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Krebstherapie
MRT lenkt Immunzellen zum Tumor

Viren, die Krebszellen töten – daran arbeiten Wissenschaftler seit den 90ern intensiv, und jetzt zeichnen sich erste Erfolge ab. Das Problem bei dieser Art Therapie ist aber, dass die Virenverbündeten zum Tumor gelangen müssen, ehe das Immunsystem sie außer Gefecht setzt. Wissenschaftler der Universität Sheffield haben eine Methode enwickelt, die Erreger in weißen Blutkörperchen zu verstecken.

Von Joachim Budde | 19.08.2015
    Krebszellen
    Krebszellen (dpa / picture alliance / CTK Petr Eret)
    Munitta Muthana wollte Tumorzellen mit einem onkolytischen Virus bekämpfen, einem Herpesvirus, das so verändert ist, dass es nur noch Krebszellen infiziert und tötet. Dafür bauten ihre Kollegen von der University of Sheffield und sie ein Trojanisches Pferd aus weißen Blutzellen.
    "Wir verwenden diese Zellen, um das onkolytische Virus zum Tumor zu bringen."
    Denn die nackten Viren würde das Immunsystem sonst außer Gefecht setzen, ehe sie ihre Arbeit am Tumor erledigen könnten. Die weißen Blutzellen aber kennt die Körperabwehr, weil die Forscherin sie ihren Patienten entnommen hat, in diesem Fall Labormäusen, die an Tumoren litten. Drei Millionen der trojanischen Zellen hat sie den Tieren gespritzt. Darin haben die Wissenschaftler außer dem Virus noch etwas versteckt: winzige magnetische Eisenoxidteilchen, sagt Aneurin Kennerley. Der Physiker hat an der Studie mitgearbeitet.
    "Diese Nanopartikel machen die Zellen magnetisch. Deshalb werden sie von Magnetfeldern angezogen. Wir haben nun einen Magnetresonanztomographen verwendet, um ein starkes Magnetfeld zu erzeugen das die Zellen in Richtung des Tumors zieht. Damit haben wir die Chance erhöht, dass unsere Zellen beim Weg durch den Blutkreislauf leichter zum Tumor finden.
    Dafür verwendeten die Forscher einen Magnetresonanztomografen, wie er ganz ähnlich in jedem Krankenhaus eingesetzt wird, um Bilder aus dem Körperinneren zu machen. In einer solchen Röhre bauten die Wissenschaftler ein Magnetfeld auf, dem sie die Versuchsmäuse eine halbe bis eine Stunde lang aussetzten. Die Tiere hatten Prostatageschwüre und Metastasen in der Lunge.
    Bei der Behandlung der Prostata war das Magnetfeld am Hinterteil der Maus stärker als am Kopf. Um die Zellen zur Lunge zu dirigieren, zog es nach vorne und oben. Bei beiden Tumorarten funktionierte die Methode, sagt Munitta Muthana.
    "Wenn wir die Zellen auf natürlichem Weg vom Blutkreislauf verteilen lassen, erreichen etwa zwei Prozent davon den Tumor. Wenn wir das Magnetfeld anwenden, gelangen 44 Prozent zum Geschwür, eine massive Steigerung. Das heißt, mehr Viren erreichen den Tumor und können dessen Zellen töten."
    Mit dem Verfahren wollen die Forscher Geschwüre tief im Körperinneren behandeln, die sich nur schwer erreichen und herausschneiden lassen. Dass die Magnetresonanztomographen auch Bilder machen können, nutzten die Forscher zur Qualitätskontrolle.

    "Wir konnten also nicht nur unsere weißen Blutzellen steuern, sondern gleichzeitig Bilder machen. Bei herkömmlichen Krebstherapien kann man nicht sehen, ob sie funktionieren. Wir aber konnten nachverfolgen, dass unsere Therapie tatsächlich dorthin gelangte, wo sie gebraucht wurde."
    Ob die Methode auch im Menschen funktioniert, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen sind Menschen viel größer als Mäuse. Aber auch andere Fragen sind zu klären, sagt Aneurin Kennerley.
    "Die Geräte, die wir in dieser vorklinischen Studie benutzt haben, sind den Magnetresonanztomographen für Menschen ziemlich ähnlich. Sie arbeiten mit demselben Magneten. Der Unterschied liegt darin, wie stark das Magnetfeld über die Körperlänge abfällt. Wir müssen auch noch weitere Studien machen, um sagen zu können, ob es besser ist, die Patienten länger dem Magnetfeld auszusetzen. Und was würde passieren, wenn wir die Behandlung wiederholten?"
    Grundsätzlich hält Munitta Muthana den Ansatz aber für vielversprechend.
    "Das Virus selbst wird schon in verschiedenen klinischen Studien auf der ganzen Welt getestet. Zelltherapien sind schon jetzt bei Behandlungen im Einsatz, genauso wie die Eisenoxidpartikel, die als Kontrastmittel benutzt werden. Ich denke, unser Ansatz ist durchaus realisierbar. Ich glaube, dass er eher früher als später eingesetzt werden könnte. In drei bis fünf Jahren. Da bin ich optimistisch."