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Krebs-Diagnostik
Laserlicht spürt Tumore auf

Bei einer Tumor-Operation tappen Chirurgen immer ein wenig im Dunkeln. Erst wenn ein Pathologe das entnommene Gewebe untersucht hat, können sie einigermaßen sicher sein, dass sie wirklich alle Krebszellen entfernt haben. Ein neuartiges Lasermikroskop könnte das ändern.

Von Hellmuth Nordwig | 26.06.2019
Multikontrast-Bild eines von Hautkrebs befallenen Gewebes. Mithilfe von drei unterschiedlichen optisch-spektroskopischen Techniken werden morphologische und molekulare Aspekte sichtbar, anhand derer das Operationsteam krebsartiges Gewebe sicher erkennen kann.
Multikontrast-Bild eines von Hautkrebs befallenen Gewebes (Leibniz-IPHT)
Kaum größer als zwei übereinander gestapelte Schuhkartons ist der dunkelgraue Kasten, den Jürgen Popp auf der Messe zeigt. Drin steckt ein ganz besonderes Mikroskop, erläutert der Direktor des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien in Jena.
"Dieser graue Kasten hat ein tolles lichtbasiertes Werkzeug innen drin. Und mit diesem lichtbasierten Werkzeug sind wir in der Lage, Gewebe in Bezug auf seine chemische, aber auch morphologische Zusammensetzung zu untersuchen. Das Gewebe, das wir uns anschauen, kommt gängigerweise aus dem Operationssaal. Und wir schauen uns an, ob das Gewebe einen Tumorrand noch enthält oder ob es schon ganz tumorfrei ist."
Sichere Diagnostik direkt im Operationssaal
Direkt im Operationssaal soll so ein Mikroskop zukünftig stehen. Denn bei Krebsoperationen wird heute zwar eine Schnellfärbung des Gewebes gemacht, um zu sehen, ob die Ärzte den Tumor ganz erwischt haben. Sie kann immerhin in 90 Prozent der Fälle das richtige Ergebnis liefern - ausreichend Erfahrung vorausgesetzt. Doch die Jenaer Forscher wollen diesen Wert weiter steigern. Und zwar indem das Gewebe gleich mit drei Lasertechniken auf einmal untersucht wird; darunter mit einem Fluoreszenzverfahren und der Raman-Streuung. Die Probe wird dazu schockgefroren und hauchdünn geschnitten.
"Diese gefrorenen Scheiben kommen dann auf unseren Objektträger. Und der Objektträger wird dann mit Laserstrahlen vermessen. Und wir gucken uns an: die chemische Verteilung, beispielsweise Lipid, Protein und DNA. Gleichzeitig können wir uns auch noch anschauen: Informationen über bestimmte Enzyme, wie die verteilt sind räumlich. Und, was für uns ganz wichtig ist: Wir können auch Kollagen uns anschauen."
Laserstrahl vermisst drei verschiedene Stoffklassen gleichzeitig
Kollagen ist der Hauptbestandteil des Bindegewebes, das bei Krebszellen oft verändert ist. Alle drei Informationen zusammen werden ausgewertet und geben sofort Auskunft darüber, ob auch der Tumorrand entfernt wurde, ob die Operation also erfolgreich war. Durch maschinelles Lernen haben die Jenaer Forschenden die Aussagekraft nach und nach erhöht. Nach Angaben von Jürgen Popp ist das System inzwischen genauso gut wie ein Pathologe, der das Gewebe untersucht, dafür aber etwa zwei Tage braucht. Zum Beispiel bei sogenannten Plattenepithelkarzinomen, einem bestimmten Hautkrebs an Kopf und Nacken. Jürgen Popp:
"Wir haben das an ungefähr 20, 30 Patienten in der Klinik getestet. Und die Ergebnisse sind sehr vielversprechend, weil wir eben genau nachweisen können: Ist dort noch tumoröses Gewebe vorhanden oder nicht? Was wir natürlich noch nicht gezeigt haben, ist in einer präklinischen Studie, wo wir mehr als 100 Patienten in verschiedenen Krankenhäusern durchmessen, was dann am Ende der Vorteil für den Mediziner ist. Diese Studie steht aus, und wir sind gerade dabei, Geld zu sammeln, um genau diese Studie durchführen zu können."
Lasermikroskop übertrumpft erfahrene Pathologen
Sie ist die Voraussetzung dafür, um ein solches Lasermikroskop als Diagnosewerkzeug zuzulassen und Hersteller dafür zu interessieren. Der Forscher schätzt, dass es für rund 50.000 Euro angeboten werden könnte. Denn die Komponenten sind relativ günstig, obwohl ein kompakter luftgekühlter Faserlaser, der nur Pikosekunden-Pulse aussendet, eigens an der Universität Jena und dem dortigen Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik entwickelt wurde. Langfristig planen die Experten schon das nächste System für den Chirurgen.
"Zukünftig möchte er gar kein Mikroskop mehr haben, und da arbeiten wir auch daran: Das soll in eine Sonde integriert werden, die er einführt, dann auf das verdächtige Gewebe aufsetzt, und dann sagt der Pathologe - oder eben ein Algorithmus: Das ist gesund oder krank, hier musst du schneiden und hier brauchst du nicht zu schneiden."
Doch soweit ist es noch nicht. Erst einmal soll das Mikroskop in den Operationssaal kommen und dank Laserlicht eine rasche Diagnose ermöglichen.