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Kosmischer Kamikaze-Kurs

Astronomie. - 43.000 Kilometer sind in kosmischem Maßstab eine Winzigkeit. So nahe aber kam im März 2004 der neu entdeckte Asteroid 2004 FH an der Erde vorbei geflogen. Dass die Erde vor Urzeiten häufiger von Brocken aus dem All getroffen wurde, ist sicher, und dass es jederzeit wieder passieren kann, nicht unwahrscheinlich. Unter dem Namen Don Quijote erwägt die Raumfahrtorganisation Esa derzeit ein Projekt zur Untersuchung der erdnahen Asteroiden, das unter anderem testen soll, wie sie von ihrem Kurs abgebracht werden können.

14.04.2004
    Einige Tausend so genannter erdnaher Asteroiden gibt es in etwa 100 Millionen Kilometer Entfernung von unserem Planeten. Das Projekt Don Quijote soll sich den besonders kritischen Vertretern widmen, erklärt Roger Förstner, Systemingenieur im Bereich Navigation beim Weltraumkonzern EADS Astrium in Friedrichshafen: "Es geht hier ganz speziell um Asteroiden, die die Erdbahn kreuzen, also die Asteroiden, die potenziell irgendwann die Möglichkeit haben, die Erde zu treffen." Asteroiden sind kalte, graue Himmelskörper, ohne Atmosphäre, die zum Beispiel zwischen Mars und Jupiter die Sonne umrunden, sich aber auch auf wesentlich erdnäheren Positionen finden.

    Um mehr Informationen zu erhalten, will die europäische Weltraumagentur Esa zwei Sonden zu einem erdnahen Asteroiden schicken. Zunächst schießt eine russische Sojus-Rakete die Sonde Sancho - benannte nach Don Quijotes treuem Knappen Sancho Pansa - auf direktem Kurs zu seinem Ziel. Für diese Reise benötigt die erste Sonde vier Jahre. Am Asteroiden angekommen, wird Sancho diesen ein halbes Jahr umkreisen und untersuchen. Roger Förstner: "Einerseits wird die Oberfläche genau kartografiert. Die Mineralien werden untersucht. Das kann man mit Spektrometern machen. Und es wird die Flugbahn des Asteroiden sehr genau vermessen, im Meterbereich."

    Zugleich mit Sancho schickt die russischen Rakete eine zweite Sonde, Hidalgo, auf ihre Bahn. Hidalgo verfolgt einen anderen Kurs als Sancho, holt zwischenzeitlich bei der Venus Schwung und trifft sechs Monate nach ihrem Vorgänger beim Asteroiden ein, um sich dann todesmutig direkt auf den Himmelskörper zu stürzen. Der Aufprall wird nicht vergeblich sein: Sancho schaut in sicherer Entfernung zu, misst und beobachtet alle Veränderungen, die durch die künstliche Kollision entstehen. "Dieser Aufschlag verändert die Bahn des Asteroiden", sagt Förstner. "Und da man die Bahn vorher schon genau kannte, kann man jetzt in den zweiten sechs Monaten die Änderung der Bahn messen."

    Auch Sancho führt seinerseits einen Kampf gegen moderne Windmühle: Er wird aus der Umlaufbahn den Asteroiden mit kleinen, lanzenförmigen Penetratoren beschießen. Sie sollen auf dem Asteroiden ein seismisches Netzwerk aufzubauen, erklärt Förstner: "Je nachdem, wie der innere Aufbau des Asteroiden ist, pflanzt sich diese Schallwelle in unterschiedliche Richtungen fort. Damit können dann die Seismologen berechnen, wie die innere Struktur des Asteroiden ist." Für die Kamikaze-Mission gibt es bisher nur Studien, die von der Esa aber wohl bald in eine erste konkrete Planungsphase überführt werden.

    [Quelle: Guido Meyer]