Montag, 29. April 2024

Archiv

Korruption in Griechenland
Ein hellenisches Dilemma

Dem Brief aus Athen ist zu entnehmen, dass es die neue griechische Regierung mit dem Kampf gegen Steuerflucht und Korruption ernst meint. Der neue Anti-Korruptions-Minister will in kurzer Zeit Milliardenbeträge von Steuerhinterziehern eintreiben und damit sein Land vor der immer noch drohenden Pleite retten. Doch es gibt viele Hürden.

Von Thomas Bormann | 26.02.2015
    Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras und Finanzminister Gianis Varoufakis
    Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras und Finanzminister Gianis Varoufakis (imago stock&people)
    Auf den neuen Anti-Korruptions-Minister Panagiotis Nikoloudis wartet viel Arbeit. Denn fast jeder Grieche kann ein eigenes Korruptions-Erlebnis
    erzählen. Diesen jungen Mann aus Athen traf es bei der Führerscheinprüfung:
    "Mein Fahrlehrer sagte vor der Prüfung: Wenn Du bestehen willst, dann bring einen Fakelaki mit, also einen kleinen Umschlag mit Bargeld drin. Die Fahrprüfung findet dann auf einem ebenen, großen Platz statt, ganz leicht. Wenn Du aber nichts gibst, geht's in eine Gegend mit Hügeln und steilen Straßen."
    300 Euro sind der übliche Tarif, um einen Führerscheinprüfer zu bestechen, sagt der junge Mann.
    Minister Panagiotis Nikoloudis will Griechenland von der Korruption befreien. Das ist seine Mission.
    Der 65-jährige Staatsanwalt war zuvor Chef der Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche. Er will zunächst einmal an die großen Fische heran, nämlich an diejenigen, die Millionenbeträge an Steuern hinterzogen haben:
    "Ich kann Ihnen sagen, dass wir 3.500 offensichtliche Fälle von Steuerhinterziehung haben. Dabei handelt es sich um Vermögenswerte von insgesamt sieben Milliarden Euro. Etwa 40 Prozent davon stehen dem Staat als Steuereinnahmen zu. Das sind gut zwei-einhalb Milliarden Euro. Doch der Staat kommt an diesen Schatz nicht heran, weil die Steuerfahndung nicht genügend Personal hat."
    Bislang arbeiten angeblich gerade mal 17 Steuerfahnder in ganz Griechenland an den großen Fällen. Minister Nikoloudis will so schnell wie möglich neue Fahnder einstellen und ausbilden, damit der Staat an die hinterzogenen Milliarden herankommt.
    Auch die Justiz muss mitziehen
    Doch es gibt noch mehr Hürden, warnt Konstantinos Boukaris. Er bekämpft schon seit Jahren die Korruption in Griechenland. Er ist Chef des Athener Büros von Transparency International und sagt:
    "Wir haben ein Problem mit unserer Justiz. Die Prozesse dauern sehr lange, weil dort sehr viele Fälle anhängig sind. Es sind Tausende Fälle."
    Wir müssen dieses Problem schnell lösen. Denn sonst kann es passieren, dass jemand wegen Korruption festgenommen wird, dass es das Gericht aber nicht schafft, ihn innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu verurteilen. Dann platzt der Prozess. Darum müssen wir uns kümmern, darauf müssen wir uns konzentrieren.
    Für den Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung werden Regierung und Justiz einen langen Atem brauchen, sagt Konstantinos Boukaris. Die Bevölkerung werde das unterstützen, denn:
    "Aus unseren Untersuchungen wissen wir, dass sich immer mehr Leute weigern, Bestechungsgelder zu zahlen. Etwa 20 Prozent der Befragten sagen: Wir wurden zwar aufgefordert zu zahlen, haben's aber nicht getan."
    Es bewegt sich also etwas in Griechenland:
    "Ich muss aber zugeben, dass das nur eine kleine Welle ist" , sagt Konstantinos Boukaris. "Wir brauchen einen Tsunami, damit sich wirklich etwas ändert."
    Diesen Tsunami will der neue Anti-Korruptionsminister Nikoloudis auslösen, denn ihm ist klar: Steuerhinterziehung und Korruption sind die Hauptursachen für die Schuldenkrise in Griechenland. Panagiotis Nikoloudis:
    "Leider hat es in unserem Land in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt keinen Kontrollmechanismus gegen Korruption gegeben, der einigermaßen funktionierte. Deshalb ist es fast ein Wunder, dass die Krise nicht viel früher ausgebrochen ist."
    Viele Griechen wünschen dem neuen Anti-Korruptions-Minister Erfolg in seinem Kampf gegen Korruption. Denn allzu gerne würden sie das Wörtchen "Fakelaki" als Inbegriff für Bestechungsgeld im Alltag aus ihrem Wortschatz streichen.