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"Kriminelle Netzwerke, die gigantische Gewinne einstreichen"

Rüdiger Stihl, Vorsitzender des Arbeitskreises der deutschen Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie, hat schärfere Strafen für Produktfälscher gefordert. Besonders wichtig sei, die Verbraucher besser über die Gefahren gefälschter Waren aufzuklären.

Rüdiger Stihl im Gespräch mit Jürgen Liminski | 26.04.2012
    Jürgen Liminski: Heute ist Welttag des geistigen Eigentums, das wird überall gefeiert, auch in China. Da dürfte allerdings viel Schadenfreude mitklingen, denn China ist Weltmeister beim Kopieren. Davon können auch und gerade deutsche Firmen ein Lied singen, zum Beispiel die Firma Stihl in Baden-Württemberg. Sie hatte die Produktion wegen der günstigeren Produktionskosten nach China ausgelagert, was dazu führte, dass es plötzlich im Reich der Mitte eine nicht überschaubare Zahl an Stihl-Sägen gab. Ergebnis: Jetzt wird wieder in Europa produziert. Mitgehört hat eben der Gesellschafter der Firma, Rüdiger Stihl, der auch Vorsitzender des Arbeitskreises der deutschen Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie ist. Guten Morgen, Herr Stihl!

    Rüdiger Stihl: Guten Morgen.

    Liminski: Herr Stihl, um welche Beträge handelt es sich, wenn wir über Diebstahl des geistigen Eigentums im Welthandel sprechen?

    Stihl: Man schätzt hier auf einen Schadensbetrag in Höhe von 250 Milliarden Dollar ohne Einbeziehung des Internethandels. Der kommt noch hinzu und müsste selbst in beträchtlicher Höhe auch noch mal zu Buche schlagen.

    Liminski: Und wie hoch ist der Schaden für die deutsche Wirtschaft?

    Stihl: Man geht hier von einem Schaden in Höhe von 50 Milliarden Euro pro Jahr aus.

    Liminski: Haben wir es hier mit einer Art organisiertem Verbrechen, mit Mafiastrukturen zu tun?

    Stihl: Das ist durchaus der Fall, und neben den gefälschten Produkten, die für die Verbraucher nur einen schönen Schein darstellen und einen sehr günstigen Preis haben, wird in der Regel nicht beachtet, dass dahinter mafiöse Strukturen stehen, kriminelle Netzwerke, die gigantische Gewinne einstreichen mit diesen gefälschten Produkten. Die sehen schön aus, haben eine sehr schlechte, um nicht zu sagen, miserable Qualität und bergen darüber hinaus - und das ist das Schlimme dabei - häufig Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, manchmal sogar für das Leben der Benutzer.

    Liminski: Wie erkennt man denn gefälschte Markenprodukte?

    Stihl: Es ist nicht immer einfach, sie zu erkennen, aber man sollte generell schon mal etwas vorsichtig und misstrauisch sein, wenn eine Ware zu einem besonders günstigen niedrigen Preis angeboten wird, wie man sie sonst normalerweise überhaupt nicht findet. Im Übrigen spricht auch das Aussehen der Produkte manchmal gegen ein Originalprodukt - denken Sie schon mal an die Verpackung, das Fehlen von Bedienungsanleitungen, Garantieunterlagen und so weiter. Es ist eine ganze Reihe von Gründen, die hier zu beachten ist, und nicht zuletzt spielt auch eine Rolle, wo man Produkte kauft. Wenn man daran denkt, auf Jahrmärkten, Basaren und ähnlichen Vertriebsformen Produkte zu erstehen, dann wird man gerade dort häufig gefälschte Produkte finden.

    Liminski: Als Exportnation, Herr Stihl, haben wir ein hohes Interesse, unser geistiges Eigentum zu schützen. Wie viele Firmen arbeiten bei Ihnen im Arbeitskreis mit?

    Stihl: Wir haben etwa knapp 80 Mitgliedsfirmen und darüber hinaus noch einige Mitglieder in einem Förderkreis. Gemessen an der großen Zahl von Unternehmen, die in Deutschland zu leiden haben unter Produkt- und Markenpiraterie, ist das allerdings relativ wenig. Man schätzt, dass 75 Prozent aller Unternehmen in Deutschland zu leiden haben unter Produkt- und Markenpiraterie. Die gängige Vorstellung, es handele sich hier um ein Kavaliersdelikt, ist also völlig falsch.

    Liminski: Warum machen nur so wenig Firmen in Ihrem Arbeitskreis mit?

    Stihl: Ich gehe davon aus, dass die Firmen eine gewisse Scheu haben, mit ihren Problemen an die Öffentlichkeit zu treten - aus Furcht davor, dass sie dann Kunden verlieren könnten. Ich halte das für den falschen Weg und ich glaube, allein um die Öffentlichkeit zu informieren, wie groß dieses Problem ist, müssten die Firmen ganz konsequent an die Öffentlichkeit gehen. Ich bedauere sehr, dass das nicht der Fall ist. Im Übrigen vermisse ich auch den Verbraucherschutz, der ja bei anderen Fällen - denken Sie mal an Dioxinskandale - an die Öffentlichkeit sehr wohl herantritt und hier entsprechend Aktionen veranstaltet. Aber auf diesem Feld der gefälschten Produkte, die sehr gefährlich sein können, sieht man vom Verbraucherschutz bedauerlicherweise sehr wenig.

    Liminski: Hilft Ihnen denn die Politik bei diesem Kampf gegen die Produktpiraterie? Muss man Strafen verschärfen?

    Stihl: Die Politik lobt unsere Aktivitäten sehr, aber ich wünschte mir auf der anderen Seite eine Verbesserung der Aktionen vonseiten der Politik. Es geht darum, klare Zeichen zu setzen. Eine Strafverschärfung für die gewerblichen Fälscher wäre hier angezeigt, außerdem die Beschlagnahme von Waren, die gefälscht sind und nur im Transitwege durch die beispielsweise EU hindurchreisen sollen, und nicht zuletzt eine Teilnahme an der Verbraucheraufklärung. Ich halte gerade den letzten Punkt für besonders wichtig, damit die Öffentlichkeit informiert wird über die Hintergründe der gefälschten Produkte.

    Liminski: Da sind wir ja gerade bei. - Wie sieht denn der Schutz des geistigen Eigentums bei unseren Nachbarn aus?

    Stihl: Bei unseren Nachbarn sieht es in vergleichbarer Weise aus. Im Übrigen wird auch auf EU-Ebene einiges getan, um den Schutz gegen Fälschungen zu verbessern. Aber es fehlt dieser notwendige große Einsatz im Kampf gegen die Produktpiraten und gerade im Punkte Verbraucheraufklärung wäre es sehr, sehr wünschenswert, dass hier eine groß angelegte Verbraucheraufklärungsaktion stattfinden würde.

    Liminski: Produktpiraterie, ein globales Thema, aber das auch vor allem die Deutschen betrifft. Das war am Tag des geistigen Eigentums Rüdiger Stihl, er ist Vorsitzender des Arbeitskreises der deutschen Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie. Besten Dank für das Gespräch, Herr Stihl.

    Stihl: Ich danke Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.