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Korruption in Kenia
Schmierstoff für die Wirtschaft

Viele Polizisten wollen vor Weihnachten noch ihre Haushaltskasse aufbessern - deshalb wird viel kontrolliert und deutlich mehr Schmiergeld bezahlt. Nicht umsonst steht Kenia ständig ganz oben auf den Korruptionslisten von Transparency International. Viele haben die Hoffnung auf einen Mentalitätswechsel aufgegeben.

Von Antje Diekhans | 09.12.2017
    Polizisten stehen am 14.11.2017 vor einer Absperrung vor dem Obersten Gerichtshof in Nairobi (Kenia), wo die Anhörung von Anträgen geplant ist, die den Wahlsieg von Präsident Kenyatta bei der Wiederholung der Präsidentschaftswahlen anfechten.
    "Wer mit dem Auto morgens zur Arbeit fährt, sollte immer ein paar kleine Scheine in der Tasche haben": Polizisten vor einer Absperrung vor dem Obersten Gerichtshof in Nairobi (dpa / picture alliance / Ben Curtis)
    Fast klingt es fröhlich, wie Kenias bekannter Sänger Eric Wainaina von "kitu kidogo" erzählt – den täglichen kleinen Bestechungsgeldern.
    Bei meiner letzten Ankunft in Nairobi war ich kaum raus aus dem Flughafen, als ich die - indirekt - zum ersten Mal gezahlt habe. Es gab eine lange Autoschlange vor dem Ticketautomaten am Parkplatz. Mein Taxifahrer drückte einem Wächter ein paar Shilling in die Hand. Schon durften wir ratzfatz durch eine andere Schranke fahren. Eine gute halbe Stunde für umgerechnet etwa 40 Cent gespart. Und der Wächter freut sich über etwas extra Geld für seine bestimmt große Familie. Win-Win, oder? Fängt da schon Bestechung an? Jedenfalls ist es der Schmierstoff für Kenias Wirtschaft. Damit haben sich die meisten abgefunden.
    Es ist eigentlich nicht richtig, meint dieser Mann. Aber so funktioniere eben das System. Andere haben weniger Skrupel. Ihm mache es nichts aus, ein kleines Schmiergeld zu zahlen, wenn er damit weiterkommt.
    Polizisten finden immer was
    Wer mit dem Auto morgens zur Arbeit fährt, sollte immer ein paar kleine Scheine in der Tasche haben. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit. Denn viele Polizisten wollen vor den Feiertagen gern noch ihre Haushaltskasse füllen. Es gibt deutlich mehr Kontrollen und immer finden sie etwas. Einen Kratzer in der Windschutzscheibe, einen Reifen mit angeblich zu wenig Luft. Wer wegen solcher Lappalien nicht einen ganzen Tag auf der Polizeiwache verbringen will, zahlt besser.
    Dabei ist übrigens – wie bei allem in Kenia – unbedingt Handeln angesagt! Gerade wer wenig Geld hat, ärgert sich natürlich besonders über die Zusatzausgaben – zahlt aber meist zähneknirschend.
    "Es hängt davon ab, wie verzweifelt ich bin", sagt sie. "Wir sind in Kenia - was soll man da anderes erwarten."
    Politiker schaufeln sich die Taschen voll
    Ja, eben Kenia. Ständig ganz oben auf den Korruptionslisten von Transparency International. Weniger wegen "Kitu Kidogo" – diesen kleinen täglichen Schmiergeldern. Sondern wegen der ganz großen Korruption. Immer wieder werden neue Skandale aufgedeckt. Riesige Summen, die verschoben werden und mit denen Politiker sich die Taschen voll machen. In Dürrezeiten wird über undurchsichtige Kanäle Mais exportiert. Später klagt die Regierung, dass die Bevölkerung nicht ernährt werden kann und ruft nach internationaler Hilfe.
    Vor vielen Jahren gab es mal einen ernsthaften Versuch, damals zum ersten Mal unter dem früheren Präsidenten Kibaki, gegen Korruption vorzugehen. Es gab Aufbruchsstimmung. Menschen protestierten lautstark, wenn Schmiergeld verlangt wurde. Für ein paar Wochen ging es plötzlich auch ohne … bis zum nächsten großen Bestechungsskandal der Politik. Damit war der kleine Funke Hoffnung wieder erloschen und alles zurück auf Anfang.
    Der "Bestechungssektor" ist einer der umsatzstärksten in Kenia – und das scheint vorerst so zu bleiben. Vom kleinen Taschengeld für die Polizisten bis zum großen Schmiergeld für Politiker – die Kenianer kennen es nicht anders. "Kitu Kidogo" bestimmt das Leben hier. Und da machen alle eben gute Miene zum alten Spiel.