Dienstag, 19. März 2024

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Krätze
Eine weit verbreitete Hautkrankheit

Die Krätze (medizinisch: Scabies) ist eine recht weit verbreitete Hautkrankheit. In unseren Breiten tritt sie häufig in Gemeinschaftseinrichtungen auf und ist meldepflichtig. Verursacht wird die Krätze durch Milben, die sich in der Oberschicht der Haut ansiedeln.

Von Ulrike Burgwinkel | 02.07.2019
Ein Mann kratzt sich die Haut am Rücken
Grundsätzlich lässt sich die Krätze durch Medikamente gut behandeln. Die Betroffenen müssen dabei aber sorgfältig vorgehen und einiges beachten. (picture-alliance/dpa/ Friso Gentsch )
"Das beginnt damit, dass Soldaten auf engstem Raum zusammen leben."
Medizinhistoriker Professor Hans-Georg Hofer, Universität Münster
"…sich auf die Schlacht vorbereiten und auf diesem engen Raum schlechte hygienische Verhältnisse vorherrschten. Wobei aber die Krätze nicht nur eine Krankheit der mangelnden Hygiene ist, sondern eben auch eine Krankheit, die auftritt, wenn viele Menschen beieinander leben."
Während und nach den beiden Weltkriegen war die Krätze nicht nur bei Soldaten, Heimkehrern und Flüchtlingen, sondern auch in Waisen- und Armenhäusern, Altenheimen, in Krankenhäusern und Schulen weit verbreitet. Das Krankheitsbild selbst kannten bereits die antiken Ärzte: juckender Hautausschlag mit Pusteln und Bläschen. Die Erklärung der Symptome allerdings war eine andere als heute.
"Das damalige Konzept ist das der Humoralpathologie, ein Konzept, das im Wesentlichen gerade auch bei dermatologischen Aspekten bis in die europäische Medizin des 19. Jahrhunderts reichte, und man Krankheiten der Haut mit den Säften im Inneren des Körpers in einen Zusammenhang brachte. Und bei einer Unordnung der Säfte, der sogenannten "Dyskrasie", kamen die Symptome gewissermaßen nach außen, bildeten sich an der Hautoberfläche ab."
Mit Erfindung des Mikroskops kam die wahre Ursache ans Licht
Entsprechend der humoralpathologishen Lehre war denn auch der Aderlass eine gängige Therapie, das Herauslassen und Ableiten der giftigen Säfte aus dem Körperinneren. Hans- Georg Hofer:
"Zum Anderen experimentierten antike, später auch arabische Ärzte mit Hautmitteln, beispielsweise mit Schwefel, mit Teer, auch mit Quecksilber, das man mit Rosenöl vermengte, um es einigermaßen erträglich auf die Haut auftragen zu können. Hintergedanke dabei war, dass durch diesen Reiz, auch durch diesen starken schmerzhaften Reiz, das Innere des Körpers in das Gleichgewicht kommen könnte."
Mit der Erfindung des Mikroskops im 17.Jahrhundert konnte man die Milbe als Verursacherin der Scabies sehen. Man wusste von dem kleinen Tierchen, das sich in der Oberschicht der Haut verbirgt, aber man konnte es nicht in einen kausalen Zusammenhang mit der Erkrankung bringen, so Hofer. Das gelang erst später.
"Ferdinand von Hebra, ein Wiener Mediziner, schickte sich um 1850 an, diese spezifische Tierchen-Ursache zu beschreiben und diese neuen Ideen, Beobachtungen und Kausalbeschreibungen machen dann rasch Schule."
"Die Krätze ist eine Erkrankung, die durch Milben verursacht wird, eine Scabies-Infestation, man sagt eher Infestation als Infektion."
Professor Cord Sunderkötter, Dermatologe am Uniklinikum Münster.
"Milben sind Spinnentiere, die den Menschen befallen, die können mit ihren Mundwerkzeugen Gänge graben in die obere Hautschicht nur. Sie brauchen Sauerstoff, den sie über die Infusion einatmen müssen, also werden sie auch nicht viel tiefer sich graben als in die obere Hautschicht."
Haben sie sich erst einmal eingegraben, vorzugsweise an Körperstellen mit warmer, möglichst dünner Haut, zum Beispiel an Fingerseitenkanten oder im Genitalbereich, vermehren sich die Krätzmilben.
"Nach der Begattung graben sich die Weibchen einen kleinen Tunnel, die Männlein versterben und in diesen Tunnel legen diese Weibchen dann ein bis vier Eier pro Tag und können, wenn man sie in Ruhe lässt, 30 bis 60 Tage leben. Diese Milben und ihre Bestandteile, das, was sie von sich abgeben, das verursacht im Menschen eine Immunreaktion und die ist verantwortlich für das juckende Ekzem, was diese Patienten oft haben."
Die Scabiesmilbe ist nur auf dem Menschen heimisch, sie ist wirtstreu, orientiert sich an Geruch und Temperatur und bewegt sich sehr langsam. Das bedeute, so Cord Sunderkötter, die Ansteckung von Mensch zu Mensch könne nur über einen länger andauernden Hautkontakt erfolgen.
"Das heißt also, Händeschütteln oder andere lose Körperkontakte, kurzer Kuss, ist keine Gefahr bei der normalen Scabies."
Anders ist das bei der Scabies crustosa, oder auch Scabies norvegica genannt, die der Wiener Dermatologe Ferdinand Hebra 1852 in Norwegen bei Leprapatienten entdeckt und beschrieben hat.
"Wenn ein Mensch immunsupprimiert ist, weil er zum Beispiel Medikamente nimmt nach Organtransplantationen oder auch nur langfristig sich mit Cortison an der Haut behandelt hat, dann kann die Milbe sich offenbar ungehindert vermehren. Man hat Millionen von Milben auf kleinen Körperarealen, das ist höchst ansteckend. Es gibt wohl Ethnizitäten, die per se empfänglich sind für diesen starken Scabiesbefall, wo das Immunsystem offenbar einen kleinen Defekt hat und die Scabies nicht so bekämpfen kann."
In Gemeinschaftseinrichtungen, wie zum Beispiel in Altersheimen, kommt die Scabies relativ häufig vor. Gerade ältere Menschen hätten oft ein geschwächtes Immunsystem und seien daher besonders ansteckungsgefährdet, so Sunderkötter. Das Auftreten muss beim Gesundheitsamt gemeldet werden und das Infektionsschutzgesetz verlangt besondere Schutzmaßnahmen. Erkrankte Beschäftigte dürfen keinen Kontakt zu den Bewohnern haben, erkrankte Betreute keine Gemeinschaftsräume aufsuchen.
"Es gibt zwei gängige Therapien. Wer eine gewöhnliche Scabies hat, so nennen wir das bei einem immunkompetenten Patienten, da ist Permithrin das Mittel der Wahl. Wenn das nicht möglich ist oder wenn es kompliziert wird, wenn die Patienten es vielleicht nicht verstehen, dass sie diese Creme wirklich auch acht bis zehn Stunden auf dem Körper belassen müssen, dann empfiehlt sich auch aus organisatorischen Gründen oft die orale Gabe von Ivermectin-Tabletten."
Scabies ist demnach gut behandelbar, auf jeden Fall sollte aber eine Nachuntersuchung stattfinden.
Wiederholung vom 29.03.2016