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Korruption in der Lokalpolitik
Regensburgs Oberbürgermeister sitzt in U-Haft

Er wurde in Untersuchungshaft genommen und von seinem Amt suspendiert - Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Der SPD-Politiker soll Parteispenden von einem Bauunternehmer kassiert und diesem im Gegenzug den Zuschlag für ein Filet-Grundstück zugeschachert haben. Ähnliche Vorwürfe gibt es gegen Alt-OB Hans Schaidinger von der CSU. Doch der läuft weiterhin frei herum.

Von Michael Watzke | 09.02.2017
    Bäume blühen am 18.04.2016 vor den Türmen des Doms St. Peter in Regensburg
    Böser Verdacht: Korruption und Filz hinter idyllischer Fassade? (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Vis-à-vis vom Regensburger Rathaus steht das Hofbräuhaus. Hier sitzt in einer kleinen, holzvertäfelten Nische regelmäßig Hans Schaidinger, der Regensburger Alt-Oberbürgermeister. Lokal-Journalist Stefan Aigner hat ihn neulich erst beobachtet:
    "Der Herr Schaidinger sitzt hier im Hofbräuhaus erst vor einer Woche mit einem Bau-Unternehmer, der unter seiner Ägide durchaus sehr erfolgreich war. Das Gelächter hat man hier bis in die hintersten Ecken gehört von den beiden. Der scheint sich auch noch sehr sicher zu fühlen."
    Der Regensburger Oberbürgermeister-Kandidat der SPD, Joachim Wolbergs. In der Affäre um Spenden von Bauunternehmern an seinen SPD-Ortsverein ist Wolbergs verhaftet worden.
    Der Regensburger Oberbürgermeister, Joachim Wolbergs, ist inzwischen suspendiert. (dpa/picture-alliance/Armin Weigel)
    Zumindest sitzt der CSU-Politiker Schaidinger weiterhin im Wirtshaus – und nicht im Knast wie sein Amtsnachfolger Joachim Wolbergs von der SPD. Kräftige Parteispenden haben beide kassiert. Der Unterschied: Schaidinger scheint ein schlauer Fuchs gewesen zu sein. Wolbergs dagegen?
    "Recht viel dümmer kann man es kaum anstellen. Man lässt diese Spenden über den eigenen Ortsverein laufen, dessen Vorsitzender man ist. Was schon auffällig ist. Man lässt Spenden in einer Auffälligkeit stückeln, dass es nicht mehr feierlich ist. Also wenn man sich die Spendenliste anschaut, dann liest sich die Liste wie 9.900 Euro, 9.900 Euro, 9.990 Euro, 9.000 Euro, 9.999 Euro..."
    Eine halbe Million vom örtlichen Immobilien-Mogul
    Die Veröffentlichungs-Grenze liegt bei 10.000 Euro. Aber 50 mal 9.990 Euro ergeben auch knapp eine halbe Million. Soviel soll der Regensburger Bau-Unternehmer Volker Tretzel, der mittlerweile selbst in U-Haft sitzt, dem Oberbürgermeister Wolbergs für dessen Wahlkampf gespendet haben. Im Gegenzug, so die Staatsanwaltschaft, soll der SPD-Politiker dem Bauunternehmer den Zuschlag für ein Filet-Grundstück in Regensburg zugeschachert haben. Die Vorwürfe scheinen so gewichtig zu sein, dass die Landesanwaltschaft den OB vor einigen Tagen sogar vom Amt suspendierte.
    "Die vorläufige Dienstenthebung greift mit sofortiger Wirkung. Sie gilt jetzt zunächst mal bis auf Weiteres, längstens bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens."
    Der Oberbürgermeister hinter Gittern, der Stadtrat in Aufruhr – und die Regensburger Bevölkerung fassungslos:
    "Ich hoffe, dass die eine gerechte Strafe kriegen. Und dass der Wolbergs seinen Hut nimmt. Muss er!"
    "Noch dazu der vorherige Oberbürgermeister auch mit drin. Also das ist wirklich nicht schön."
    Spende an den Ortsverein - Ehefrau des OBs führt die Kasse
    "Wolli, Wolli – mein lieber Scholli" dichtet die Regensburger Rap-Combo Liquid & Maniac. In der Subkultur-Szene der oberpfälzischen Stadt war Wolli Wolbergs beliebt, weil er Gelder für viele Underground-Projekte lockermachte. Das größte Underground-Projekt scheint allerdings die Kasse seines Ortsvereins gewesen zu sein. Die Regensburger SPD-Chefin Margit Wild wusste angeblich von nichts:
    "Wir haben in der Partei eine Entscheidung getroffen, auf Wunsch des Oberbürgermeister-Kandidaten Wolbergs, nicht wie bisher den Wahlkampf über den Stadtverband laufen zu lassen. Sondern es war sein Wunsch, dass es über seinen Ortsverband laufen soll. Weil wir natürlich wissen, jeder unserer 13 Ortsvereine hat einen Kassier."
    In Wolbergs Fall hieß dieser Kassier Anja Wolbergs, sie ist die Ehefrau des Oberbürgermeisters. Im Kommunal-Wahlkampf gab die örtliche SPD 1,2 Millionen Euro aus – fast so viel wie die Berliner SPD für die Senatswahl. Nur dass Berlin 3,5 Millionen Einwohner hat. Regensburg zählt gerade mal 138.000. Darunter ein paar mächtige Bau-Unternehmer. Der mächtigste: Volker Tretzel, großzügiger Mäzen des örtlichen Fußballclubs. Lokal-Journalist Stefan Aigner, der das Online-Medium regensburg-digital.de betreibt, liest aus einem Brief-Entwurf des Bauunternehmers vor:
    "Das ist an zwei hochrangige Mitarbeiter der Stadtverwaltung gerichtet. Und in diesem Schreiben betont er ausdrücklich, dass er den Verein nicht unterstützt, weil er ein großer Fußballfan wäre. Sondern deswegen, weil ihn die Stadtspitze vor etwa zehn Jahren, als der Verein kurz vor der Insolvenz stand, darum gebeten hatte."
    Und niemand in der Stadtverwaltung hat etwas geahnt?
    In dem Schreiben steht auch, dass Tretzel alljährlich 40 Prozent seines Nettogewinns in den Fußballverein investiere. Und dass es mit der nächsten Million schwierig werde, wenn er den Zuschlag für ein bestimmtes Baugebiet nicht bekomme. Zitat Ende. Viel Interpretations-Spielraum lässt das nicht. Und niemand im Stadtrat und der Stadtverwaltung hat etwas geahnt?
    "Ja, ist jetzt der Wolbergs mehr oder weniger schuld? Der sitzt jetzt da unten in der JVA drin – und wir haben alle nichts damit zu tun?"
    Fragte neulich in der Stadtratssitzung durchaus selbstkritisch Christian Schlegl, CSU, der im OB-Wahlkampf gegen Wolbergs verloren hatte. SPD-Chefin Wild antwortete:
    "Also, es ist ja klar: Jeder, der in der Politik tätig ist, der weiß, dass es in Regensburg große Firmen gibt, große Betriebe, die spenden."
    Aber immer nur 9.900 Euro? Landes-SPD-Schatzmeister Thomas Goger wurde stutzig – der hauptberufliche Staatsanwalt informierte seine Kollegen. Manche Genossen schimpften ihn daraufhin einen Nestbeschmutzer. Und die CSU?
    Die CSU gibt sich unschuldig
    "Bei uns wurde alles ordentlich verbucht. Über den Kreisverband, über ein OB-Konto. Und der Wahlkampf der SPD hat 700.000 Euro mehr gekostet als der von uns, ja?"
    Sagt Franz Rieger, der Kreisvorsitzende der CSU Regensburg. Fast scheint ihm ein Heiligenschein über dem Kopf zu schweben. Sein früherer Chef, der Alt-Oberbürgermeister Hans Schaidinger, hat in seiner Amtszeit so manchen seltsamen Immobilien-Deal ausgehandelt. Nach seinem Ausscheiden als OB stellte ihn der Immobilien-Mogul Tretzel als Berater ein. Für 20.000 Euro monatlich. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch hier, sagt Journalist Stefan Aigner:
    "Aber es ist ja immer ein Problem, dass Korruption sehr schwer nachzuweisen ist. Es ist ja selten so, dass die Leute darüber Schriftstücke anfertigen von irgendwelchen Absprachen."
    Und wenn doch? In Regensburg macht derzeit ein Scherz die Runde: dass hier, im Palermo der Oberpfalz, die Feinstaub-Belastung gestiegen sei. Weil so viele Akten verbrannt würden.