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Krach um Kontrolle

Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, werden die 6000 Banken der Eurozone künftig von einer Stelle aus beaufsichtigt und überwacht. Eine machtvolle Bankenaufsicht soll Herzstück der geplanten Bankenunion werden. Schon 2013 könnte die Aufsicht starten - wäre das Projekt nicht unter Politikern wie Ökonomen heiß umstritten.

Von Caspar Dohmen | 06.09.2012
    Im Schatten der Europäischen Zentralbank klimpert jemand in einem der Zelte auf einem Klavier. Es ist ein Sommertag Anfang August in der Frankfurter Innenstadt - die Räumung des Occupy-Camps steht kurz bevor. Hajo Köhn ist pünktlich. Der 59-Jährige hat vor gut 30 Jahren die Grünen mitgegründet und sich später vielfach sozial engagiert. Doch seit der Eurokrise hat er ein neues Thema.

    "Das war halt wie ein Schuss vor den Bug. Geld, das war wie Strom aus der Steckdose, ja. Geld zieht man aus dem Automaten. Der Rest hat mich nicht interessiert."

    Der Unternehmensberater und sein Mitstreiter Thomas erzählen, wie sie mit Gleichgesinnten im März die Organisation Occupy Money gegründet haben. Sie wollen wissen, wie das moderne Finanzsystem funktioniert und andere Bürger aufklären. Sie nennen das: den Souverän souverän machen. Bei der Frage, wer durchblickt, lachen sie:

    "99 Prozent hat keine Ahnung, was funktioniert. Weder der Bürger noch der Politiker. Alle, die sie hier herumlaufen, - auch der Banker - reden dummes Zeug - auch der Banker."

    Und so beschäftigen sie sich mit der Geldentstehung, der Rolle der Banken für die Wirtschaft oder den Regeln für das Finanzsystem. Sie haben viel zu tun. Ständig gibt es neue Rettungsaktionen und Ideen. Eine der jüngsten ist die einer Bankenunion.

    Geht es nach dem Willen der EU-Kommission werden die 6000 Banken der Eurozone künftig von einer Stelle aus beaufsichtigt und überwacht. Im Gespräch ist die Europäische Zentralbank, die eine immer zentralere Rolle bei der Euro-Rettung einnimmt. Erst heute gab EZB-Präsident Mario Draghi bekannt, dass die Bank erneut Staatsanleihen von Krisenländern in der Euro-Zone aufkaufen wolle. Neben der zentralen Bankenaufsicht will Brüssel die Kundengelder bei den Banken mittelfristig durch eine gemeinsame Einlagensicherung absichern. Ferner soll ein Topf eingerichtet werden, aus dem die Kosten gedeckt werden, wenn eine Bank abgewickelt wird. Speisen könnte sich ein solcher Abwicklungsfonds über Gebühren, welche die Banken bezahlen müssten. In der kommenden Woche wird die Kommission ihre Pläne für eine machtvolle Bankenaufsicht vorstellen, die Herzstück der geplanten Bankenunion werden soll. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hofft, dass sich das Europäische Parlament und der Ministerrat im Herbst über die dazu notwendigen Gesetze einigen werden. Dann könnte die europäische Bankenaufsicht 2013 starten.

    Welche Konsequenzen hätte die Einführung einer Bankenunion? Macht sie Sinn? Ist der Zeitplan realistisch? Der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat bereits vor Bekanntgabe der Brüsseler Pläne gefordert, eine einheitliche europäische Aufsicht nur für die großen Banken einzuführen und kleine Häuser wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken weiter von nationalen Behörden kontrollieren zu lassen. Es gibt also unterschiedliche Ansichten. Das belegt auch der Streit zwischen den Ökonomen in Deutschland über das Thema. Er brach nach dem EU-Gipfel Ende Juni aus, bei dem die Pläne für eine Bankenunion publik wurden. Ausgelöst hat die Kontroverse Walter Krämer, der an der Dortmunder Universität Statistik lehrt:

    "Das war an dem Wochenende ein heißes Thema, ich habe viele elektronische Nachrichten bekommen, Anrufe. Durch die Pläne sehen wir es kommen, dass wiederum die Großinvestoren, Wall Street auch und City of London, die kommen wieder mit einem blauen Auge davon und die Hauptbürde wird wieder von den Steuerzahlern getragen."

    Krämer hat einen Aufruf verfasst und mehr als 270 Ökonomen haben ihn mittlerweile unterschrieben. Sie warnen vor einer Vergemeinschaftung der Bankschulden innerhalb der Eurozone. Haften sollen erst einmal diejenigen, die in der Erwartung auf gute Gewinne Anleihen von Staaten gekauft oder Kredite an Unternehmen und Privatpersonen in den Krisenstaaten vergeben haben. Krämer:

    "Wenn wir die Hauptinvestoren dieser ganzen Blase im Süden belangen, dadurch, indirekt, dass wir ihre Vermögenswerte für wertlos erklären, sind erstens mal das Problem weitgehend gelöst und die Richtigen dafür haftbar gemacht."

    Zu den Befürwortern einer Bankenunion gehört dagegen der Ökonom Frank Heinemann. Er lehrt an der TU Berlin. Mit einem von ihm mitinitiierten Aufruf wollte Heinemann der Politik zeigen, dass es unter Ökonomen nicht nur Gegner einer Bankenunion gibt. Hinter diesem Appell haben sich mehr als 200 Wissenschaftler versammelt, so Heinemann:

    "Was wir wollen, ist, dass der Größenvorteil der Europäischen Währungsunion ausgenutzt wird, dass also eine Bankenkrise in einer kleineren Volkswirtschaft, die möglicherweise sogar unverschuldet zustande kommt, dass die nicht zum Kollaps dieser Volkswirtschaft führt, sondern, dass das aufgefangen wird von der gesamten Europäischen Währungsunion."

    Tatsächlich ist die Situation ziemlich kompliziert, weil es in Europa mehrere Krisen gibt, die sich überlagern und gegenseitig verstärken. In Griechenland geht es vor allem um eine Schuldenkrise des Staates, in Italien aber um überfällige Wirtschaftsreformen. Spanien dagegen ist weniger verschuldet als Deutschland. Seine gravierenden Probleme resultieren aus der Schwäche seiner Banken, genauso wie in Irland. In allen Fällen hängt jedoch die Stabilisierung der Länder und damit auch der Eurozone entscheidend von der Verfassung ihrer Banken ab. Und die haben die Steuerzahler schon eine Menge Geld gekostet.

    Zwischen Oktober 2008 und Oktober 2011 hat die EU-Kommission bereits Beihilfen von insgesamt 4,5 Billionen Euro an marode Banken genehmigt - das entspricht rund 35 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Europäischen Union. Trotzdem mehren sich die Alarmsignale bei europäischen Banken. Die Wirtschaft ist in vielen Ländern eingebrochen. Deswegen können immer mehr Unternehmen, Hausbesitzer und Konsumenten ihre Kredite nicht mehr bedienen. Die sogenannten faulen Kredite - bei denen Zins und Tilgung von den Schuldnern nicht fristgerecht bezahlt worden sind - summieren sich bei den Geldinstituten mittlerweile auf eine Summe von 1,05 Billionen Euro. Zum Vergleich: Kurz nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers mit ihren verheerenden Folgen für andere Banken beliefen sich die faulen Kredite in den Bilanzen Ende 2008 nur auf die Hälfte. Außerdem haben Europas Banken noch weitere Problemkredite in Höhe von 1,5 Billionen Euro in den Büchern, deren Rückzahlung ebenfalls unsicher ist. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken.

    "In den Ländern, wo wir tiefe Rezession haben, sind auch die Banken betroffen, zuvorderst Griechenland, natürlich auch Italien und Spanien. In den Ländern, wo die Wirtschaftssituation sehr solide ist, wie zum Beispiel in Deutschland, stehen die Banken auch deutlich besser da. Aber insgesamt hat die PWC-Untersuchung natürlich schon ergeben, dass noch viele Risiken in den Bankbilanzen schlummern, das wird sich auch kurzfristig nicht ändern."

    In Spanien gab es einen Anstieg der faulen Kredite um 23 Prozent auf 136 Milliarden Euro, in Italien um 37 Prozent auf 107 Milliarden Euro und in Griechenland mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern sogar um 50 Prozent auf 40 Milliarden Euro: In Deutschland summieren sich die faulen Kredite unverändert auf 196 Milliarden Euro. Die deutschen Banken haben zuletzt ihr für Krisenfälle notwendiges Eigenkapitalpolster kräftig erhöht. Jetzt bewegen sie sich in puncto Kapitalausstattung im Mittelfeld. Das bedeutet: Aufgrund ihrer internationalen Verflechtung sind sie verwundbar. Schließlich haben sie alleine nach Spanien und Italien eine Summe von 280 Milliarden Euro verliehen.

    Wenn kleinere Banken in Schwierigkeiten geraten, ist das ziemlich unproblematisch in Europa. Die Banken werden zerschlagen und abgewickelt und die Sparer werden durch gesetzliche oder spezielle Sicherungseinrichtungen von Bankgruppen entschädigt.

    Seit dem Ausbruch der Finanzkrise sind jedoch auch reihenweise große Banken wie die deutsche Hypo Real Estate, die belgisch-französische Dexia, die britische Royal Bank of Scotland oder die spanische Bankia in die Bredouille geraten. Es sind Banken, die die Aufsichtsbehörden als systemrelevant einstufen. Geht eine systemrelevante Bank pleite, besteht die Gefahr, dass andere Institute mit untergehen.

    Die Pleite einer systemrelevanten Bank hat noch keine europäische Regierung seit dem Ausbruch der Finanzkrise riskiert. Als die Kunden beispielsweise beim Immobilienfinanzierer Northern Rock 2007 binnen dreier Tage fast drei Milliarden Euro von ihren Konten abzogen, verstaatlichte die britische Regierung die achtgrößte Bank des Landes kurzerhand. Später übernahm sie mit der Royal Bank of Scotland auch das zehntgrößte Geldhaus der Welt. In Deutschland gab es reihenweise staatliche Geldspritzen und Milliarden-Bürgschaften unter anderem für die Commerzbank, die Hypo Real Estate, die IKB und diverse Landesbanken wie Bayern LB, LBBW und WestLB, die bereits größtenteils abgewickelt worden ist.

    Einige Staaten in der Europäischen Union waren jedoch alsbald mit der Rettung ihrer Banken überfordert und benötigten selbst internationale Hilfe. Zuerst griffen Ende 2010 EU und Internationaler Währungsfonds der Regierung Irlands unter die Arme. Im Juni erst half die EU dann Spanien.

    Als Retter der Banken ist aber auch die Europäische Zentralbank aktiv. Sie hat angeschlagenen Instituten immer wieder Geld ohne die üblichen Sicherheiten geliehen. Ohne diese Maßnahmen der EZB wären viele südeuropäische Banken längst pleite.

    Brüssel pocht derzeit vor allem auf den Nutzen einer besseren Bankenaufsicht. Hier gibt es in der Tat einigen Verbesserungsbedarf. So haben die diversen nationalen Aufseher nicht verhindert, dass sich das Bankensystem auf dem Kontinent durch die großzügige Vergabe von Krediten enorm aufgebläht hat. Die Bankschulden von Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien sind mit 9,2 Billionen Euro heute drei Mal so hoch wie die Staatsschulden dieser Länder. Zum Vergleich: In den USA sind Bank- und Staatsschulden etwa gleich hoch. Eine einheitliche Aufsicht könnte im Notfall viel entschiedener durchgreifen als nationale Aufsichtsbehörden und sie könnte Blasenbildungen oder sonstige Fehlentwicklungen leichter verhindern, davon jedenfalls ist Ökonom Heinemann überzeugt:

    "Das grundsätzliche Problem ist, dass die nationalen Aufsichtsbehörden zu klein sind im Verhältnis zu den großen Banken, dass sie sich nicht trauen, gegen die Geschäfte der großen Banken etwas zu tun. Europäische Institutionen neigen viel eher dazu ein klares Machtwort zu sprechen."

    Mit einer europäischen Bankenaufsicht hätte womöglich auch das Desaster bei der Hypo Real Estate verhindert werden können. In großem Stil hatte deren irische Tochter Depfa langfristige Kreditverpflichtungen mit der Aufnahme kurzfristiger Gelder finanziert und mit der Zinsmarge viel Geld verdient. Damit verstieß sie gegen eine klassische Bankregel, nach der die Aktiva und Passiva einer Bilanz hinsichtlich der Laufzeit aus Risikoerwägungen gleich sein sollen. Infolge der Finanzkrise kollabierte erst die Depfa-Tochter, dann die Mutterbank. Zur Rettung des Geldinstitutes waren öffentliche Garantien von mehr als 120 Milliarden Euro und Direkthilfen von über sieben Milliarden Euro nötig. Dabei hatten die deutschen Aufseher nach eigener Aussage die Gefahr frühzeitig erkannt. Allerdings konnten sie nicht eingreifen, weil für das Tochterinstitut die irische Aufsicht zuständig war. Gerade Irland hatte mit seiner Regulierungspraxis viele Finanzinstitute angelockt. Auf diese grundsätzlichen Gefahren verweist auch Michael Kemmer vom Bankenverband:

    "Heute gibt es ja doch immer wieder die Befürchtung, dass die einzelnen Bankaufsichtsbehörden in den Staaten zu sehr von den Regierungen beeinflusst werden und dann Krisen letztlich verschleppen. Also, die Verbindung nationaler Politik und nationaler Aufsichtsbehörden ist etwas, was durch eine Europäisierung natürlich auch gelöst würde."

    Und die Liste der Probleme aufgrund der zersplitterten Aufsicht lässt sich fortsetzen. So kontrolliert heute die deutsche Aufsicht den deutschen Teil der Deutschen Bank und eine britische Finanzaufsicht den britischen Teil. Im Haftungsfall bürgt jedoch nur der deutsche Steuerzahler. Auch das birgt Stoff für Konflikte.

    Aus historischer Sicht wäre die Bildung einer Bankenunion ein folgerichtiger Schritt: Denn Regierungen haben bislang jede erfolgreiche Währungsunion im Laufe der Zeit um eine Fiskal- und eine Bankenunion ergänzt. So war es unter Reichskanzler Otto von Bismarck in Deutschland, so war es auch in den Vereinigten Staaten. Wenn eine Währungsunion diese Integrationsschritte nicht gemacht hatte, ist sie gewöhnlich wieder verschwunden: So war es bei der Lateinischen Münzunion von Frankreich, Belgien und Italien vor hundert Jahren. Schon nach einem Jahrzehnt fiel diese Währungsunion auseinander. Einiges spricht also für einen zweiten Anlauf für die Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht. Ein erster Anlauf der EU-Kommission, gleich nach der Lehman-Pleite 2008, war am Widerstand der EU-Mitgliedsländer gescheitert. Verwirklicht werden soll eine einheitliche Aufsicht nur für die Länder der Eurozone. Gerade für die großen Privatbanken wäre es jedoch wichtig, dass insbesondere am wichtigsten europäischen Finanzplatz, der City of London, die gleichen Aufsichtsstandards für Banken gelten wie in Frankfurt, Paris oder Rom.

    Georg Fahrenschon, vor Kurzem noch Finanzminister der CSU in Bayern und jetzt Präsident der deutschen Sparkassen, warnt allerdings vor einer Vereinheitlichung der Aufsicht für alle Banken in der EU, egal, ob sie groß oder klein sind; egal, mit wem und was für Geschäfte sie tätigen:

    "Ich kann mir vorstellen, dass wir die Aufsicht in Europa besser aufeinander abstimmen, vor allen Dingen glaube ich, ist es sehr wohl notwendig auch über die großen europa-, weltweit tätigen Investmentbanken eine Aufsicht zu ziehen. Ich halte aber nichts davon, eine Struktur über 8000 Banken in Europa zu ziehen. Allerdings bei der Fragestellung, ob wir auch eine Einlagensicherung über ganz Europa brauchen, da sage ich ganz klar: Nein."

    In Deutschland haben die Genossenschaftsbanken als erste Bankengruppe einen Stützungsfonds eingerichtet - das war 1937. Die privaten Banken gründeten 1966 eine bundesweite Sicherungseinrichtung. Nach der Pleite der Kölner Herstatt-Bank 1974 verschärfte die Bundesregierung die Vorgaben für die Absicherung der Kunden. Ursprünglich waren die Einlagen der Sparkassenkunden durch die kommunalen Eigentümer geschützt. Heute garantieren sich die Sparkassen gegenseitig ihre Existenz und damit den Schutz der Kundengelder. Gerät eine Sparkasse in wirtschaftliche Schwierigkeiten, helfen ihr erst die Institute in der Region. Reicht das nicht aus, dann springt der Haftungsverbund aller 429 Sparkassen ein.

    Juristen halten es für möglich, dass Brüssel per Gesetz allen europäischen Banken eine Zwangsmitgliedschaft in einem einheitlichen Sicherungssystem vorschreiben könnte. Für Sparkassenchef Fahrenschon eine Schreckensvorstellung:

    "Wir wären auf einmal in einer Haftungsgemeinschaft mit großen Investmentbanken der südlichen Mitgliedstaaten oder großen Konzernbanken, die weltweit tätig sind. Die Lehre aus den Katastrophen und den Unfällen der Vergangenheit ist doch nicht, dass wir jetzt den großen Banken noch große Sicherungssysteme an die Seite stellen, sondern die Lehre muss doch heißen, wir müssen solche, mit großen Risiken operierende Investmentbanken, die müssen wir eindampfen, die müssen wir Stück für Stück kleiner machen."

    Die Schaffung eines solchen langfristigen europäischen Ordnungsrahmens braucht aber wohl noch eine geraume Zeit. So pocht der deutsche Bankenverband darauf, dass Europas wichtigster Finanzplatz London von den Regeln nicht ausgenommen wird. Daneben sieht der Bankenverband weitere Hürden, eine wichtige benennt Michael Kemmer:

    "Die nationalen Bankenaufsichtsbehörden erlassen Verwaltungsakte, mit zum Teil einschneidenden Wirkungen, bis hin, dass Banken geschlossen werden. Und dafür gibt es auf europäischer Ebene noch keinen Rechtsrahmen. Die Bankenunion ist ein Fernziel, es ist ein sinnvolles Ziel, wir sollten es anstreben, aber es wird dauern und es wird auch nichts Wesentliches zur Lösung der aktuellen Probleme beitragen können."

    Die Bildung eines gemeinsamen Sicherungssystems sollte nach Ansicht der deutschen Banken eben erst erfolgen, wenn es deutliche Fortschritte bei der fiskalischen und politischen Union gegeben hat. Und das dürfte dauern. Bei der Prioritätenliste wissen die deutschen Banken die Bundesregierung hinter sich: Denn über eine gemeinsame Einlagensicherung und einen Abwicklungsfonds will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den europäischen Partnern ernsthaft erst sprechen, wenn die einheitliche Aufsicht unter Dach und Fach ist. Trotzdem sind Kompromisse in der Politik jederzeit möglich, was die Krisenbekämpfung auf europäischer Ebene in den vergangenen Jahren schon mehrfach gezeigt hat. Wer weiß, vielleicht macht die Kanzlerin doch Zugeständnisse bei der Bankenunion, um einheitliche Schuldscheine der Eurostaaten zu verhindern.

    Eine stärkere Beaufsichtigung der Banken, eine Kontrolle in einer Hand kann jedoch nur ein Baustein sein, um das Finanzsystem zu stabilisieren. Schließlich wird ein steigender Teil der Geldgeschäfte längst an den Bankschaltern vorbei abgewickelt. Man spricht vom außerbörslichen oder OTC-Handel. Auf die Regulierung und vor allem erst einmal eine Erfassung dieses wachsenden Schattenfinanzmarktes drängt der deutsche Sparkassen-Präsident. Der Ex-Politiker Fahrenschon stellt der Politik gleichzeitig ein schlechtes Zeugnis aus:

    "Man muss tatsächlich feststellen, dass seit der Krise um die IKB oder Lehman Brothers vor allen Dingen im sogenannten Schattenbankensystem noch gar nichts passiert ist. Ich kann nur die Politik auffordern, sich wirklich mit dem Problem auseinanderzusetzen, was passiert im Schattenbankensystem."

    Von alleine lösen sich die Probleme der Finanzmärkte jedoch nicht und deswegen sollte die Politik die Regulierungsfragen nicht auf die lange Bank schieben, egal ob es um die Regulierung von Geldinstituten oder Schattenfinanzmärkten geht. Denn auf funktionierende Finanzmärkte sind die Volkswirtschaften auch morgen angewiesen. Darauf macht Ökonom Heinemann aufmerksam:

    "Wir brauchen sie, denn nur die Finanzmärkte sind in der Lage, die Ersparnisse der Sparer in die Richtung zu lenken, wo man sie effizient anlegen kann. Die sind heute global, die sind schnell und darauf müssen wir einfach reagieren mit einer geeigneten Regulierung der Finanzmärkte und mit einer guten Architektur des Banken- und Finanzmarktsystems inklusive der Zentralbanken. Das wird sich nicht zurückdrehen lassen. Wir kommen nicht zurück in eine Tauschwirtschaft."
    Demonstranten sitzen während einer Kundgebung vor der EZB in Frankfurt am Main.
    Demonstranten sitzen während einer Kundgebung vor der EZB in Frankfurt am Main. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Der Schriftzug der Hypo Real Estate Bank auf einer Anzeige an der Börse in Frankfurt am Main
    Der Schriftzug der Hypo Real Estate Bank auf einer Anzeige an der Börse in Frankfurt am Main (AP)
    Georg Fahrenschon, bayerischer Staatsminister für Finanzen
    Georg Fahrenschon, bayerischer Staatsminister für Finanzen (AP)