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Kostenloses Mittagsessen
Gut gedacht, schlecht gemacht: zu wenig Platz für Schulkantinen

Familien entlasten – das hat sich die rot-rot-grüne Koalition in Berlin vorgenommen. Nach der Abschaffung der Kita-Gebühren kommen nun weitere Erleichterungen, zum Beispiel kostenloses Mittagessen für die Klassen 1 bis 6. Doch viele Grundschulen haben Probleme, Mahlzeiten anzubieten: Es fehlt Platz.

Von Claudia van Laak | 21.05.2019
Schüler beim Mittagsessen in der Schulkantine/Schulmensa an einer Ganztagsschule.
Lange Schultage erfordern eine Mittagsverpflegung (Imago / Michael Gottschalk)
Schulleiterin Hildegard Greif-Groß ruft die Klassensprecher zusammen, es tagt das Schülerparlament. Wichtiges Thema an diesem Freitag in der Peter-Petersen-Schule: Wie geht es weiter mit dem Mittagessen? Hat doch das Berliner Abgeordnetenhaus das kostenlose Schulmittagessen für die Klassen 1 bis 6 beschlossen. Und da die Sommerferien in diesem Jahr früh beginnen, gilt dies schon ab Anfang August.
"Ihr werdet alle demnächst einen Brief für Eure Eltern kriegen, wo ich den Eltern aufschreibe, dass es uns leid tut, dass wir aber zu Beginn des nächsten Schuljahres kein Essen für alle anbieten werden."
Die Peter-Petersen-Grundschule in Neukölln hat keine Aula, das Schülerparlament tagt im Theaterraum. Die Klassenzimmer sind zu klein, Fachräume fehlen. Zurzeit besuchen 300 Kinder die Schule.
Umfrage unter Kindern: "Also in unserer Schule gibt es keinen Platz mehr für einen Kantinenraum. - Und es wäre nochmal mehr Aufwand, würde ich meinen, mit dem Essen, was ja hergebracht werden müsste. - Dass wir keinen Raum haben, wo wir das Essen anbieten können."
Viele kreative Ideen bei der Raumsuche
Die Idee, gemeinsam im Klassenverband Mittag zu essen, finden alle gut. Deshalb liegen bald viele Ideen auf dem Tisch: Aufzüge einbauen, damit das Schulessen auch in alle Stockwerke geliefert werden könnte – dann könnte man in der Klasse essen. Oder: im Hof essen.
"Zu Deiner Idee, auf dem Hof essen. Okay, da könnte man vielleicht ein Zelt aufbauen."
Schulleiterin Hildegard Greif-Groß hat eine andere Idee: Da auch die Grundschule nebenan dasselbe Problem hat, könnten vielleicht beide Schulen gemeinsam die Kommunale Galerie im benachbarten Körnerpark als Mensa nutzen. Vorher müsste die Kunst natürlich ausziehen.
"Da wird das Kunstamt erstmal vor sein. Wenn Politiker schon so etwas entscheiden, dann muss man auch überlegen, ob Kunst für – wieviel Besucher werden die haben – Kunst für 500 Besucher im Jahr – genauso wichtig ist wie Essen für 600 Kinder."
Not macht erfinderisch
Jede fünfte Grundschule in der Hauptstadt hat gravierende Probleme mit der Essensversorgung, so der Grundschulverband. Das Land hat das kostenlose Mittagessen beschlossen, die Bezirke müssen es umsetzen. Die Zeit drängt, in knapp fünf Wochen beginnen die Sommerferien.
Not macht erfinderisch. Und so hat der zuständige Stadtrat im Bezirk Mitte Carsten Spallek eine ganz originelle Idee – eine Zusammenarbeit mit Restaurants, "die erst nachmittags öffnen. Und man versucht zu kooperieren, weil man kein Platz auf dem eigenen Gelände hat und sagt, wie sieht's aus, können wir uns bei Euch einmieten? So kreativ sind wir ja schon, gezwungenermaßen. Weil, gut gemeint ist nicht gut gemacht."
Und es gibt noch andere Bedenken. Wer ist für die Aufsicht zuständig, während die Kinder essen – Lehrerinnen oder Erzieherinnen? Landet am Ende nicht zu viel Essen im Müll – denn, was nichts kostet, ist nichts wert?
Politik wundert sich über unzufriedene Schulen
Der rot-rot-grüne Senat wiederum ärgert sich. Da gibt die Regierung viele Millionen aus, um Berliner Familien zu unterstützen, die es dringend nötig haben, aber es wird nur gemeckert.
"Es ist selten so, dass bei Neuerungen, die wir auf den Weg bringen, Schulen Hurra schreien," sagt etwa die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Maja Lasic. "Wir nehmen das Problem ernst, halten es aber für bewältigbar, sonst hätten wir das Gesetz nicht beschlossen. Es wird funktionieren."
Die Probleme, die die Grundschulen vorbrächten, seien lediglich theoretischer Natur, meint die SPD-Politikerin. Denn es sei momentan völlig unklar, wie viele Schülerinnen und Schüler sich für das kostenlose Mittagessen anmeldeten. Das stimmt. Einerseits. Andererseits müssen die Schulen und auch die Caterer vorbereitet sein auf einen möglichen Ansturm nach den Sommerferien.
Schulleiterin Hildegard Greif-Groß jedenfalls hat sich entschieden. An der Neuköllner Petersen-Grundschule wird es – gesetzeswidrig – nach den Sommerferien kein warmes Mittagessen geben. "Ich bin glaube ich alt genug um zu sagen, ich setze nicht etwas um, was ich unsinnig finde." Die Kinder an ihrer Schule werden wie bisher entweder in den Hort gehen oder nach Hause.