Archiv


Korrespondentin Adler: Rückkehr zur Kooperation mit den USA

Deutschlandradio-Korrespondentin Sabine Adler ist der Ansicht, die massenhafte Begeisterung für Obama in Berlin sei Ausdruck der Sehnsucht der Deutschen nach einem guten Verhältnis zwischen beiden Ländern. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe die "Obamania" erst sehr spät für sich genutzt. Vor dem Hintergrund der gestrigen Siegessäulen-Rede des US-Kandidaten wirkte der Streit um den Austragungsort im Vorfeld "unglaublich kleinlich", so Adler.

Moderation: Sabine Adler |
    Elke Durak: "Amerika hat keinen besseren Verbündeten als Europa, jetzt ist die Zeit, weltweit neue Brücken zu spannen, die so stark sind wie die, die uns über den Atlantik verbinden." Das war Barack Obama gestern in Berlin. Worte, deutlich genug für die deutsche Politik, für die Europäer, denn Obama hat von notwendigen gemeinsamen Opfern auch gesprochen, von mehr Verantwortung, hat direkt Afghanistan genannt und mehr Truppen gefordert, auch von den Europäern. Hat das politische Berlin diese Botschaft und die anderen verstanden? Diese Frage ging heute Morgen an Sabine Adler aus unserem Hauptstadtstudio.

    Sabine Adler: Davon gehe ich ganz fest aus. Ich fand auch noch eine Botschaft ganz wichtig, die eng in Zusammenhang damit steht, nämlich dieses Bild, was er natürlich gerade in Berlin benutzt hat, da passt es auch so gut hin: Lassen Sie uns Mauern einreißen zwischen Nationen, Ethnien, Rassen, Christen, Muslimen und Juden, zwischen alten Verbündeten. Er spielt also an auf die Konflikte zwischen den Kulturen, zu denen es ja in Zeiten des Terrorismus gekommen ist, und dem Konflikt zwischen denen, die eigentlich durch gemeinsame Werte verbunden sind und natürlich immer all das in Anlehnung an das Berliner Schicksal der Luftbrücke und Mauer.

    Durak: Und er hat ganz deutlich eigentlich - wer es hören wollte, konnte es hören - gesagt, Afghanistan betreffend: Wir brauchen mehr Truppen aus Europa. Sind den deutschen Politikern die Folgen klar für unsere künftige Politik, falls er Präsident wird?

    Adler: Davon gehe ich fest aus. Diese Gedankenspiele werden ja natürlich längst angestellt und natürlich ist ja auch die Begeisterung aus dem amerikanischen Wahlkampf in Deutschland nicht übersehen und überhört worden. Man muss sich darauf einstellen, dass dieser Mann möglicherweise eben der Präsident wird. Aber man weiß eben auch, dass Forderungen, die ein Präsident stellt, nicht abgelehnt werden, weil einem die Nase nicht passt, sondern weil sie natürlich in der deutschen Innenpolitik auch vermittelt werden muss. Das heißt also: Die Forderung nach größeren Truppenstärken in Afghanistan - mit dieser Forderung rechnet man. Ihr trägt man zum Teil auch natürlich in Deutschland Rechnung, weil man ja sieht, wie die Situation vor Ort in Afghanistan ist und ist auch bereit, seinen Teil zu tun. Und einem Barack Obama zuliebe wird man die Truppen nicht weiter aufstocken können, wenn der Bundestag, also das Parlament, das die Armee eben in die Einsätze schickt, dagegen ist.

    Durak: Und doch haben ja die Bundeskanzlerin und auch der Außenminister, also Frau Merkel und Herr Steinmeier, gestern nach ihren Gesprächen außenpolitische Gemeinsamkeiten gesehen. Welche sind das, die wichtigsten?

    Adler: Ich glaube, die wichtigste Gemeinsamkeit ist die - und damit verbindet sich natürlich auch eine Hoffnung -, dass man wieder zurückkehrt zur Kooperation statt zur Konfrontation, so hat es der Außenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD formuliert. Und wenn man sich diese Botschaften aus der Rede anhört, zum Beispiel, dass wir unseren Kindern nicht eine Welt übergeben dürfen, in der die Ozeane über die Ufer treten, also deshalb die CO2-Emissionen senken müssen, dann muss man sagen: Das hört man natürlich in Berlin sehr genau. Da hört man zu, aber diese Worte haben wir von vielen Präsidenten gehört und die Frage wird sein, ob sich dieses Vorhaben, dieser Anspruch tatsächlich eben ummünzen lässt in Neuverhandeln von einem Nachfolgeprotokoll von Kyoto und dann eben auch die Unterschrift darunter. Das heißt also, Worte werden natürlich immer viele gemacht, aber es kommt dann darauf an, wie man wirklich gemeinsam auf internationaler Bühne das Ganze in Taten münden lassen kann.

    Durak: Lassen Sie uns noch einen Augenblick bei Frau Merkel bleiben. Wie fällt denn aus Ihrer Sicht die politische Ernte dieses Besuchs für die Kanzlerin aus, die ja eigentlich eine bekennende Bush-Frau ist?

    Adler: Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin ganz zum Schluss noch die Kurve gekriegt hat, indem sie in ihre Begründung noch einmal wiederholt hat, warum nicht das Brandenburger Tor. Sie lag mit der Begeisterung für Obama, die sich ja auch längst in Deutschland verbreitet hat, daneben, sie hat dieses Gefühl nicht so richtig erfasst. Und vor diesem Hintergrund wirkte dieser Streit in der Tat unglaublich kleinlich. Dann sorgte sie aber doch zuletzt für dieses schöne Bild aus dem Bundeskanzleramt, da wurde auch nichts dem Zufall überlassen, zum Beispiel die Farbe des Blazers passte dann eben doch rein zufällig auch zum Gemälde hinten an der Wand, vor der die beiden standen. Und sie hat etwas gesagt am Tag zuvor, also am Mittwoch, dass sie von Obama gelernt hat, wie man Wahlkampf so erfolgreich führen kann indem man zum Beispiel das Internet einsetzt und einen Wahlkampf eben so schwungvoll führt. Ich glaube aber, das, was unter dem Strich aus diesem Obama-Besuch in Berlin doch zu lernen ist oder festzuhalten ist, das ist diese große Sehnsucht der Deutschen - ob Frau Merkel sie verspürt, weiß ich jetzt nicht, aber auf jeden Fall vielleicht einen Wunsch -, dass nämlich das Verhältnis zwischen Amerika und Deutschland wieder besser wird, dass man nach diesem zermürbenden, langen Streit, nach dieser langen Missstimmung, endlich einen neuen Anfang schafft. Und das war zu spüren gestern an der Siegessäule.

    Durak: Sabine Adler aus unserem Hauptstadtstudio.