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Krebsforschung
Die Kraft des Lichts

Vor einigen Jahren wurde an einem medizinischen Verfahren gearbeitet, das es ermöglichte, mit Nadeln einen Tumor in der Leber exakt erreichen zu können. Doch das Verfahren schaffte es nie in den klinischen Alltag. Die Informatikerin, die diese Methode entwickelt hat, arbeitet nun an neuen Verfahren zur Bildgebung - am vielversprechendsten: die Fotoakustik.

Von Maximilian Schönherr | 19.04.2016
    Ein Ultraschallbild eines Prostata-Tumors Prostata Krebs Männer Ultraschall Urologe Urologie
    Ultraschallbild eines Prostata-Tumors: Forscher arbeiten an bildgebenden Verfahren für Tumore. (imago/Science Photo Library)
    Selten hören wir Wissenschaftler offen über Rückschläge sprechen, wie hier die Informatikerin Lena Maier-Hein vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg:
    "Ich hatte in meiner Doktorarbeit ein Konzept für die Lebertumortherapie entwickelt, was extrem genau war, auch wesentlich genauer als alle Lösungen, die es bis zu dem Zeitpunkt gab, was es aber nie in die klinische Anwendung geschafft hat. Ich glaube, dass einfach ein Problem die Komplexität und zu hohe Kosten waren. Seitdem habe ich mich, auch mit einigen Rückschlägen, damit beschäftigt, Lösungen zu entwickeln, die sich leichter in den klinischen Alltag integrieren lassen, ohne Strahlenbelastung auskommen und die relativ günstig sind."
    Diese "Lösungen" haben alle mit Licht zu tun, also nicht mit großen Magnetresonanzmaschinen und Röntgentomographen, sondern, wie hier, mit einem handelsüblichen Laparoskop. Dieser etwa 40 Zentimeter lange, fingerdicke Stab wird typischerweise durch die Bauchdecke geschoben, beleuchtet den Bauchinnenraum und schickt Reflexionen des Lichts an das Gerät zurück. Solche Operationen sind minimal invasiv, kommen also ohne große Schnitte aus. Am Imperial College in London entwickeln Kollegen des Heidelberger Teams gerade eine Variante, die man beim Erkunden des Darms, der Koloskopie, verwenden kann.
    Live-Messung der Sauerstoffsättigung
    Das Besondere an diesem Prototypen ist, dass Sebastian Wirkert aus der Gruppe von Lena Maier-Hein hinten ein Rad angedockt hat. Es enthält acht Rotorblätter mit Filtern für acht Farben. Das Rad dreht sich mit einem Schrittmotor und spaltet das weiße Licht dauernd in seine Frequenzbestandteile auf. Sebastian Wirkert:
    "Das ist der Motor, der das Rad schon antreibt."
    Auf seine Hand hat Sebastian Wirkert grün den Buchstaben "G" und rot den Buchstaben "R" gemalt. Am Bildschirm des angeschlossenen Computers zeigt sich abwechselnd mal das "G", mal das "R" - abhängig davon, mit welcher Farbe seine Hand gerade beleuchtet wird.
    "Und wenn ich hier das Licht anmache, meine Hand davor halte, sehen Sie das am Bildschirm. Das Bild flackert, weil wir alle 40 Millisekunden ein neues Bild aufnehmen, in einer anderen Wellenlänge."
    In der Praxis kann ein Arzt - etwa bei der Darmuntersuchung - dann nicht nur die mit weißem Licht bestrahlte Darmwand vor sich sehen, sondern auch feine Veränderungen der Darmwand bis in ca. ein Millimeter Tiefe, weil der Computer ihm die verschiedenen Farbspektren zusammensetzt. Diese multispektrale, gesundheitlich völlig harmlose Bildgebung liefert ihm viele Informationen über das Gewebe, die er mit bloßem Auge nicht erkennt: Daten durch die Aufschlüsselung des Lichts in mehrere Frequenzen. Lena Maier-Hein:
    "Insbesondere interessiert uns dabei die Sauerstoffsättigung. Wir wissen, dass Tumoren einen veränderten Stoffwechsel im Vergleich zum umliegenden Gewebe haben. Dieser manifestiert sich dann in der Sauerstoffsättigung. Und wenn wir die Sauerstoffsättigung live messen können, können wir Tumoren erkennen, die wir mit bloßem Auge sehr schlecht oder gar nicht erkennen."
    Zur leichteren Interpretation dieser Datenmengen setzt das Team der Informatikerin maschinelle Lernverfahren ein. Das heißt, ein Computerprogramm wurde mit Tausenden von Bildern trainiert und kann nun selbst ziemlich sicher entscheiden, ob es sich hier um einen Tumor in der Darmwand handelt oder nicht.
    Vielversprechende Fotoakustik
    Lena Maier-Hein bekam ihre eineinhalb Millionen Euro von der EU vor allem für ein weiteres Forschungsfeld, das tiefer als einen Millimeter ins Gewebe blicken lässt: die Fotoakustik:
    "Die Fotoakustik ist eine sehr neue Methode der Bildgebung. Sie funktioniert im Prinzip so, dass man das Gewebe mit Laserlicht beleuchtet, einem gepulsten Laser. Die Photonen werden dann vom Gewebe absorbiert. Das führt dazu, dass sich das Gewebe ausdehnt. Diese sehr kurze Ausdehnung kann man dann wiederum messen, indem man die erzeugten Ultraschall-Signale misst.
    Das heißt, es ist ein 'Light-in-Sound-out-Approach'. Man misst dadurch optische Gewebeeigenschaften, also ganz andere Eigenschaften als man mit der konventionellen Ultraschall-Bildgebung misst."
    Als Lichtquellen, die das Gewebe zum Pulsieren bringen, setzt die Forscherin auch Infrarotlaser ein. Sie strahlen einige Zentimeter unter die Haut und können so zum Beispiel Tumore in der Leber lokalisieren, für die konventionelle Methoden blind sind. Ultraschall, Röntgen-CT und Magnetresonanz nehmen Unterschiede in der Gewebedichte wahr, während die Photoakustik nur optische Grenzen sieht und darüber auf chemische Gewebeeigenschaften und die Sauerstoffsättigung schließt.
    Die EU sieht in der Diagnostik über Photoakustik eine große Zukunft für die Medizin und vergab deswegen diese Fördergelder an die Informatikabteilung im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Lena Maier-Hein hat bereits das erste Patent angemeldet:
    "Das Schöne an der Technik ist, dass wir eben ganz ohne Strahlenbelastung auskommen. Wir nutzen nur die Power von Licht."