Ich erinnere mich, wie es vor 25 Jahren war, als Auslandskorrespondent zu arbeiten. Da begann der Tag mit dem Ohr am knarzenden Kurzwellenradio mit den Nachrichten der BBC aus London. Die Agenturen kamen über Fernschreiber, die meterlange Papierschlangen ausspielen. Und die Beiträge übermittelten wir telefonisch. Wie haben sich die Zeiten geändert.
Der Tag des Washington-Korrespondenten beginnt heute mit dem Blick aufs Smart-Phone: Eilmeldungen checken, die hier news alert heißen. Mails auswerten. Newsletter aufklicken. Blogs lesen. Tweetdeck: Was kam in der Nacht aus dem Trump-Lager? Was aus dem Clinton-Lager? Erst dann der Blick in die Agenturen. Da läuft schon der längst der Fernseher. CNN. MSNBC. CBS. Alle großen Nachrichtensender. In Kurzfassung über Videoclips der Sender-homepages. Anschließend der erste Kaffee. Und – wie vertraut – der Blick in die Washington Post und die New York Times, die viele Kollegen nur noch auf ihren Smart Phones lesen. Ich kriege das Arbeiten mit Papier einfach nicht mehr aus meiner journalistischen DNA.
Die Kollegen in Deutschland sind sechs Stunden voraus. Ihren Zeitvorsprung holt kein USA-Korrespondent auf. Trotzdem müssen die Kolleginnen und Kollegen zuhause frische Einschätzungen erwarten können.
Die Politik hat sich verändert. Ist vernetzter geworden. Schneller. Es gibt heute viel mehr Akteure. Und "die Öffentlichkeit" ist eine andere geworden: Öffentlich ist, was sich im Netz bewegt. Atemberaubend.
Damit hat sich auch die Arbeit der Auslandskorrespondenten verändert. Die Ansprüche sind gestiegen. Nicht nur an die Schnelligkeit. Oder an die technischen Fähigkeiten: Digitale Audio-Produktion. Social Media. Videoclips.
Videoclip: Thilo Kößler bei der Vertonung eines Beitrags im Studio Washington
Videoclip: Thilo Kößler mit Aufsager am Grenzzaun Arizona/Mexiko
Je schneller sich das Nachrichtenkarussell dreht, desto solider, analytischer, hintergründiger muss die journalistische Arbeit heute sein. Der Hektik des politischen Geschäfts muss der Auslandskorrespondent Entschleunigung entgegenhalten. In unseren Programm allemal.
Deshalb wird eines niemals zu ersetzen sein: Das persönliche Gespräch mit denen, die mehr wissen als ich. An die big shots der amerikanischen Politik kommen die deutschen Auslandskorrespondenten in der Regel nicht heran. Aber an die Vor- und Nachdenker in den Think Tanks, Universitäten, Stiftungen.
Soviel hat sich dann vielleicht doch nicht verändert in unserem Job: Wer hier arbeitet, sollte einfach die Augen offenhalten. Auch, wenn sie einem manchmal zufallen.
Ausgewählte Beiträge der letzten Wochen von Thilo Kößler:
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Trump-Wähler in Arizona John, der Rancher
Hamtramck Erste US-Gemeinde mit muslimischer Mehrheit
US-Wahlkampf Trump ist demokratieunfähig
Eklat beim TV-Duell Clinton – Trump War es das für Trump?