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Korrupte Pharmariesen in China

Die großen internationalen Arzneimittelhersteller hat es in den vergangenen Jahren nach China gezogen. Die Branche gilt jedoch als hochkorrupt. Nun geht die Regierung den ersten Unternehmen an den Kragen. Vier chinesische Manager von GlaxoSmithKline sitzen bereits in Haft.

Von Silke Ballweg | 07.09.2013
    Er fühlt den Puls der jungen Frau, schaut sich ihre Zunge an. Doktor Yang in Peking untersucht eine Patientin. Die ist wegen Rückenschmerzen zu ihm gekommen, außerdem fühlt sie sich matt und abgeschlagen. Der Arzt meint: Ihr Körper sei schwach und habe nicht genug Energie. Er verordnet Medikamente. Zur allgemeinen Stärkung.

    Fast 80 Euro sollen die insgesamt kosten, in China ist das viel. Fast ein Fünftel dessen, was einfache Arbeiter verdienen. Statt die Medikamente in der krankenhauseigenen Apotheke zu kaufen, wirft die junge Frau das Rezept enttäuscht in den Mülleimer. Die hohen Kosten kann und will sie nicht aufbringen:

    "Ich fühle mich zwar ein bisschen komisch, weil ich jetzt Sorge habe, dass ich ernsthaft krank bin und nichts dagegen tue. Aber die Medikamente sind so teuer. Ich würde ja 40 Euro zahlen, aber 80 Euro, das ist einfach so viel Geld."

    Erfahrungen wie diese sind in China kein Einzelfall. Im Gegenteil: Medikamente in der Volksrepublik sind teuer, die Preise im Schnitt wesentlich höher als auf dem Weltmarkt. Ein Grund dafür ist Chinas korrupte Gesundheitsbranche. Pharmaunternehmen, aber auch viele Ärzte und Krankenhäuser mauscheln, sagt Ren Jianming, Anti-Korruptionsexperte an einer der Pekinger Hochschule.

    "In den vergangenen Jahren wurden im Gesundheitssystem viele Reformen durchgeführt, die Krankenhäuser waren früher ein Teil des Wohlfahrtsstaates und wurden vom Staat finanziert. Mittlerweile aber werden sie kaum mehr unterstützt, sie bekommen nur noch rund zehn Prozent ihrer Kosten und müssen jetzt eigenständig wirtschaften. Das macht sie anfällig für Korruption."

    Geld machen die rund 13.000 Spitäler im Land etwa mit dem Verkauf überteuerter Medikamente. Und auch die Ärzte machen mit Rezepten ein Geschäft. Denn für jedes Medikament, das sie von einem bestimmten Pharmaunternehmen verordnen, erhalten sie einen kleinen Betrag – von genau dieser Firma.

    Schuld an dieser Misere ist unter anderem die schlechte Bezahlung der Mediziner. Junge Ärzte frisch von der Universität verdienen nicht viel mehr als 400 Euro im Monat. Und ihr Gehalt steigt über die Jahre auch nur langsam an. Wer kann, versucht sich nebenbei etwas dazu zu verdienen, sagt Professor Ren Jianmin:

    "Es gibt sogar noch ein Problem. Wenn man in einem Krankenhaus einen Arzt sehen will, muss man sich anmelden und dann warten. Die Registrierung kostet eigentlich nur ein paar Euro. Aber manche Ärzte lassen sich schmieren und behandeln Patienten dann ohne Registrierung. Ich finde deshalb, man müsste den Medizinern mehr Gehalt zahlen, dann wäre sie nicht so leicht korrumpierbar."

    Nun aber geht die Angst durch die Branche: Seit Kurzem geht die Regierung gegen ausländische Pharmaunternehmen vor. Gleich mehreren internationalen Firmen - darunter der britischen GlaxoSmithKline, Novartis aus der Schweiz und der US-Pharmafirma Eli Lilly – wirft sie unsaubere Geschäfte vor.

    Vier chinesische Manager von GlaxoSmithKline sitzen bereits in Haft. Der Konzern soll während der vergangenen Jahre fast 400 Millionen Euro aufgewandt haben, um Ärzte mit Geld, Geschenken und sexuellen Diensten zu bestechen. Liang Hong, der zweithöchste Vertreter des Unternehmens in China, ist einer der Inhaftierten. Aus dem Gefängnis heraus gab er dem chinesischen Staatsfernsehen ein Interview, in dem er Einsicht zeigt:

    "Wir haben so ziemlich alles in die Preise unserer Medikamente eingerechnet. Und jetzt denke ich, dass das falsch war. Auch die Schmiergelder wurden auf die Medikamente umgelegt, sie machten rund 20 oder 30 Prozent des Preises aus."

    Dass Chinas Regierung ausgerechnet jetzt gegen die westlichen Pharmariesen vorgeht, liegt an Chinas neuem Präsidenten XiJinping, meinen Beobachter. Denn er habe sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben und wolle mit dem Durchgreifen in dem heftig kritisierten Gesundheitswesen offenbar auch andere Branchen unter Druck setzen, heißt es weiter. Anti-Korruptionsexperte Ren Jianming nennt einen weiteren Grund:

    "Diese krummen Geschäfte passieren schon seit Jahren, niemand war von dem, was jetzt ans Licht kam, überrascht. Früher hat sich die Politik nicht getraut, gegen die Unternehmen aus dem Westen vorzugehen, weil man sie brauchte. Aber mittlerweile ist auch in China eine Pharmabranche entstanden, deswegen kann man die internationalen Konzerne jetzt an den Pranger stellen."

    China ist für Pharmakonzerne ähnlich lukrativ wie für Autobauer. Denn der Markt wächst rasant und könnte schon in wenigen Jahren den von Japan überholen. Dann würde nur noch auf dem Medizinmarkt in den USA mehr Geld gemacht. Nach Schätzungen von McKinsey könnten sich die Umsätze im Reich der Mitte bis zum Jahr 2020 fast verdreifachen – auf insgesamt rund 750Milliarden Euro. Beste Aussichten also - auch für Betrüger.