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Kosovo-Serben enthielten sich mehrheitlich der Wahl

Friedbert Meurer: Am Wochenende ist in Kosovo gewählt worden, jetzt richtet sich der Blick auf den Sommer des nächsten Jahres, dann soll nämlich über den Status des Kosovo verhandelt werden. Alle albanischen Parteien wollen die Unabhängigkeit. Für Belgrad kommt das nicht in Frage. Am Telefon begrüße ich Vera Konjovic, serbische Journalistin in Belgrad und unter anderem einst tätig beim oppositionellen und unabhängigen Sender B92. Frau Konjovic, welche Bedeutung haben die Wahlen vom Samstag gehabt für die politische Zukunft des Kosovo?

Moderation: Friedbert Meurer |
    Vera Konjovic: Ich glaube, ganz traurig war das alles. Wie Sie wissen, leider sind die Serben, die Flüchtlinge hier in Serbien, aber auch die Serben im Kosovo nicht zur Wahl gegangen. Man darf nicht vergessen, dass die Kosovo-Serben bestimmt sind von der politischen Propaganda und Anti-Propaganda und wegen der Aussagen der egoistischen Politiker ganz verwirrt sind, und dass sie darum nicht zur Wahl gingen.

    Meurer: Hätten Sie es besser gefunden, die serbische Minderheit im Kosovo wäre doch zu den Wahlurnen gegangen?

    Konjovic: Ja natürlich, manche Analytiker und Politiker betonen, dass es sehr wichtig ist, dass die Serben in den Institutionen im Kosovo mitmachen, denn das ist der Ort, wo man für die Rechte der Kosovo-Serben im Kosovo, die wirklich miserabel sind, im Parlament kämpfen kann. Darum wäre es wichtig gewesen, zur Wahl zu gehen. Sie wissen, dass die Serben im Kosovo, aber auch die aus dem Kosovo Flüchtenden unter sehr großem Druck und eigentlich auch Bedrohung durch manche Gruppe waren, nicht zur Wahl zu gehen.

    Meurer: Berichtet wird zum Beispiel über Druck finanzieller Art, Gehälter von Serben im Kosovo werden aus Belgrad bezahlt. Meinen Sie das zum Beispiel?

    Konjovic: Nein, ich meine - man berichtete so, ich sage nur, was man berichtet - dass viele, die in Bussen - die wie zu Milosovic Zeiten für ein Meeting nach Belgrad kamen, um zu sagen, dass sie nicht zur Wahl gehen wollen - in diese Busse hineinsteigen mussten, weil man sie bedroht hat, dass sie ihre Arbeitsplätze verlieren werden und so weiter.

    Meurer: Glauben Sie, dass die Serben im Kosovo, die dageblieben sind und sich ja auch bewusst dafür entscheiden im Kosovo zu bleiben, vielleicht lieber doch gewählt hätten, wenn es diesen Druck nicht gäbe?

    Konjovic: Das kann man nicht sagen. Wie gesagt, diese Propaganda und Anti-Propaganda hat sie ganz bestimmt völlig verwirrt, aber ich fürchte, dass sie denken, dass ihnen, nicht zur Wahl zu gehen helfen konnte, dass sie auf diese Weise zeigen konnten, dass es nicht wahr ist, das Kosovo serbisch ist.

    Meurer: Was will die belgrader Regierung damit erreichen, dass sie der serbischen Minderheit im Kosovo sagt, bleibt fern von den Wahlurnen?

    Konjovic: Meiner Meinung nach, aber auch von anderen - ist es in Belgrad immer eine heikle Frage, speziell für die Politiker, über Kosovo zu sprechen. Kein Politiker hat bislang erklärt, wie der Stand der Dinge ist. Kosovo ist eigentlich für viele Politiker, speziell für die einen, die immer sagen, sie sind Patrioten, Wasser im innerpolitischen Kampf. Sie benutzen Kosovo für politische Spiele. Man kann in einer Weise sagen, dass die Kosovo-Serben Geiseln von manchen Politikern in Serbien sind.

    Meurer: Welchen Status befürworten Sie selbst für das Kosovo? Soll das Kosovo unabhängig werden, ein eigener Staat?

    Konjovic: Ja, das ist diese Frage, auf die man immer in Belgrad extreme Antworten bekommt. Manche sagen, das kommt nicht in Frage. Die konservative Haltung hierzu ist, "Kosovo ist unser heiliges Land, ohne Kampf werden wir Kosovo nicht übergeben", und die anderen, die Realisten schauen und sagen, "die große, große Mehrheit sind die Albaner, die wollen die Unabhängigkeit und da kann man nichts mehr machen."