
Vor wenigen Wochen zerschellte eine Champagnerflasche am Rumpf eines Gastankers. Der Tanker wurde auf den Namen "Independence" getauft – Unabhängigkeit.
Den feierlichen Akt vollzog die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaité. Im Hafen der litauischen Stadt Klaipeda soll die "Independence" Gas-Importe aus aller Welt entgegennehmen. Schluss mit der Abhängigkeit vom russischen Gasprom.
Doch Litauen sorgt sich angesichts des Konflikts auf der Krim nicht nur um seine Energie. Wie auch seine Nachbarn Estland und Lettland bangt der ehemalige Sowjetstaat um seine Souveränität.
Zwar ist die russische Minderheit kleiner als im übrigen Baltikum, nur etwa fünf Prozent der Litauer sind russischer Herkunft.
Die aber, fürchtet der litauische Verteidigungsexperte Aleksandras Matonis, könnten durch pro-russische Propaganda aufgewiegelt werden.
"Es ist noch nicht so lange her, dass wir Europäer geworden sind, mit europäischen Werten und europäischer Verantwortung. Es ist daher sehr einfach, diese neue Mentalität und den Glauben an demokratische Werte zu ruinieren."
Ein neues Gesetz in Russland macht es außerdem möglich, russische Pässe an jene auszugeben, die in einem ehemaligen Sowjetstaat geboren wurden.
Also auch an Litauer, die russische Staatsbürger werden wollen.
"Das ist eine enorm große Gefahr und ich denke, dass das ein mögliches russisches Szenario ist - Unruhen hervorzurufen, um einen möglichen Angriff gegen baltische Länder zu rechtfertigen."
Aleksandras Matonis hat seit der Unterzeichnung des NATO-Beitrittsvertrags verfolgt, wie sich Litauen in der Allianz entwickelt. Die NATO, sagt er, habe die Menschen im Land in den vergangenen zehn Jahren kaum interessiert. Das Projekt Europa, die EU, habe die Leute in ihrem Alltag mehr bewegt.
Bisher haben sich die Leute für die NATO kaum interessiert
Seit einigen Wochen ist das nun anders. Das Sicherheitsgefühl der Litauer hat sich fundamental verändert.
"Die Leute haben verstanden, dass so etwas wie auf der Krim auch in Litauen geschehen kann. Zum Glück aber sind wir in der NATO, und es ist deswegen kaum vorstellbar, dass ein Angriff kommt. Wir grenzen zwar an Russland, gehören aber zur Familie der westlichen Demokratien."
Dennoch will das Land jetzt seinen Verteidigungsetat anheben, der entspricht derzeit nur 0,78 Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Höchste Zeit, findet Matonis, der schon lange die Sicherheitspolitik seines Landes kritisiert. Zwar sei Litauen in der NATO hoch angesehen für seine Einsätze in Afghanistan. Aber für den Verteidigungsfall müsse Litauen auch selbst mit anpacken, und sich nicht nur auf die NATO-Streitkräfte der anderen Länder verlassen. Bis 2020, so haben es die litauischen Parlamentsparteien beschlossen, soll der Etat für die Sicherheit des Landes auf zwei Prozent angehoben werden.
Doch auch damit sei bei Weitem noch nicht alles gut, sagt Verteidigungsexperte Matonis.
"Man muss sich mehr um die Probleme hier im Land kümmern. Es muss um Gerechtigkeit gehen, um Löhne und Renten, und gegen Korruption. Man muss sich mit den Problemen der Minderheiten befassen. Zum Nutzen der Menschen, die hier leben, egal welcher Herkunft sie sind. Auch wenn man dafür eigene politischen Ambitionen in den Hintergrund stellen muss."
Der große Nachbar Russland lässt sich nicht steuern. Doch um die Stabilität im eigenen Land zu wahren, meint Aleksandras Matonis, könne Litauen noch einiges tun.