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Kosovo-Unterhändler bewertet Beginn der Gepräche in Belgrad und Pristina positiv

Der Kosovo-Unterhändler der Europäischen Union, Wolfgang Ischinger, hat den Beginn der Gespräche über die Zukunft der serbischen Provinz positiv bewertet. Die so genannte Troika aus EU, USA und Russland sei bei ihren Gesprächspartnern in Belgrad und Pristina auf großes Interesse gestoßen. Ziel sei es, Serben und Albaner dazu zu bewegen, über Möglichkeiten eines Kompromisses nachzudenken. Einen neuen Plan wolle die Troika nicht vorlegen, betonte Ischinger.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Nicht sehr verheißungsvoll klang also gestern, was aus der Troika übermittelt wurde, zumal es zunächst auch noch so aussah, als sei eine Pressekonferenz resigniert abgesagt worden. Ich hatte Gelegenheit, den Sonderbeauftragten Wolfgang Ischinger direkt nach den Gesprächen nach seinem Eindruck zu fragen.

    Wolfgang Ischinger: Wir haben sowohl in Belgrad wie in Pristina die Bereitschaft gefunden, auf der höchsten politischen Ebene - auf der Ebene beider Premierminister, auf der Ebene beider Präsidenten, auf der Ebene der zuständigen Minister - diesen Troika-Ansatz ernst zu nehmen, mit uns durch einen guten Glauben zusammenzuarbeiten. Wir haben einen Arbeitsplan für die nächsten Wochen bereits verabreden können. Ich möchte jetzt auch keinen unnötig großen Optimismus heraufbeschwören, aber ich will doch sagen, dass es, glaube ich, eine realistische Beurteilung der Lage ist, dass wir nach dieser ersten Runde sagen können, es ist eine gute, sachliche, konstruktive Grundlage gesetzt worden, die es erlauben wird, diesen Troika-Prozess über die nächsten 120 Tage - jetzt sind es nur noch 110 - durchzuführen.

    Klein: Herr Ischinger, wenn Sie sagen, eine gute Aufnahme für Ihren Ansatz - die Positionen sind doch aber im Grundsatz weiter unvereinbar, oder hat sich etwas verändert?

    Ischinger: Niemand konnte doch erwarten, dass beim ersten Besuch dieser amerikanisch-russisch-europäischen Troika die Grundpositionen der beiden Seiten, über die ja nun schon seit langem verhandelt wird, sich sozusagen über Nacht mirakulöserweise ins Gegenteil verkehren würden. Das wäre ja eine ganz unrealistische Annahme gewesen. Nein, was wir jetzt versuchen, ist doch, den beiden Parteien zunächst einmal, noch einmal, ins Gewissen zu reden in dem Sinne, dass wir ihnen vor Augen führen, dass eine vereinbarte Lösung nicht nur für sie beide, sondern für die gesamte Europäische Union, für ganz Europa, für die Sicherheit und Stabilität auf dem Balkan und übrigens auch für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die bei weitem beste Lösung wäre und dass sie beide leiden werden und würden, wenn sie das nicht hinkriegen. Wir schlagen als Troika keinen neuen, eigenen Plan vor. Wir fragen sozusagen in sokratischer Form nach neuen Ideen und neuen Ansätzen, und hier darf keiner kommen mit der Mitteilung, das sind ja gegensätzliche Grundpositionen, ergo sind die nicht überbrückbar, ergo wird das scheitern. Also, ich erinnere mich sehr wohl, dass es auch mal in der deutsch-deutschen Politik eine Lage gab, in der auf der einen Seite Alleinvertretungsansprüche und auf der anderen Seite das Gegenteil vorgetragen wurde, und schließlich haben kluge Menschen es doch vermocht, darüber ein Zeltdach zu spannen, eine Brücke zu bauen. Und genau um solche Brückenbauansätze geht es doch auch hier, und die versuchen wir, den beiden Parteien nahe zu bringen - nicht, indem wir eigene Vorschläge machen, aber indem wir sie hinweisen.

    Klein: Bezogen auf den Fall Kosovo - welche Brückebauansätze sehen Sie denn oder haben Sie versucht zu vermitteln?

    Ischinger: Ich kann Ihnen an einem kleinen Beispiel zeigen, in welche Richtung das gehen kann. Sowohl in Serbien wie im Kosovo sind in den nächsten Monaten Wahlen angesetzt. Jeder, der Serbien kennt, weiß ganz genau: Wenn es im Zusammenhang mit der Kosovo-Krise Unruhen geben sollte, dann würde das den radikaleren Kräften in Serbien sicherlich in die Hände spielen. Diese Sorgen, solche Sorgen sind uns in Belgrad sehr deutlich vorgetragen worden, das hat niemanden überrascht. Wir haben diese Sorgen nach Pristina transportiert und haben die dort vorgetragen, und haben gefragt, nachdem die Serben uns gesagt haben, dass sie alles ihnen mögliche tun würden, um sicherzustellen, dass nicht etwa von serbischer Seite Provokationen passieren würden. Und auf dieser Basis haben wir die kosovarische Seite gefragt, ob sie bereit wären, eine ähnliche Selbstverpflichtung auszusprechen. Das haben sie getan. Und wir haben unter Zustimmung der kosovarischen Seite diese Selbstverpflichtung der Kosovaren an die serbische Seite wieder zurückgespielt. Das ist, wenn Sie so wollen, ein erster, kleiner, vertrauensbildender Schritt. Und ich denke, das ist die Kunst der Diplomatie, aus kleinen Schritten ein bisschen größere zu machen, um vielleicht aus einer Reihe von Schritten dann auch einen Prozess zu konstruieren, der es erlaubt, auch kompliziertere Fragen anzugehen und der es uns vielleicht erlauben könnte, tatsächlich die beiden Seiten zum Brückenbau zu animieren. Wir sind ja alle realistisch. Wir wissen, die Troika weiß, dass dies ein außerordentlich schweres Unterfangen ist und dass die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns erheblich größer ist als die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass das von Anfang an ein unmöglicher Ansatz ist, sonst hätte ich, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dieses Mandat auch nicht übernommen.

    Klein: Man hat ein bisschen Schwierigkeiten, sich das vorzustellen, bei den unterschiedlichen Konzepten, die ja schon bei EU, USA und Russland vorhanden sind. Also etwa: Wie muss man sich eine Zusammenarbeit in der EU-Troika mit dem russischen Vertreter vorstellen, der ja als Verbündeter Serbiens - Russland als Verbündeter Serbiens - die Resolution im Weltsicherheitsrat für eine Unabhängigkeit etwa blockiert hat? Die USA, die auf der anderen Seite sagen, wenn die neuen Verhandlungen keinen Erfolg zeitigen, dann werden wir das Kosovo einseitig anerkennen? Also, wie können wir uns da vorstellen, dass sie an einem Strang ziehen und zwar nicht in unterschiedliche Richtungen?

    Ischinger: Ich gebe zu, dass das erhebliche Fantasie erfordert, aber ich mache es mal auf dem Wege eines Beispiels. Es gibt natürlich unterschiedliche Auffassungen, das weiß ja jeder, in Washington und in Moskau über die Frage, was nach dem Ende dieser 120-Tage-Frist, die uns der Generalsekretär der Vereinten Nationen gesetzt hat, was danach passiert. Wir haben es aber als Troika aber hingekriegt, einen Weg zu finden, uns auf eine Formel zu einigen, die hilft, dass wir mit einer Stimme hier sprechen können. Wenn nämlich die Gesprächspartner dann kommen und auf die unterschiedlichen Äußerungen aus verschiedenen Hauptstädten über die Dauer dieser Unternehmung oder die Kürze dieser Unternehmung, die Bedeutung der 120-Tage-Frist hinweisen, dann können wir, darauf haben wir uns geeinigt, dann weisen wir darauf hin, dass unsere Troikamission jedenfalls am 10. Dezember zu Ende geht, weil wir zu diesem Zeitpunkt unseren Bericht vorzulegen haben. Wir bieten die Troika als ein Instrument an die beiden Parteien an, nach dem 10. Dezember wird es dieses Instrument in dieser Form so nicht geben. Was danach passiert im Falle des Erfolgs oder des Scheiterns, ist aber dann nicht Aufgabe der Troika zu entscheiden, sondern das haben dann alle beteiligten Regierungen zu entscheiden, möglicherweise dann wieder im Sicherheitsrat. Mit anderen Worten: Es gelingt hier keinem, die Troika auseinanderzudividieren in der Frage, was ist eigentlich die Bedeutung von Deadlines, also, von Zeiträumen, von Zeitdruck und so weiter. Wir haben dazu eine klare Antwort, und wir haben in ähnlicher Weise zu anderen Fragen, in denen es vielleicht tatsächlich innerhalb des Spektrums der Troikaregierungen unterschiedliche Nuancen geben mag, wir haben auch hier Wege gefunden, uns auf eine Sprache zu einigen, damit wir aus einem Mund sprechen. Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass bei den diversen Gesprächen jeweils einer von uns vorträgt. Wir machen das mit verteilten Rollen, wir sind alle halbwegs alte Hasen im diplomatischen Geschäft und ich muss Ihnen sagen, ich bin beeindruckt von der professionellen Qualität, nicht überrascht, aber beeindruckt von der professionellen Qualität beider meiner Kollegen, des russischen Botschafters Bozan-Chartschenko ebenso wie Frank Wisner, den ich seit langen Jahren kenne und außerordentlich schätze.

    Klein: Herr Ischinger, Sie sprachen eingangs von dem Arbeitsplan, der verabredet worden sei. Was werden die nächsten Schritte sein, die die Troika einleitet?

    Ischinger: Wir haben bereits Übereinstimmung erzielt mit beiden Seiten, dass wir uns noch in diesem Monat erneut treffen wollen, möglicherweise - letzte Details müssen noch festgelegt werden - möglicherweise gar nicht in Belgrad und Pristina, sondern am dritten Ort. Wir haben auch bereits über Termine zu weiteren Arbeitssitzungen mit beiden Parteien im September allgemeine Übereinkunft erzielt, da hat es auch überhaupt gar keinen Streit gegeben. Unser Ziel ist es, sobald wie es sinnvoll erscheint, nicht nur sozusagen im Sinne der Shuttle Diplomacy Nachrichten zwischen beiden hin- und herzutragen, sondern dann tatsächlich zum frühestmöglichen, geeigneten Zeitpunkt auch Direktgespräche zwischen beiden zu organisieren und dann qua Troika gegebenenfalls zu moderieren. Soweit sind wir aber noch nicht und ich sehe eigentlich eine solche Phase direkter Gespräche, wenn nicht sogar Verhandlungen, würde ich mal sagen, erst Mitte des Herbstes vor mir. Wir müssen schon noch ein bisschen an den Hausaufgaben arbeiten.