Heinlein: Wegsperren, und zwar für immer. Im Sommer letzen Jahres produzierte der Bundeskanzler Schlagzeilen. Nach mehreren Sexualmorden an Kindern forderte Gerhard Schröder lebenslange Haft für die Täter. Die Forderung ist populär. Bundesrat und Unionsfraktion haben Gesetzesentwürfe formuliert. Das Strafrecht für Sexualtäter soll deutlich verschärft werden. Nun allerdings wurden Zweifel laut, es gäbe gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die nachträgliche Anordnung einer Sicherungsverwahrung, so die Meinung einiger Fachleute im Bundestagsrechtsausschuss. Heute Mittag nun im Bundestag die Debatte über eine bessere Kriminalitätsbekämpfung, und heute morgen dazu am Telefon Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Frau Däubler-Gmelin, in Baden-Württemberg können Straftäter bereits nachträglich in Sicherungsverwahrung genommen werden, auch wenn dies nicht im Urteil vermerkt ist. Andere Bundesländer wollen nun nachziehen. Wann wird es hierzu eine bundeseinheitliche Regelung geben?
Däubler-Gmelin: Ich glaube nicht, dass das ein richtiger Weg ist. Wissen Sie, das ist so schlagzeilenträchtig, wie Sie das jetzt bringen, nur effektiv, d.h. wirksam wird es gar nicht sein. All das, was Sie jetzt gerade berichtet haben, steht ja immer in den Zeitungen. Lassen Sie uns einmal ganz kurz sagen, was heute eigentlich möglich ist, und wo man in der Tat etwas verbessern kann, weil der Wunsch der Bundesregierung und mein Anliegen - das ist ja nun auch bekannt - seit mehreren Jahrzehnten ist es ja, dass wir in der Tat die Sicherheit der Bevölkerung, gerade bei schwersten verbrechen, so weit erhöhen, wie wir das können. Also Sicherungsverwahrung können Sie heute schon anordnen. Es muss in Verbindung stehen mit der Tat, die Sie begangen haben, das ist aber auch ganz klar. Es gibt aber immer wieder Fälle, wo hier offensichtlich die Richter, die dieses auszusprechen haben, nicht ganz sicher sind, ob hier Sicherheitsverwahrung sinnvoll ist, ob sie sein muss. Und hier geht die Bundesregierung her und sagt: wir sagen den Richtern, ihr sollt in Zukunft die Möglichkeit haben, bei der Entscheidung das, was im Strafvollzug an Erfahrungen gewonnen werden konnte, mit einzubeziehen, d.h. ihr könnt die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung bis nach der Strafverbüßung oder gegen Ende der Strafverbüßung tatsächlich aufschieben. Das bringt in der Tat mehr Sicherheit.
Heinlein: In vielen Fällen zeigt sich ja erst in der Haft, dass ein Täter weiterhin gefährlich ist. Kann man dennoch anordnen, dass er nach seiner Haftzeit in Sicherungsverwahrung genommen werden kann?
Däubler-Gmelin: Das ist gerade diese schlagzeilenträchtige Geschichte. Natürlich muss die Sicherungsverwahrung etwas mit der Tat zu tun haben. Sie können ja nicht irgendjemand, der keinen Anlass dafür gegeben hat, jetzt irgendwo mit einer Verwaltungshaft bedecken. Deswegen ist es der falsche Weg. Deswegen ist es gerade für die Leute, die für die Sicherheit etwas tun wollen, genau der richtige Weg, die Entscheidung erst, wie Sie das sagen, unter der Einbeziehung der Erfahrung der Haft tatsächlich zu treffen. Ich glaube, das kann man auch sehr gut machen - das werden wir übrigens auch tun -, und ich denke, wir werden in diesem Punkt dann genau so erfolgreich sein wie mit der Kriminalitätsbekämpfung als solcher, die sich ja nun auch in den Zahlen niederschlägt. Das ist dann nicht so ganz schlagzeilenträchtig, aber auch die polizeilichen Kriminalstatistiken weisen das aus, dass die Zahl zurückgegangen ist. Da steckt eine harte Arbeit hinter, nicht allein von der Bundesregierung, sondern auch von den Verantwortlichen in den Ländern, gerade auch von der Polizei und von den Menschen, die die Augen aufmachen, und so muss es weitergehen.
Heinlein: Dennoch noch einmal die Frage: Wie groß ist denn gegenwärtig aus Ihrer Sicht die Sicherheitslücke beim Schutz vor besonders gefährlichen, rückfallgefährdeten Straftätern?
Däubler-Gmelin: Die dürfte, wenn es nach der Gesetzeslage geht, eigentlich gar nicht vorhanden sein. Aber Sie lesen Zeitung, ich tue das, es gibt immer Entscheidungen, wo man sich fragt: Hätten sie durch das erkennende Gericht nicht anders getroffen werden müssen? Und gerade deswegen, um hier mehr Sicherheit und mehr inhaltliche Richtigkeit zu haben, ist es nicht nur erforderlich, dass die Richterinnen und Richter ihre verantwortungsvolle Aufgabe wirklich sehr gut wahrnehmen, sondern auch, dass man dann überlegt, soll man da, wo sie Zweifel haben können oder Zweifel haben müssen, ihnen dadurch die Arbeit erleichtern, dass man sagt, jetzt trefft ihr die Entscheidung bei dem Urteilsspruch, also vor der Strafverbüßung noch nicht, sondern schiebt das bei Zweifeln so lange hinaus, bis ihr wisst, arbeitet der Täter mit, ist die Resozialisierungsmöglichkeit gegeben, hat er sich verändert, stellt er sich seiner Tat, und beurteilt dann.
Heinlein: Baden-Württemberg und andere Bundesländer sind ja jetzt vorgeprescht. Wann wird es eine bundeseinheitliche Regelung geben? Wird es überhaupt eine bundeseinheitliche Regelung geben oder ist dies Sache der Länder?
Däubler-Gmelin: Nein, das, was wir machen, ist eine bundeseinheitliche Regelung. Das wird auch vor dem Verfassungsgericht Bestand haben. Ich will jetzt über andere Länder nichts sagen. Ich habe Ihnen schon gesagt, das ist ein Weg, der nicht hält. Er ist schlagzeilenträchtig, aber er hat mit wahrer Sicherheit eigentlich nichts zu tun.
Heinlein: Wie groß ist denn der Konsens innerhalb der Bundesregierung über eine solche geplante Verschärfung des Strafrechts? Der Kanzler ist anscheinend dafür, aber die Grünen haben anscheinend ihre Zweifel.
Däubler-Gmelin: Das ist auch wieder so eine gepflegte Legende. Sie haben keine Zweifel. Wenn Sie meinen Kollegen Beck gehört haben, dann werden Sie wissen, dass er diesen Weg genau so für richtig hält wie ich, und das ist auch sehr vernünftig. Lassen Sie mich nochmals sagen, diejenigen, die gegen eine aktive Gewaltbekämpfung waren, die ja nun auch ein Problem dieser Gesellschaft ist, waren nicht etwa die Grünen, sondern das waren die Länder Baden-Württemberg, Bayern und die CDU/CSU. Also wir tun hier ganz gezielt etwas, um Kriminalität und ihre Ursachen zu bekämpfen, und das machen wir sehr erfolgreich, wie es sich auch in den Zahlen niederschlägt.
Heinlein: Also ist das, was Sie heute im Bundestag vorstellen werden, eine Erfolgsbilanz, und es braucht keine Verschärfung oder Ausweitung des Strafrechtes?
Däubler-Gmelin: Nein, es braucht das mit großer Sicherheit, weil die Sicherung der Bevölkerung ja eine Aufgabe ist, die man immer wahrnehmen muss, an der ganz viele beteiligt sind. Ich habe gerade die Beamtinnen und Beamten der Polizei erwähnt, die hier sehr gut mitarbeiten, aber es braucht noch die anderen, die auch daran beteiligt sind, die man auch erwähnen muss, z.B. den Strafvollzug. Man muss da immer schauen, dass man neue Gefahren bewältigt, z.B. die Frage der terroristischen Bedrohung nach dem 11. September. Da sind wir ja nun sehr aktiv geworden. Oder die Frage Rechtsextremismus, hier haben wir auch bekanntlich eine ganze Menge getan. Übrigens Herr Heinlein, wenn ich eine Bitte äußern darf, ich habe den Eindruck, dass es da immer so modische Berichterstattungswellen gibt. Diese rechtsextreme Gewalt vor Ort macht uns immer noch sorgen, und auch darüber zu berichten, bitte ich jetzt auch anderen Beteiligten, nämlich die Kolleginnen und Kollegen der Journalisten. Wir haben, übrigens ganz gezielt, auch die häusliche Gewalt jetzt hier in den Blick genommen, und - und das ist auch eine Sache, wo erfreulicherweise die Länder nach langem Mahnen mitmachen - das Gewaltschutzgesetz, jetzt als neuen Schritt zur Kriminalitätsbekämpfung hier verabschiedet, was ich sehr gut finde. Ich denke, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bringt es, und dann kommen wir auch Schritt für Schritt auf dem guten Weg weiter, auf dem wir uns befinden.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Däubler-Gmelin: Ich glaube nicht, dass das ein richtiger Weg ist. Wissen Sie, das ist so schlagzeilenträchtig, wie Sie das jetzt bringen, nur effektiv, d.h. wirksam wird es gar nicht sein. All das, was Sie jetzt gerade berichtet haben, steht ja immer in den Zeitungen. Lassen Sie uns einmal ganz kurz sagen, was heute eigentlich möglich ist, und wo man in der Tat etwas verbessern kann, weil der Wunsch der Bundesregierung und mein Anliegen - das ist ja nun auch bekannt - seit mehreren Jahrzehnten ist es ja, dass wir in der Tat die Sicherheit der Bevölkerung, gerade bei schwersten verbrechen, so weit erhöhen, wie wir das können. Also Sicherungsverwahrung können Sie heute schon anordnen. Es muss in Verbindung stehen mit der Tat, die Sie begangen haben, das ist aber auch ganz klar. Es gibt aber immer wieder Fälle, wo hier offensichtlich die Richter, die dieses auszusprechen haben, nicht ganz sicher sind, ob hier Sicherheitsverwahrung sinnvoll ist, ob sie sein muss. Und hier geht die Bundesregierung her und sagt: wir sagen den Richtern, ihr sollt in Zukunft die Möglichkeit haben, bei der Entscheidung das, was im Strafvollzug an Erfahrungen gewonnen werden konnte, mit einzubeziehen, d.h. ihr könnt die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung bis nach der Strafverbüßung oder gegen Ende der Strafverbüßung tatsächlich aufschieben. Das bringt in der Tat mehr Sicherheit.
Heinlein: In vielen Fällen zeigt sich ja erst in der Haft, dass ein Täter weiterhin gefährlich ist. Kann man dennoch anordnen, dass er nach seiner Haftzeit in Sicherungsverwahrung genommen werden kann?
Däubler-Gmelin: Das ist gerade diese schlagzeilenträchtige Geschichte. Natürlich muss die Sicherungsverwahrung etwas mit der Tat zu tun haben. Sie können ja nicht irgendjemand, der keinen Anlass dafür gegeben hat, jetzt irgendwo mit einer Verwaltungshaft bedecken. Deswegen ist es der falsche Weg. Deswegen ist es gerade für die Leute, die für die Sicherheit etwas tun wollen, genau der richtige Weg, die Entscheidung erst, wie Sie das sagen, unter der Einbeziehung der Erfahrung der Haft tatsächlich zu treffen. Ich glaube, das kann man auch sehr gut machen - das werden wir übrigens auch tun -, und ich denke, wir werden in diesem Punkt dann genau so erfolgreich sein wie mit der Kriminalitätsbekämpfung als solcher, die sich ja nun auch in den Zahlen niederschlägt. Das ist dann nicht so ganz schlagzeilenträchtig, aber auch die polizeilichen Kriminalstatistiken weisen das aus, dass die Zahl zurückgegangen ist. Da steckt eine harte Arbeit hinter, nicht allein von der Bundesregierung, sondern auch von den Verantwortlichen in den Ländern, gerade auch von der Polizei und von den Menschen, die die Augen aufmachen, und so muss es weitergehen.
Heinlein: Dennoch noch einmal die Frage: Wie groß ist denn gegenwärtig aus Ihrer Sicht die Sicherheitslücke beim Schutz vor besonders gefährlichen, rückfallgefährdeten Straftätern?
Däubler-Gmelin: Die dürfte, wenn es nach der Gesetzeslage geht, eigentlich gar nicht vorhanden sein. Aber Sie lesen Zeitung, ich tue das, es gibt immer Entscheidungen, wo man sich fragt: Hätten sie durch das erkennende Gericht nicht anders getroffen werden müssen? Und gerade deswegen, um hier mehr Sicherheit und mehr inhaltliche Richtigkeit zu haben, ist es nicht nur erforderlich, dass die Richterinnen und Richter ihre verantwortungsvolle Aufgabe wirklich sehr gut wahrnehmen, sondern auch, dass man dann überlegt, soll man da, wo sie Zweifel haben können oder Zweifel haben müssen, ihnen dadurch die Arbeit erleichtern, dass man sagt, jetzt trefft ihr die Entscheidung bei dem Urteilsspruch, also vor der Strafverbüßung noch nicht, sondern schiebt das bei Zweifeln so lange hinaus, bis ihr wisst, arbeitet der Täter mit, ist die Resozialisierungsmöglichkeit gegeben, hat er sich verändert, stellt er sich seiner Tat, und beurteilt dann.
Heinlein: Baden-Württemberg und andere Bundesländer sind ja jetzt vorgeprescht. Wann wird es eine bundeseinheitliche Regelung geben? Wird es überhaupt eine bundeseinheitliche Regelung geben oder ist dies Sache der Länder?
Däubler-Gmelin: Nein, das, was wir machen, ist eine bundeseinheitliche Regelung. Das wird auch vor dem Verfassungsgericht Bestand haben. Ich will jetzt über andere Länder nichts sagen. Ich habe Ihnen schon gesagt, das ist ein Weg, der nicht hält. Er ist schlagzeilenträchtig, aber er hat mit wahrer Sicherheit eigentlich nichts zu tun.
Heinlein: Wie groß ist denn der Konsens innerhalb der Bundesregierung über eine solche geplante Verschärfung des Strafrechts? Der Kanzler ist anscheinend dafür, aber die Grünen haben anscheinend ihre Zweifel.
Däubler-Gmelin: Das ist auch wieder so eine gepflegte Legende. Sie haben keine Zweifel. Wenn Sie meinen Kollegen Beck gehört haben, dann werden Sie wissen, dass er diesen Weg genau so für richtig hält wie ich, und das ist auch sehr vernünftig. Lassen Sie mich nochmals sagen, diejenigen, die gegen eine aktive Gewaltbekämpfung waren, die ja nun auch ein Problem dieser Gesellschaft ist, waren nicht etwa die Grünen, sondern das waren die Länder Baden-Württemberg, Bayern und die CDU/CSU. Also wir tun hier ganz gezielt etwas, um Kriminalität und ihre Ursachen zu bekämpfen, und das machen wir sehr erfolgreich, wie es sich auch in den Zahlen niederschlägt.
Heinlein: Also ist das, was Sie heute im Bundestag vorstellen werden, eine Erfolgsbilanz, und es braucht keine Verschärfung oder Ausweitung des Strafrechtes?
Däubler-Gmelin: Nein, es braucht das mit großer Sicherheit, weil die Sicherung der Bevölkerung ja eine Aufgabe ist, die man immer wahrnehmen muss, an der ganz viele beteiligt sind. Ich habe gerade die Beamtinnen und Beamten der Polizei erwähnt, die hier sehr gut mitarbeiten, aber es braucht noch die anderen, die auch daran beteiligt sind, die man auch erwähnen muss, z.B. den Strafvollzug. Man muss da immer schauen, dass man neue Gefahren bewältigt, z.B. die Frage der terroristischen Bedrohung nach dem 11. September. Da sind wir ja nun sehr aktiv geworden. Oder die Frage Rechtsextremismus, hier haben wir auch bekanntlich eine ganze Menge getan. Übrigens Herr Heinlein, wenn ich eine Bitte äußern darf, ich habe den Eindruck, dass es da immer so modische Berichterstattungswellen gibt. Diese rechtsextreme Gewalt vor Ort macht uns immer noch sorgen, und auch darüber zu berichten, bitte ich jetzt auch anderen Beteiligten, nämlich die Kolleginnen und Kollegen der Journalisten. Wir haben, übrigens ganz gezielt, auch die häusliche Gewalt jetzt hier in den Blick genommen, und - und das ist auch eine Sache, wo erfreulicherweise die Länder nach langem Mahnen mitmachen - das Gewaltschutzgesetz, jetzt als neuen Schritt zur Kriminalitätsbekämpfung hier verabschiedet, was ich sehr gut finde. Ich denke, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bringt es, und dann kommen wir auch Schritt für Schritt auf dem guten Weg weiter, auf dem wir uns befinden.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio