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KPD-Verbot
Über ein verfassungswidriges Verfahren

1956 erklärte das Bundesverfassungsgericht die KPD für verfassungswidrig und folgte damit dem Antrag der Bundesregierung. "Verfassungswidrig", so hat der Autor Josef Foschepoth sein Buch über dieses Urteil überschrieben - mit doppelter Bedeutung. Denn der Historiker hält auch das Karlsruher Verfahren für "durch und durch verfassungswidrig".

Von Otto Langels | 18.12.2017
    Das Buchcover "Verfassungswidrig. Das KPD-Verbot" von Josef Foschepoth. Im Hintergrund der Bundesadler am Bundesinnenministerium in Berlin
    Mit "Verfassungswidrig" hat Josef Foschepoth eine informative und lesenswerte Studie vorgelegt, auch wenn er auf einige drastische Formulierungen und zugespitzte Thesen hätte verzichten können. (Buchcover: V&R Verlagsgruppe /Hintergrund: imago/ipon)
    Ohne beharrliche Nachfragen wäre Josef Foschepoths Buch über das KPD-Verbot von 1956 wohl nie erschienen. Denn nur weil der Freiburger Historiker energisch insistierte, wurden ihm schließlich Akten vorgelegt, die die Bundesregierung jahrzehntelang unter Verschluss gehalten hatte:
    "Zum ersten Mal konnten eine Fülle, eine Vielzahl von Geheimakten, die bis dato noch nicht freigegeben worden sind, benutzt werden. Und davon profitiert dieses Buch."
    Im November 1951 hatte die CDU-geführte Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt, die KPD zu verbieten. Es war die Zeit des Kalten Krieges, Foschepoth spricht vom "Kalten Bürgerkrieg", in der Bonner Politiker vor der kommunistischen Gefahr aus Moskau und Ost-Berlin warnten, Justizminister Thomas Dehler die KPD als "trojanisches Pferd" in Westdeutschland bezeichnete und Kanzler Konrad Adenauer forderte, die KPD "bis zum Untergang der Welt" zu verbieten.
    SRP war weniger im Visier als KPD
    Dagegen zögerte die Bundesregierung, zugleich gegen die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei SRP vorzugehen, eine verfassungsfeindliche Partei, die offen in der Tradition des Nationalsozialismus stand:
    "Als die Alliierten darauf drängten, die SRP zu verbieten, war ein großer Widerstand in der Regierungskoalition, man wollte auf keinen Fall ein einseitiges Verbot der SRP hinnehmen. Und da war dann der Kompromiss: Wenn, dann machen wir sie beide ‚platt‘."
    Elf Monate nach dem Antrag aus Bonn verbot das Bundesverfassungsgericht die SRP. Dagegen benötigten die Karlsruher Richter 57 Monate für das KPD-Urteil. Das gesamte Verfahren war ein Skandal, schreibt Josef Foschepoth in einer fundierten, akribisch recherchierten Studie:
    "Es gab in diesem Verfahren keine getrennten Gewalten mehr, sondern nur noch einen Staat, der unter dem Druck der Bundesregierung darauf bestand, dass die KPD verboten wurde. Die grundgesetzlich geforderte Unabhängigkeit des Gerichts war nicht gegeben. Bis zum Ende des Verfahrens hat das Gericht immer wieder die Bundesregierung gebeten, den Antrag zurückzuziehen, die das jedoch konstant verweigerte."
    Ein unrechtmäßiges Verfahren
    Das höchste deutsche Gericht, so Foschepoths harsches Urteil, fungierte in dem Verfahren eher als Vollzugs- denn als Kontrollorgan. Der Autor kann seine These aber anhand einer Reihe bisher unveröffentlichter und im Anhang abgedruckter Dokumente überzeugend belegen:
    "So saßen also immer Vertreter des Verfassungsschutzamtes, der Prozessvertretung der Bundesregierung und Vertreter des Bundesverfassungsgerichtes zusammen und haben beraten, welche Maßnahmen sie durchführen. Das sind Dinge, die in einem Rechtsstaat nicht vorkommen dürfen. Es hat geheime Treffen gegeben zwischen dem Bundesverfassungsrichter Stein, der Berichterstatter war im KPD-Prozess, und dem Vertreter der CDU/CSU, dem Fraktionsvorsitzenden Heinrich von Brentano."
    Der deutsche Historiker und Buchautor Josef Foschepoth auf einer Veranstaltung im Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin am 7.6.2015.
    Der deutsche Historiker und Buchautor Josef Foschepoth. (picture-alliance / dpa / Roland Popp)
    Auch der Präsident des Verfassungsgerichts, Hermann Höpker Aschoff, traf sich in Bonn mit Mitgliedern der Bundesregierung. Ein Protokoll wurde wegen der besonderen Geheimhaltung nicht geführt, aber Josef Foschepoth fand in den Akten eine persönliche Notiz von Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm, einem der Teilnehmer: Die "24 Rotrobigen in Karlsruhe" hätten Angst vor dem Prozess.
    Die Richter, so stellt Foschepoth fest, empfanden offenkundig Unbehagen, dass die Regierung das Gericht instrumentalisieren wollte:
    "Auch wenn den Richtern das ganze Verfahren mehr als unheimlich war, hatten sie nach dem massiven Druck, den die Bundesregierung bis zum Schluss ausübte, keine andere Wahl als das mündliche Verfahren zu eröffnen und das von der Bundesregierung gewünschte "totale Verbot" jeder kommunistischen Tätigkeit im Westen Deutschlands auszusprechen."
    Eine marginalisierte Partei verbieten
    Dabei war die KPD nur noch ein unbedeutender politischer Faktor. Bei der ersten Bundestagswahl 1949 erhielt sie 5,7 Prozent der Stimmen, vier Jahre später nur noch 2,2 Prozent. Zwischen 1948 und ´52 verlor die Partei 200.000 Mitglieder - sie war faktisch eine Splitterpartei und kaum noch arbeitsfähig.
    In einer gemeinsamen Resolution warnten die Landesämter für Verfassungsschutz vor einem Verbot der KPD, eine ernsthafte Bedrohung ginge nicht von ihr aus. Voschepoth:
    "Andererseits gab es aber, das wird auch in meinem Buch deutlich, gab es einen massiven gesellschaftlichen Antikommunismus damals. 80 Prozent aller Befragten hatten nur negative Vorstellungen, wenn sie das Wort KPD hörten. Ein großer Teil der Bevölkerung Westdeutschlands war für ein KPD-Verbot."
    Unter den Westdeutschen genoss die KPD den Ruf einer "Russenpartei" - zumal nach der Berlin-Blockade und der brutalen Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR.
    Die Rolle der SED
    Tatsächlich war die KPD eine vom SED-Politbüro in Ost-Berlin angeleitete und finanziell abhängige Partei, die im "Kalten Bürgerkrieg" zwischen Ost und West aufgerieben wurde:
    "Anträge, die im Bundestag waren, die wurden in Ost-Berlin vorher von Walter Ulbricht abgesegnet, das heißt, das Zentralkomitee der SED entschied darüber. Die KPD war ständiger Tagesordnungspunkt bei den Sitzungen des Politbüros. Es ist überhaupt kein Zweifel, dass es eine gesteuerte Partei durch die SED war. Und daran ist sie eigentlich auch zerbrochen."
    Mit "Verfassungswidrig" hat Josef Foschepoth eine informative und lesenswerte Studie vorgelegt, auch wenn er auf einige drastische Formulierungen und zugespitzte Thesen hätte verzichten können, denn seine Argumentation vom "durch und durch verfassungswidrigen Verfahren" überzeugt auch ohne polemische Bemerkungen.
    Wie fragwürdig das KPD-Verbot von 1956 letztlich war, zeigt ein Blick auf das jüngste Urteil aus Karlsruhe zur NPD. Im Januar 2017 lehnte das Gericht ein Verbot der rechtsextremen Partei ab, weil diese zwar eine verfassungsfeindliche Gesinnung habe, aber nicht das "Potential", die Demokratie in Deutschland zu beseitigen.
    1956 kam das Bundesverfassungsgericht zum gegenteiligen Ergebnis: Auch wenn von der KPD keine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehe, müsse man eine solche Partei präventiv verbieten. Mit dem NPD-Urteil von 2017, so Josef Foschepoths Fazit, distanzierten sich die Karlsruher Richter ausdrücklich von der Entscheidung ihrer Vorgänger.
    Josef Foschepoth: "Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg"
    Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, 492 Seiten, 40 Euro.