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Krankenkassen
Regierung will Zuschüsse kürzen

Die Krankenkassen verfügen über ein rekordverdächtiges Finanzpolster von über 30 Milliarden Euro. Doch die Bundesregierung will den Steuerzuschuss kürzen, um ihrem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts näher zu kommen. Opposition und Sozialverbände protestieren.

Von Gerhard Schröder |
    Neben Versichertenkarten verschiedener Krankenkassen liegen mehrere Geldscheine.
    Die Bundesregierung will die Steuerzuschüsse für die gesetzliche Krankenversicherung erneut kürzen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. (dpa picture alliance / Daniel Karmann)
    30,3 Milliarden Euro ist es dick, das Finanzpolster, auf dem Krankenkassen und Gesundheitsfonds sitzen, was auch dem Finanzminister nicht entgangen ist. Schon für das laufende Jahr hat Wolfgang Schäuble (CDU) den Bundeszuschuss um 3,5 Milliarden Euro gekürzt, und auch im nächsten Jahr will er den Rotstift ansetzen. Von den geplanten 14 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds will er 2,5 Milliarden einbehalten. Darauf hat sich Schäuble mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verständigt, wie dessen Sprecherin Katja Angeli bestätigte:
    "Das ist ein sehr solides Polster. Deswegen können wir es uns aktuell leisten, einen Beitrag zur Entlastung des Bundeshaushaltes in 2015 zu zahlen."
    Schäuble käme damit seinem Ziel, im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen, einen großen Schritt näher, was die Opposition ihm so aber nicht durchgehen lassen will.
    Grüne fürchten steigende Versichertenbeiträge
    Schäuble saniert den Bundeshaushalt auf Kosten der Beitragszahler, schimpft Maria Klein-Schmeink, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Die Folge: Die Beiträge der Versicherten werden in den nächsten Jahren schneller steigen als bislang geplant, sagte sie unserem Hauptstadtstudio:
    "Weil im Faktischen bedeutet es, dass die Rücklagen im Gesundheitsfonds schneller aufgebraucht sein werden und dass dadurch gerade die Krankenkassen, die schon jetzt sehr defizitär arbeiten müssen, einen weitaus höheren Zusatzbeitragssatz nehmen müssen."
    Doris Pfeifer, die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Krankenkassen GKV, spricht von einem Beschleunigungsprogramm für Beitragserhöhungen. Auch Jürgen Graalmann protestiert. Der Zuschuss des Bundes an die Krankenkassen sei kein Almosen, sondern ein Ausgleich für die sogenannten versicherungsfremden Leistungen, sagte der Chef des AOK-Bundesverbandes dem Deutschlandfunk. Dazu zählen die beitragsfreie Versicherung von Familienmitgliedern, das Mutterschaftsgeld und das Krankengeld für die Betreuung von erkrankten Kindern. Unter dem Strich weit über 20 Milliarden Euro.
    AOK-Chef: wir erwarten Verlässlichkeit
    "Es geht darum, dass diese familienpolitischen Leistungen vom Bundeshaushalt über einen Bundeszuschuss finanziert werden und da erwarten wir auch Verlässlichkeit. Diese Verlässlichkeit ist mit der erneuten Kürzung für 2015, die heute am Aschermittwoch verkündet worden ist, nicht zu vereinbaren."
    Gesundheitsminister Hermann Gröhe widerspricht. Die Krankenkassen müssen im nächsten Jahr nicht mit weniger Geld auskommen, sagt er, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds werden nicht gekürzt. Die Sorge vor steigenden Beiträgen sei unbegründet, versichert auch Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU:
    "Die Zuweisungen, die die Krankenkassen bekommen, an denen sich auch die Beitragshöhe der Versicherten bemisst, wird dadurch nicht verändert. Ich habe heute auch die Meldung der Krankenkassen gelesen – da schreien die an der falschen Stelle. Es wird also für die Versicherten keine Folgen haben."
    SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach: falsches Signal
    Doch auch der Christdemokrat Spahn weiß: Auf die Krankenkassen kommen härtere Zeiten zu. Nach Berechnungen des Gesundheitsministeriums dürften die Versicherer in den nächsten beiden Jahren wieder tief in die roten Zahlen rutschen, mit einem Gesamtdefizit von neun Milliarden Euro. Aber nicht nur deshalb hält Karl Lauterbach die Pläne des Finanzministers für völlig verkehrt:
    "Das ist das falsche Signal. Die Krankenkassen haben in den letzten drei Jahren sehr gut gewirtschaftet, haben die Beitragssätze stabil gehalten. Jetzt wird das Signal gegeben, dass zum Dank der Steuerzuschuss gekürzt wird. So erziehe ich zu mehr Geld ausgeben und nicht zu Sparsamkeit."
    Gesundheitsminister Hermann Gröhe beschwichtigt: 2016 sollen die Kassen wieder 14 Milliarden aus dem Bundesetat bekommen, in den beiden Folgejahren sollen es noch 500 Millionen mehr sein. Aber wer weiß schon, ob der Finanzminister dann nicht wieder irgendwo Löcher stopfen muss.