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"Korruption ist wie eine Krankheit in die globalisierte Wirtschaft eingezogen"

Der Präsident der Organisation "Transparency International", Peter Eigen, bezeichnete Bestechlichkeit als einen der wichtigsten Gründe für Armut, Gewalttätigkeit, Verelendung und Hoffnungslosigkeit vieler Gesellschaften. Deshalb müssten die reichen Staaten systematisch und rigoros gegen die Korruption ihrer Exporteure vorgehen.

    Klein: Die Appelle sind das eine, aber viele Untersuchungen zeigen auch: Trotz gewaltiger Summen, die nach Afrika geflossen sind, ist es nicht gelungen, die Armut wirksam zu bekämpfen. Viel hilft also offenbar nicht viel. Dennoch will Tony Blair beim bevorstehenden G-8-Gipfel in Gleneagles eine Initiative starten mit dem Ziel, die Entwicklungshilfe zu verdoppeln und den ärmsten Staaten vor allem in Afrika rund 50 Milliarden Dollar Schulden zu erlassen. Warnungen davor sind nicht nur von afrikanischen Wissenschaftlern und Beobachtern auf dem Kontinent zu hören. Die Frage ist auch, welche Rolle spielt bei den Problemen in Afrika die Korruption, auch als Kriterium für Schuldenerlass und Kreditvergabe? Am Telefon ist der Begründer und Präsident der Organisation Transparency International Peter Eigen. Herr Eigen, weshalb plagt sich Afrika eigentlich immer noch und schon so lange mit der Korruption herum?

    Eigen: Das ist viele Jahrzehnte lang systematisch betrieben worden, zum Teil auch von den Unternehmen aus Deutschland und anderen Unternehmen aus den reichen Ländern, die sogar ihre Bestechungszahlungen von den Steuern abziehen konnten. Das hat sich erst seit 1999 geändert, und inzwischen ist die Korruption wie eine Krankheit in die globalisierte Wirtschaft eingezogen. Es wird einige Zeit dauern, bis sie daraus wieder beseitigt werden kann. Das ist eine gemeinsame Aufgabe des Nordens und des Südens.

    Klein: Also kann man sagen, dass die bisherige Entwicklungshilfepraxis die Korruption in Afrika befördert hat?

    Eigen: Das kann man sagen, weil man eben bisher weitgehend die Korruption als ein Phänomen ausgeblendet hat, denn die Regierungen etwa in Deutschland hatte das Gefühl, dass es notwendig für deutsche Exporteure in Afrika ist zu bestechen. Deswegen haben sie den deutschen Exporteuren das erlaubt. Unsere ganze Kampagne dagegen unter der Kohl-Regierung, Rexrodt usw. lief gegen eine Betonwand, weil man meinte, das muss so sein. Deswegen durften auch die Entwicklungsorganisationen einschließlich Weltbank damals nicht systematisch gegen die Korruption vorgehen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert, aber das war viele Jahre das Konzept, was dann auch die Entwicklungshilfepolitik in diesen Ländern sehr unterminiert hat.

    Klein: Dennoch gibt es nach wie vor Klagen, auch vom afrikanischen Kontinent selbst, von Beobachtern, von Wirtschaftswissenschaftlern, von andern, die sagen, es ist nach wie vor so, es fließt sehr viel Geld in das Land, und es ist nicht klar, dass es wirklich an die Projekte geht, für die es gedacht ist, sondern korrupte Herrscher bereichern sich daran. Außerdem wird der gesamte Markt auch in Afrika selbst geschwächt. Das heißt, das Problem der Korruption, ist ja nach wie vor weiter vorhanden, und es wird offenbar noch zu wenig getan.

    Eigen: Da haben Sie völlig Recht. Der Unterschied von unserer Position, von Transparency International, und der bestimmter Kreise im Norden ist, dass wir sagen, dass es eine gemeinsame Verantwortung ist, die wir nicht nur den Afrikanern in die Schuhe schieben können. Da müssen wir uns gemeinsam bemühen, diese großangelegte Korruption, die in der Tat immer noch ihr Unwesen treibt, zu kontrollieren, und dazu gehört eben, dass im Süden Antikorruptionsreformen eingeführt werden, die übrigens Frau Wieczorek-Zeul voll unterstützt, was aber ein langfristiger Prozess ist, der übrigens auch für die Reformländer im Osten zutrifft, also für die Ukraine, Tschechien, Rumänien usw.

    Klein: Man hat eher den Eindruck in den letzten Jahren gehabt, dass korrupte Herrscher in Afrika eben gerade nicht in die Verantwortung eingebunden werden. Man hat es zwar versucht, auch mit diesem NEPAD-Prozess. Man sagt ja, man will Entwicklungshilfe abhängig machen von gutem Regieren, von Rechtstaatlichkeit. Dennoch sind die Fortschritte offensichtlich viel zu gering. Also was ist dann falschgelaufen?

    Eigen: Diese NEPAD-Prozess ist noch sehr jung. Es ist bis jetzt erst zwei Länder unter NEPAD untersucht worden. Ich war da, als das in Nigeria besprochen wurde bei der Afrikanischen Union. Jedenfalls ist das eine völlig neue Richtlinie, die von den Afrikanern selbst ausgeht, dass man nämlich die Bad Governance in Afrika ausmerzen möchte, und es ist sehr gut, dass man sich darüber im Klaren ist. Ich bin der Letzte, der das bestreitet. Auch in Länder, wo man sich um die Korruptionsbekämpfung sehr bemüht, wie in Nigeria oder Kenia zum Beispiel, sind die Fortschritte so langsam, dass viele Beobachter von außerhalb das Gefühl haben, da geschieht überhaupt nichts, das ist alles nur reine Kosmetik und in Wirklichkeit geht alles so weiter, wie es immer war. Aber das ist falsch, wenn dieser Eindruck entsteht. Ich kenne die Situation sehr gut, und ich kann Ihnen sagen, es hat sich vieles geändert. Gerade NEPAD ist ein gutes Beispiel dafür und dieser Peer-Review unter NEPAD. Vor Jahren hätte man das Wort Korruption kaum in den Mund nehmen können. Aber jetzt gestehen die Regierungschefs sich selbst ein, dass sie da unheimlich an ihren Systemen zu arbeiten haben.

    Klein: Können Sie ein Beispiel geben dafür, wie Kampf gegen Korruption in einem Land funktioniert, wo Sie selber daran beteiligt sind?

    Eigen: Selbstverständlich. Also wir ändern Gesetze und Institutionen. Um ein Beispiel zu geben, wenn eine große Ausschreibung ist, wo etwa zehn große internationale Bauunternehmen sich darum bemühen, einen Staudamm zu bauen, der vielleicht 500 Millionen Dollar kosten soll, da denkt jeder von diesen Anbietern, dass die anderen bestechen. Wir richten dann zusammen mit der lokalen Regierung einen so genannten "Integritätspakt" ein, in dem diese zehn Unternehmen sich vertraglich untereinander verpflichten, keinerlei korrupte Zuwendungen zu machen. Das wird bewährt durch sehr schlimme Strafen, zum Beispiel schwarze Listen. In der Weltbank gibt es inzwischen 200 Unternehmen, die sich auf schwarzen Listen befinden, die keine Aufträge von der Weltbank finanziert bekommen. Andere Strafen sind zum Beispiel der Verfall der Sicherheiten, die bei den Angeboten hinterlegt werden müssen, pauschalisierte Schadenersatzmöglichkeiten für die Anbieter, die den Auftrag verlieren, weil die anderen bestechen. Sehr wichtig ist die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Beobachtung dieser Reformen.

    Wenn das nur die Regierungen tun, haben sie keinerlei Glaubwürdigkeit, abgesehen davon, dass sie keine Reichweite haben. Häufig sind die Regierungen, zum Beispiel die deutsche Regierung, nicht in der Lage, ihre eigenen Firmen daran zu hindern, in Kenia jemanden zu bestechen. Diese mangelnde Reichweite der staatlichen Regierungen in einer globalisierten Wirtschaft versuchen wir zu ergänzen durch eine aktive der Zivilgesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen, die wir überall in diesen Ländern haben. Wir haben ungefähr 100 nationale Sektionen, und wenn in Kenia etwa ein solcher Integritätspakt abgeschlossen wird, dann werden die das beobachten, ob die Ausschreibungen den Regeln entsprechen, und werden das offen legen. Das machen wir inzwischen in über 60 Ländern.

    Klein: Welches Signal muss aus Ihrer Sicht von dem G-8-Gipfel ausgehen, um Entwicklungshilfe sinnvoll werden zu lassen, sinnvoll sein zu lassen, um Korruption zu bekämpfen?

    Eigen: Das Signal muss sein, dass Korruption der wichtigste Grund für die Armut in der Welt ist und für Gewalttätigkeit, Verelendung und Hoffnungslosigkeit vieler Gesellschaften, und dass man deswegen gemeinsam gegen diese Korruption vorgehen muss. Das bedeutet, dass die reichen Staaten ganz intensiv und rigoros gegen die systematische Korruption vorgehen, die immer noch von ihren Exporteuren ausgeht. Wenn Sie mit einem deutschen Exporteur sprechen, der wird Ihnen sagen, in Nigeria, in Saudi-Arabien oder in Indonesien läuft überhaupt nichts ohne Korruption. Das heißt, die sind immer noch darauf eingestellt, sich innerlich mit dieser Korruption anzufreunden und auf diese Weise Geschäfte machen zu wollen, obwohl es inzwischen seit 1999 Gesetze gibt, die das ausdrücklich verbieten in Deutschland. Das ist also eine gemeinsame Aufgabe. Dazu gehört aber natürlich auch, dass die korrupten Entscheidungsträger, die Politiker, die hohen Beamten in diesen Ländern, zum Beispiel in Afrika, daran gehindert werden, sich weiterhin zu bereichern. Im Augenblick sind es die Komplizen in einer unheiligen Allianz zwischen den Lieferanten aus dem Norden, die sie auf ihrer Payrole haben, die ihnen Millionenbeträge auf Schweizer Bankkonten überweisen und dabei die falschen Entscheidungen für die Wirtschaftspolitik treffen. Diese falschen Entscheidungen führen genau zu dieser Verarmung, die wir jetzt in Gleneagles bekämpfen wollen.

    Klein: Vielen Dank für das Gespräch.