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Korruptionswächter sieht von Pierer in Verantwortung

Transparency International weist dem scheidenden Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer entgegen dessen eigener Einschätzung eine Mitverantwortung für die Schmiergeldaffäre im Unternehmen zu. Zu seiner Zeit als Vorstandschef hätte er durchsetzen und überprüfen müssen, dass keine schwarzen Kassen angelegt werden, sagte Hansjörg Elshorst, Vorstandsvorsitzender von Transparency International Deutschland.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Nun klagt er also, der Vorsitzende des Siemens-Aufsichtsrates Heinrich von Pierer, der gestern seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. Öffentlichkeit und Behörden würden ihn unfair behandeln, schreibt er den Mitarbeitern des Unternehmens in einem Abschiedsbrief in einer E-Mail. Siemens und seine Mitarbeiter haben durch die Korruptions- und Schmiergeldaffäre mehrerer seiner Manager schwer Schaden genommen und nimmt weiter. Den Siemens-Aktien indes bekam der angekündigte Rücktritt. ( MP3-Audio , Bericht von Barbara Roth)

    Am Telefon ist Hansjörg Elshorst von Transparency International Deutschland. Guten Tag, Herr Elshorst.

    Hansjörg Elshorst: Guten Tag, Frau Durak!

    Durak: Inwiefern hilft es denn Siemens, dass von Pierer jetzt geht?

    Elshorst: Ich habe Sie nicht verstanden, Frau Durak.

    Durak: Inwiefern hilft es dem Unternehmen, wenn von Pierer jetzt geht?

    Elshorst: Ich glaube, es macht die Linie, die Siemens im Dezember entschieden hat, amerikanische Firmen zu holen, die Untersuchungen auf den ganzen Konzern auszudehnen auf Drängen von Herrn Cromme damals, macht es etwas glaubwürdiger. Man hört nicht mehr viel davon, aber die Arbeit geht vor sich, und wir werden sicherlich noch an der einen oder anderen Stelle Ergebnisse auf den Tisch kriegen, auch nicht unbedingt erfreuliche.

    Durak: Ist es tatsächlich möglich, dass diese ganzen Schmiergeldaffären und Geschäfte am Aufsichtsratsvorsitzenden vorbeigehen, dass ihn wirklich nichts erreicht?

    Elshorst: Am Aufsichtsratsvorsitzenden schon eher als am damals agierenden Vorstandsvorsitzenden von Pierer. Da muss man ja wissen, dass das, was jetzt untersucht wird, noch vor wenigen Jahren bis 1999 nicht illegal war. Er sagt ja heute, er kenne keine illegalen Tatbestände. Das heißt, da war etwas üblich, schwarze Kassen anzulegen, im Ausland zu schmieren, dafür Steuerabzugsfähigkeit in Anspruch zu nehmen, was dann illegal wurde. Und Herr von Pierer sagt im Klartext, ich bin davon ausgegangen, dass die Anweisung, das dann aufzuhören, damit Schluss zu machen, neu anzusetzen, dass die erfolgt ist. Das heißt aber offensichtlich auch, dass die Kontrolle über die Umsetzung dieser Anweisung nicht sehr befriedigend war.

    Durak: Und wenn das bis 1999 nicht illegal war, dann regt sich die Öffentlichkeit zu Unrecht auf, wenn es denn ums rein Rechtliche geht?

    Elshorst: Nein. Die Tatbestände, die jetzt untersucht werden, sind ja durchaus noch danach.

    Durak: Auch danach.

    Elshorst: Aus der Zeit, wo das schon verboten war, und zwar in 34 Ländern aufgrund einer großen Aktion, die mit dieser Korruption im Ausland Schluss machen wollte. Also die Öffentlichkeit regt sich völlig zu Recht auf. Nur von Pierer mag glauben, dass es ausgereicht hat zu sagen, jetzt ist es verboten, jetzt machen wir das nicht, obwohl es offensichtlich nicht konsequent umgesetzt worden ist.

    Durak: Das hieße aber, dass er sein Amt als Vorstandsvorsitzender nicht ordnungsgemäß ausgeführt hätte?

    Elshorst: Das heißt, dass er die Priorität, die er dem Thema Korruptionsbekämpfung in der Öffentlichkeit gegeben hat, er hat ja sogar Bücher darüber geschrieben beziehungsweise als Herausgeber gedient, die hat offensichtlich nicht mit derselben Konsequenz intern umgesetzt hat.

    Durak: Vielleicht hat er das gar nicht selbst geschrieben?

    Elshorst: Das mag sein, aber er hat seinen Namen als Herausgeber dafür hergegeben, und das ist ja auch nicht ohne Risiko, wenn man im Glashaue sitzt.

    Durak: Mangelt es bei Herrn von Pierer an einer Art Unrechtsbewusstsein oder an moralischen Kategorien, oder wie erklären Sie sich seine Denk- und Handelsweise?

    Elshorst: Ja. Zumindest scheint er zu glauben, dass es darum geht, ob er persönlich involviert war in Tatbestände, die möglicherweise tatsächlich nicht mit ihm abgestimmt werden mussten. Was da passiert ist, sind ja eine ganze Reihe von Üblichkeiten, Verträgen mit Beratern, die dann Schmiergelder weitergegeben haben, die natürlich nicht auf der Ebene des Vorstandsvorsitzenden verhandelt werden. Seine Verantwortlichkeit, das konsequent im Unternehmen durchzusetzen, die kann er nicht leugnen.

    Durak: Er ist mal von der Bundeskanzlerin großartig als Berater, als Chef eines Beraterteams sozusagen eingeführt worden vor Jahren. Sie sollte sich von ihm in dieser Funktion trennen, oder?

    Elshorst: Oder er sollte da auch zurücktreten. Das ist der rufschädigende Weg, aber es ist wohl fällig.

    Durak: Herr Elshorst, es gab ja vor einiger Zeit schon eine Art Selbstverpflichtung von deutschen Unternehmen, vor allem über so genannte corporate governments. Mit welchem Erfolg, wenn wir uns Siemens anschauen?

    Elshorst: Da ist ja Herr Cromme derjenige gewesen, der den Kodex, den die Unternehmen sich gegeben haben, verantwortlich mitgestaltet hat. Er war der Leiter der Kommission. Insofern ist es eine gute Nachricht, dass jemand, der hohe Standards gesetzt hat, jetzt auch offensichtlich die Verantwortung übernehmen wird. Allerdings waren wir schon damals bei diesem so genannten Cromme-Kodex nicht zufrieden mit der Art und Weise, wie mit Korruption umgegangen wurde. Das ist nicht mit der nötigen Priorität und Deutlichkeit angesprochen worden. Wir haben gefordert, dass es verbessert wird. Vielleicht hat Herr Cromme jetzt aus der Affäre gelernt und ergreift seinerseits auch in Bezug auf andere Firmen die Initiative.

    Durak: Oder weil die Unternehmer wissen, dass sie im Ausland kaum Geschäfte machen können, wenn sie nicht schmieren?

    Elshorst: Das gilt genauso wenig, wie man sagen kann, die Unternehmer sind alle weiße Engel und nur Siemens ist ein schwarzer Teufel. Wenn Sie sich alleine mal angucken: Wir haben einen Index, der die Firmen bewertet aus den 30 wichtigsten Industrieländern. Da schneidet Deutschland, obwohl es Exportweltmeister ist, dreimal so viel exportiert anteilig wie alle anderen, recht gut ab, ist im oberen Fünftel. Das kann eigentlich nur so interpretiert werden, dass die deutschen Firmen im Ausland nicht besonders korrupt sind oder als besonders korrupt wahrgenommen werden, muss man natürlich vorsichtigerweise sagen. Wir haben da eine große Umfrage gemacht. Und insofern bin ich der Meinung, das kann nicht so sein, dass man im Ausland nur dann Geschäfte macht, wenn man schmiert. Viele Aussagen von Unternehmen, die es ernst meinen, bestätigen das.

    Durak: Hansjörg Elshorst, der Vorstandsvorsitzende von Transparency International Deutschland. Besten Dank, Herr Elshorst, für das Gespräch.

    Elshorst: Ich danke Ihnen, Frau Durak.