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Koschyk: Wir wollen auch Freiberufler im Parlament haben

Hartmut Koschyk, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, hält die gegenwärtigen Pensionsansprüche von Abgeordneten für gerechtfertigt. Durch die vergleichsweisen hohe Altersversorgung wolle man beispielsweise auch Freiberufler und unabhängige Leute ermutigen, ins Parlament zu gehen.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Die Diäten und Pauschalen der Bundestagsabgeordneten: Aus der Sicht des Bundesbürgers geht es um ziemlich hohe Summen. Da ist die Neugier groß und manchmal wohl auch ein bisschen Neid dabei. Die Abgeordneten ihrerseits wissen, dass ihre Arbeit ihren Preis hat, und der ist eben nicht nur das eigene Gehalt. Gezahlt werden müssen auch Mitarbeiter, Büro im Wahlkreis, Wohnung in Berlin, Material, Kommunikation und einiges mehr. Dass das allerdings nicht so bleiben kann wie bisher, das sagen jetzt immer mehr. Dabei geht es vor allem um die vergleichsweise üppige Altersversorgung der Bundesparlamentarier. Derzeit haben Abgeordnete nach nur 8 Jahren im Bundestag einen Pensionsanspruch von 1.680 € monatlich.

    Zum Vergleich: Normalbürger müssen für diese Summe 64 Jahre lang eingezahlt haben. Nach 12 Jahren Bundestag liegt der Pensionsanspruch der Abgeordneten bereits bei 2.523 €. In Berlin beraten am Montag die Fraktionsspitzen beim Bundestagspräsidenten über das Thema. Bei uns am Telefon ist jetzt Hartmut Koschyk. Er ist parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag. Guten Morgen!

    Hartmut Koschyk: Guten Morgen Frau Simon!

    Simon: Herr Koschyk, wie groß ist denn das Einsehen in der Unionsfraktion, dass sich am Diätensystem etwas ändern muss?

    Koschyk: Wir sind der Meinung, dass wir zum Beispiel in dieser Legislaturperiode wenig Spielraum haben für eine Diätenerhöhung. Wir wissen zwar, dass wir als Abgeordnete zurzeit ungefähr 1.000 € unter dieser mal angestrebten Richtgröße R6B6 – das ist ein Richter an einem obersten Bundesgericht, ein Abteilungsleiter in einem Bundesministerium, ein Landrat, ein Oberbürgermeister – liegen. Wir müssen aber akzeptieren, dass sich auch im Beamtenbereich die Einkommen durch Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld zurückentwickeln. Deshalb sehen wir zurzeit keinen Spielraum, diese ursprünglich einmal angestrebte Richtgröße R6B6 zu erreichen.

    Wir meinen aber, dass die Altersversorgung der Abgeordneten auch damit etwas zu tun hat, dass Abgeordnete durchschnittlich acht Jahre im Parlament verweilen und wir wollen ja auch Menschen ermutigen, in die Politik, ins Parlament zu gehen, die zum Beispiel nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes sind, nicht Beamte sind und deren Versorgung quasi nicht weiter läuft und die dann nicht ein ganz normales Rückkehrrecht in die sichere Perspektive des öffentlichen Dienstes haben. Wir wollen auch unabhängige Leute, Freiberufler haben, die ins Parlament gehen. Deshalb ist es aus unserer Sicht schon angemessen, dass man, wenn man nur acht Jahre im Parlament verbleibt und in dieser Zeit in keinem anderen Versorgungssystem drin ist, dann auch die Versorgung erhält, die gegenwärtig festgelegt ist.

    Simon: Herr Koschyk, die Kritiker haben ja gar kein Problem mit höheren Diäten. Das ist ja oft sehr populistisch zu sagen, die Abgeordneten sollen nicht so viel verdienen. Sie sagen nur, ob das jetzt Kritiker aus anderen Parteien wie FDP und Grüne sind oder vom Steuerzahlerbund, es muss durchschaubarer werden, es muss umgeändert werden zum Beispiel wie in Nordrhein-Westfalen. Dort hat der Landtag die Diäten der Landtagsabgeordneten im letzten Jahr verdoppelt - das sind jetzt fast über 9.000 € -, aber alle Pauschalen gestrichen und die Abgeordneten müssen sich selber renten- und krankenversichern. Wäre das nicht die saubere Lösung?

    Koschyk: Die Versorgung von Abgeordneten kann kein Unterfall der deutschen Rentenversicherung sein. Abgeordnete und Parlamentarismus hat auch etwas mit Unabhängigkeit zu tun.

    Simon: Das kann man ja, wenn die Diät entsprechend hoch ist, dass man viel zur Seite legen kann?

    Koschyk: Ja. Nur Sie müssen sich mal vorstellen. Wir haben das mal errechnet. Würde man das nordrhein-westfälische Modell auf den Bundestag übertragen, hätten wir eine exorbitante Steigerung der Diäten. Ich bin sicher: Würden wir das ins Auge fassen, würde sofort eine öffentliche Debatte darüber einsetzen, ob dies machbar und richtig ist. Im Übrigen hat der Bundestagspräsident alle Landtagspräsidenten aus Deutschland eingeladen und von den 16 Landtagspräsidenten haben 15 gesagt, dass sie auch in ihren Landtagen das nordrhein-westfälische Modell nicht für übertragbar halten.

    Simon: Herr Koschyk Sie sagen, wir hätten eine exorbitante Steigerung. Wir können ja ruhig Zahlen nennen. Es ginge dann um über 12.000 €. Auf der anderen Seite: die Finanzierung der Pensionsansprüche der Abgeordneten, so wie sie jetzt läuft, ist ja auch eine sehr teuere Angelegenheit. Sie ist nur versteckt. Ist das ein Thema, wo man als Abgeordneter nicht offen darüber reden kann, oder warum ziehen Sie diese versteckte Finanzierung vor?

    Koschyk: Sie ist ja nicht versteckt. Wenn Sie sich einmal angucken, wie sich die Altersentschädigung von Abgeordneten entwickelt – und die Abgeordnetenentschädigung entspricht ja der Richtgröße R6, oberster Bundesrichter, oder B6, Kommunalbeamter, Landrat, Oberbürgermeister, Abteilungsleiter in einem Bundesministerium – und wenn Sie sich einmal anschauen, wie sich die Versorgung von Beamten mit der Besoldung R6B6 entwickelt, dann sehen Sie, dass dies nahezu identisch ist mit dem, was Abgeordnete zum Beispiel nach 18 oder 24 Jahren erreichen. Dass die Abgeordneten-Altersentschädigung zum Beispiel nach acht Jahren höher ausfällt, hat eben etwas damit zu tun, dass ein Abgeordneter, der nur acht Jahre im Parlament verbleibt, danach zum Beispiel auch neue Anstrengungen unternehmen muss, um im Alter, wenn er mit 65 dann aus dem Erwerbsleben nach seiner Abgeordnetentätigkeit ausscheidet, auch eine angemessene Altersversorgung hat.

    Es hat etwas damit zu tun, dass Abgeordnete in der Regel nicht 12, 18, 24 Jahre im Parlament, sondern nach statistischem Mittelwert eben nur kurzzeitig im Parlament bleiben. Das wollen wir doch! Wir wollen doch nicht, dass die Abgeordnetenkarriere so aussieht, dass jemand ein ganzes Berufsleben im Parlament verbringt, sondern wir wollen, dass Menschen auch kurzfristig zur Verfügung stehen für ein Mandat auf Zeit in die Politik zu gehen. Das muss man dann auch durch eine angemessene Versorgung für kurzzeitigeres Verweilen in Parlamenten sicherstellen.

    Simon: Das heißt aber für den kommenden Termin beim Bundestagspräsidenten, für eine grundlegende Reform der Diäten ist die Union im Bundestag derzeit nicht zu haben?

    Koschyk: Wir sind offen, über alles zu diskutieren. Nur wir glauben, dass man nicht so tun sollte, als würde bei der gegenwärtigen Altersversorgung der Abgeordneten gemauschelt, würde etwas versteckt. Es ist eine transparente Altersversorgung, wo jeder genau sehen kann, in welchen Zeiträumen man welche Versorgungsstufe erhält. Ich sage noch mal: Man kann die Abgeordneten-Altersversorgung nicht als einen Unterfall der Rentenversicherung ansehen, sondern es hat etwas damit zu tun, dass wir auch Menschen, die nicht aus dem öffentlichen Dienst sind, die auch aus einer beruflichen Selbständigkeit zeitweise ins Parlament gehen, gewinnen, diesen Sprung in die Politik auch auf Zeit zu wagen.

    Simon: Herr Koschyk, bis nächsten Donnerstag sollen ja die Nebeneinkünfte der Parlamentarier veröffentlicht werden. Das geht auf ein altes Gesetz zurück. Wird das am Montag auch beraten, wenn über Diäten gesprochen wird?

    Koschyk: Ich glaube, dass dies nicht im Mittelpunkt stehen wird, weil hier haben wir eine klare gesetzliche Grundlage. Das ist ja etwas, was es immer schon gegeben hat, dass Nebentätigkeiten anzuzeigen sind. Wir haben zurzeit nur eine Diskussion, dass wir eine Regelung haben, wo sich immer mehr zeigt, dass sie nicht praktikabel ist. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen.

    Simon: Herr Koschyk, dafür haben wir leider nicht die Zeit. Wir sollten aber vielleicht sagen, es geht ort um die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte in drei großen Einkommensstufen.

    Koschyk: Und da muss man zum Beispiel sehen, dass ich es nicht für praktikabel halte, wenn ein Abgeordneter nebenbei selbständig ist, dass er dann zum Beispiel Geschäftsbeziehungen der Gestalt veröffentlicht. Ich will es mal an einem Beispiel benennen. Wenn er im Autohandel tätig ist, müsste er nach den gegenwärtigen Regelungen offen legen, mit wem er einen Vertrag über den Verkauf eines Autos schließt. Da meine ich ist man etwas übers Ziel hinausgeschossen und dagegen wenden sich zurzeit Abgeordnete aus allen Fraktionen in einer Klage beim Bundesverfassungsgericht.

    Simon: Das war Hartmut Koschyk, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag. Vielen Dank Herr Koschyk und auf Wiederhören!

    Koschyk: Auf Wiederhören!