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Kosten der gekippten Pkw-Maut
Verkehrsminister Scheuer unter Druck

Nach dem Scheitern der PKW-Maut geht es nun um die Frage, wieviel Geld durch das gescheiterte Projekt der CSU verspielt wurde. Der Verkehrsausschuss des Bundestags beschäftigt sich heute in einer Sondersitzung damit - die Opposition droht Minister Andreas Scheuer sogar mit einem Untersuchungsausschuss.

Von Katharina Hamberger | 23.07.2019
Andreas Scheuer (CSU, l.), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, spricht mit Innenminister Horst Seehofer bei einer Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt.
"Diese Maut für Ausländer muss kommen und sie wird kommen", sagte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer im Wahlkampf 2013 (hier im Bild mit Verkehrsminister Andreas Scheuer). Jetzt beginnt die Aufarbeitung des Scheiterns. (Michael Kappeler / dpa )
Die CSU war fest davon überzeugt: Die Pkw-Maut, das wird ein Erfolgsprojekt. "Diese Maut für Ausländer muss kommen und sie wird kommen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit", sagte Horst Seehofer, damals noch bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender, im Wahlkampf 2013. Im Juni dieses Jahr dann der Dämpfer für die Christsozialen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer: "Politisch gesehen und politisch bewertet ist die Pkw-Maut in dieser Form somit leider vom Tisch."
Österreichs Klage besiegelt das Aus
Österreich hatte, weil man der Meinung war, dass ausländische Autofahrer durch die PKW-Maut diskriminiert würden, beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Abgabe eingereicht – und Recht bekommen. Damit wird es keine Maut nach CSU-Vorstellung geben. Für Verkehrsminister Scheuer, seinen Vorgänger Alexander Dobrindt und die CSU ein Rückschlag.
Aber es geht nicht nur um politische Verantwortung, sondern ganz konkret um Geld: Denn die Aufträge für Erhebung und Kontrolle der Abgabe wurden bereits vergeben – und das, bevor man wusste, wie der Europäische Gerichtshof entscheiden wird.
Deshalb steht nun nicht nur die Frage im Raum, wie viel Geld durch das Aus der Maut im zukünftigen Haushalt fehlen wird – das Verkehrsministerium hatte mit jährlichen Mehreinnahmen von 500 Millionen Euro gerechnet –, sondern auch wieviel Geld bis zu ihrem Scheitern für die Abgabe ausgegeben worden ist und ob nicht auch noch Schadensersatzforderungen durch die Kündigung der Verträge durch das Verkehrsministerium und mögliche Kosten für ein Schiedsgerichtsverfahren anfallen.
Damit will sich der Verkehrsausschuss heute nun in einer Sondersitzung beschäftigen – eine Fortsetzung in einem Untersuchungsausschuss ist nicht ausgeschlossen.
Planungen ohne absolute Gewisseheit
Die Pkw-Maut wäre schon einmal fast gescheitert. 2015 leitete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Damals war noch Alexander Dobrindt Verkehrsminister. Er stoppte daraufhin die Maut und verhandelte mit der Kommission. Man einigte sich. Dobrindt nahm ein paar Veränderungen vor – allerdings blieb es bei der Entlastung der deutschen Autofahrer über die KfZ-Steuer. Mitte 2017 begann dann die Ausschreibung für den Maut-Betrieb.
Im Oktober desselben Jahres reichte Österreich die Klage ein. Dobrindt, zu diesem Zeitpunkt nur noch für wenige Tage Verkehrsminister, legte das Projekt aber nicht nochmal auf Eis: Die Ausschreibungen für das Mautsystem würden laufen. Die Maut komme. Daran ändere die Klage Österreichs nichts, hieß es damals aus dem Verkehrsministerium.
Die SPD sah das zu diesem Zeitpunkt anders. Man sollte die Maut stoppen, die Gefahr sei zu groß, dass ansonsten Millionen Steuergelder verbrannt werden, mahnten die Sozialdemokraten.
Der 2018 zum neuen Verkehrsminister ernannte Andreas Scheuer sah es aber so wie sein Vorgänger Dobrindt. Die Ausschreibung lief weiter – man war sich offenbar zu sicher. Bestärkt sah sich die CSU dann auch noch durch den Generalanwalt des EuGH, der die Maut als mit EU-Recht vereinbar ansah. Dass der Europäische Gerichtshof zwar oft, aber eben nicht immer dem Votum des Generalanwalts folgt, musste die CSU dann schmerzlich feststellen.
Opposition fordert umfassende Aufklärung
Die Opposition setzt den Verkehrsminister nun unter Druck. Der tritt die Flucht nach vorne an. Nachdem die Verträge zur Maut zunächst nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages einsehbar waren, hat Scheuer diese nun, nach der notwendigen Zustimmung durch die Unternehmen veröffentlicht.
"Damit ist klar: Wir stehen bei allen Fragen zur PKW-Maut für maximal mögliche Transparenz", so Andreas Scheuer in einem Video auf der Ministeriumsseite. Für Teile der Opposition ist das nicht genug Transparenz – sie erhöhen den Druck weiter. In einem gemeinsamen Antrag für die heutige Sitzung fordern Grüne, Linke und FDP, dass alle Dokumente und die Kommunikation des Ministeriums und seinen nachgeordneten Behörden zur PKW-Maut von Anfang 2017 bis heute zur Verfügung gestellt werden.
Die drei Fraktionen machen auch klar: Sie würden auch noch einen Schritt weiter gehen. Ohne umfassende Aufklärung seitens des Ministeriums werde ein Untersuchungsausschuss "unvermeidlich", kündigte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Oliver Luksic in der Augsburger Allgemeinen Zeitung bereits an.