheben kann? Man muss ja sozusagen die ganze Politik umstoßen.

    Arentz: Es gehören in der Tat eine Reihe von Punkten dazu. Dazu gehört erstens, dass das Verhältnis zwischen Langzeitarbeitslosen und Stellenvermittlern beziehungsweise Case-Managern oder Fallmanager, wie das in modernem Deutsch heißt, deutlich verbessert wird. Heute kommen 400 bis 500 Arbeitslose auf einen Vermittler, das passt vorne und hinten nicht. Der zweite Punkt ist, dass notfalls auch in der Verantwortung der Arbeitsverwaltung oder der Kommunen Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies alles war versprochen, und nun erklärt Herr Clement und die Bundesregierung, also vor 2006 sei daran auf breiter Front überhaupt nicht zu denken. Nur: Bis 2006 werden die meisten Langzeitarbeitslosen ihre ganzen Ersparnisse schon verbraucht haben müssen, weil sie erst die Leistung dieses Arbeitslosengelds II bekommen, wenn sie nur noch diese 200 Euro Spargroschen pro Lebensjahr aufzuweisen haben. Deswegen finde ich, ist es im Grunde fast so etwas wie ein staatlich verordnetes Enteignungsprogramm für Menschen, die das Pech haben, im höheren Alter arbeitslos zu werden.

    Liminski: Die Gewerkschaften wollen noch die Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitsstellen abschwächen. Sie auch?

    Arentz: Das halte ich für problematisch. Ich verstehe die Bedenken der Gewerkschaften, weil ja im Gesetz drin steht, dass die Leistung oder das Einkommen bis zu 30 Prozent unter dem Tariflohn zumutbar sein soll. Auf der anderen Seite ist es ja letztlich eine Kombination des eigenen Einkommens mit der Unterstützungsleistung durch Hartz IV. Deswegen, finde ich, ist das nicht der Punkt, der jedenfalls meinen Widerspruch hervorruft.

    Liminski: Hartz IV in der jetzigen Form wird zunächst Geld kosten. 800 Millionen werden geschätzt - andere schätzen noch mehr. Auf jeden Fall ist das Geld, das dem Haushalt fehlt, in dem die Einsparungen ja schon mit 1,4 Milliarden eingestellt waren. Der Haushalt ist, wie Eichel so schön sagt, auf Kante genäht, und die Opposition hat das ja auch gerügt. Die Stabilitätskriterien sind so wohl nicht mehr zu erfüllen. Was ist Ihnen lieber, Verstoß gegen Maastricht oder harte Reformen?

    Arentz: Das ist keine Alternative. Die Regierung muss mit dem Sparen bei sich selber und in der Verwaltung und in der Bürokratie anfangen. Wenn der Finanzminister - man könnte es positiv sagen - so kühn ist - man könnte es aber auch etwas zugespitzter sagen -, so verantwortungslos ist, dem Bundestag einen Haushalt vorzulegen, wo nur elf Mal Arbeitslosengeld II pro Jahr eingerechnet sind, obwohl das Jahr zwölf Monate hat und der Haushalt, wie Eichel selber sagt, auf Kante genäht ist, dann muss er dem Parlament jetzt einen Weg vorlegen, wie er das Problem lösen will. Einen weiteren Marsch in die zunehmende Neuverschuldung, fände ich völlig verantwortungslos.

    Liminski: Ihr Kollege Austermann hat den Haushalt Eichels auch als nicht konform mit der Verfassung bezeichnet. Nun scheint die Verfassungswidrigkeit programmiert. Was soll denn nun geschehen? Werden Sie Vorschläge zum Sparen an anderer Stelle machen? Soll der Haushalt verfassungswidrig bleiben?

    Arentz: Der Haushalt darf nicht verfassungswidrig bleiben, und wir erwarten, dass die Bundesregierung ihrer Verantwortung nachkommt, einen verfassungsgerechten Haushalt vorzulegen. Wo kommen wir denn hin, wenn es sozusagen zur Pflichtaufgabe der Opposition wird, dafür zu sorgen, dass ein Haushalt verfassungsgerecht ist, weil die Regierung offensichtlich nicht mehr in der Lage dazu ist. Ich finde, eine Regierung, die das nicht mehr schafft, kann eigentlich nur noch die Sachen zusammenpacken und gehen.

    Liminski: Was machen Sie, wenn die Verfassungsrichter feststellen, dass Hartz IV gegen die Eigentumsgarantie verstößt und in die Vertragsfreiheit eingreift? Tragen Sie dann die Reform immer noch mit?

    Arentz: Ich habe Ihnen ja eben gesagt, dass ich die Reform in diesem Zustand, wie sie sich heute befindet, nicht mittrage. Deswegen werde ich sie dann weiterhin nicht mittragen.