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Kraterfelder in der Barentsee
Heftige Methanexplosionen erschütterten einst die Arktis

Im Meer zwischen Skandinavien, Russland und der Arktis entdeckten Geologen in den 90ern Kraterfelder, vermuteten einen Zusammenhang mit vergangenen Eiszeiten. Durch Erderwärmung und riesige Methangaslagerstätten unter kilometerdickem Eis könnte sich ein Szenario wie vor 12.000 Jahren wiederholen.

Von Dagmar Röhrlich | 20.12.2017
    Schiff auf der Barentsee
    Die Barentsee. Auf dem Meeresgrund haben Forscher Kraterfelder gefunden, die vor 12.000 Jahren entstanden. (imago/Westend61)
    Bis zu einem Kilometer weit sind die Krater, die dem Meeresboden südlich von Spitzbergen das Aussehen eines Emmentalers verleihen: Dort ist eine Fläche, die in etwa so groß ist wie der Pyrenäen-Zwergstaat Andorra, mit Tausenden Kratern übersät:
    "Die Krater sehen aus wie Löcher im Meeresboden. Sie sind bis zu einem Kilometer groß und manchmal 30 Meter tief in den Untergrund eingeschnitten. Der Meeresboden besteht in diesem Gebiet nicht etwa aus weichem Sediment, sondern aus hartem Gestein. Und direkt neben den Kratern gibt es Hügel, die auch bis zu einem Kilometer breit werden können."
    Gas, das unter einem extrem hohen Druck stand
    Damit solche Strukturen in festem Fels entstehen, müssen enorme Kräfte wirken, urteilt Karin Andreasson von der Universität Tromsö. Als sie nach dem Ursprung dieser Kräfte suchten, fielen ihrem Team die beträchtlichen Mengen an Methan auf, die heute aus Hügeln wie Kratern sickern. Dieses Methan soll eine zentrale Rolle gespielt haben: in Form von Gas, das unter einem extrem hohen Druck stand:
    "Aufgrund aller unsere Informationen gehen wir davon aus, dass die Krater und Hügel am Ende der jüngsten Eiszeit entstanden sind. Damals saß dort ein zwei Kilometer mächtiger Eisschild direkt auf dem Meeresboden auf. Im Untergrund gibt es jedoch eine Gaslagerstätte. Weil sich dieser Eispanzer bewegte, hobelte er den harten Fels wie ein Bulldozer ab und veränderte so den Druck in dieser Lagerstätte: Er pumpte das Gas regelrecht nach oben und verhinderte gleichzeitig wie ein Deckel, dass es entweichen kann."
    Eis, in dem eine große Mengen Gas gefangen ist
    Kälte und hoher Druck - unter diesen Bedingungen entstehen jedoch im Boden Methanhydrate: also Eis, in dem eine große Mengen Gas gefangen ist.
    "Als vor rund 15.000 Jahren der Eisschild mit dem Ende der Eiszeit zu schmelzen begann, verschwand damit der Deckel, der die Methanhydrate stabil gehalten hatte. Sie schwollen an, Hügel wölbten sich auf, in denen der Druck immer höher stieg - bis das Methan schließlich ausbrach: Die Wände des Hügels brachen ein, und zurück blieb ein Krater. Wir vermuten, dass die großen Krater vor rund 12.000 Jahren entstanden - nicht alle auf einmal, eher so, als ob eine Champagnerflasche nach der anderen geöffnet würde."
    Gaslagerstätten unter kilometerdicken Eisschilden
    Kleine Krater könnten vielleicht heute noch entstehen. Doch für große reichten die Temperatur- und Druckunterschiede nicht mehr aus. Jedenfalls nicht in der Barentssee:
    "Wir können davon ausgehen, dass diese Prozesse überall stattfinden, wo es unter kilometerdicken Eisschilden Gaslagerstätten gibt. Und sie könnten künftig am Rand von Grönland oder der Antarktis auftreten. Wenn die Eispanzer dort durch die globale Erwärmung schmelzen, erwarten wir, dass wir dort künftig große spontane Methanaustritte dieser Art sehen werden."
    Methan ist ein starkes Treibhausgas und könnte am Ende der jüngsten Eiszeit durchaus zur globalen Erwärmung beigetragen haben. Doch die Berechnungen dazu, wie viel Gas auf diese Weise freigesetzt worden ist, laufen noch.